Editorial 5/2006
 

Global verkehrt

 
Michael Adler

Foto: www.marcusgloger.de

Vor genau 14 Jahren machte die fairkehr die Kilometerbilanz eines Erdbeerjoghurts auf. Stefanie Böge vom Wuppertal Institut hatte knapp 8000 Kilometer Transportwege für alle Bestandteile eines Gläschens errechnet. Schon 1992 war die Produktion global, auch wenn Globalisierung noch kein Schlagwort war. Seitdem ist die weltweite Arbeitsteilung weiter vorangeschritten. Flugzeugbäuche und Lkw-Container sind zu mobilen Lagerhallen der Just-in-Time-Produktion mutiert. Die mit dem Lkw erbrachte Güterverkehrsleistung hat sich seit 1970 verfünffacht. Pro Bundesbürger und -bürgerin werden jeden Tag 150 Kilogramm Güter 87 Kilometer weit gefahren.

Doch wer sich gerade noch auf der Autobahn über die endlose Lkw-Karawane echauffierte, legt im Supermarkt ganz selbstverständlich Kiwi aus Neuseeland, Tomaten aus Spanien und einen Rosenstrauß aus Kenia für die Liebste in den Einkaufswagen. Die weltweite Verteilung landwirtschaftlicher Produktion folgt dabei keineswegs den besten Anbaubedingungen. Wichtiger sind billige Löhne, laxe Umweltgesetze und kurzfristige Effekte für die Handelsbilanz. Der Verbrauch fossiler Treibstoffe spielt trotz hoher Spritpreise noch keine Rolle.

Ein anderes nicht minder knappes Gut steht der globalisierten Warenproduktion praktisch zum Nulltarif zur Verfügung: Wasser. „Virtuelles Wasser“ nennt man die Menge Wasser, die bei Herstellung und Transport etwa einer Tomate oder eines Baumwoll-T-Shirts verbraucht wird.

Die Unesco hat errechnet, dass eine 70 Gramm leichte Tomate aus spanischen Gewächshäusern 13 Liter Wasser benötigt, bis sie auf unserem Tisch landet. Eine Tasse Kaffee trägt 140 Liter Wasser als Rucksack. Besagtes Baumwoll-T-Shirt verbraucht gar 2000 Liter Wasser, bis wir es das erste Mal überstreifen.

Die Produktion von Tomaten und Baumwolle bleibt auch in den Ursprungsländern nicht folgenlos. Spanien wird zunehmend trockener. Dennoch konzentriert sich die Obst- und Gemüseproduktion der EU auf die Mittelmeeranrainer. Um den Preis, dass das kostbare Gut Wasser immer knapper wird.

Die Baumwollimporte der Europäischen Union aus Usbekistan sind zu 20 Prozent am Schrumpfen des Aralsees beteiligt. Die Zuflüsse des Sees bewässern die Baumwollpflanzen.

Kenia produziert pro Jahr über 50 Millionen Tonnen Blumen. Das Wasser stammt vorrangig aus dem See Naivasha, der Reservoir für unzählige Tierarten und für die Massai-Nomaden ist. So zerstört der bunte Blumengruß im deutschen Winter weit weg in Afrika die Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung und der Tierwelt.

124 Liter Wasser fließen pro Mensch und Tag durch unsere heimischen Wasserleitungen. 4000 Liter Wasser verbrauchen Bundesbürger pro Tag virtuell an anderen Stellen in der Welt – bisher ohne Rechnung.

Guten Appetit mit Grünkohl, Feldsalat und Äpfeln wünscht Ihnen Ihr

 

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