VCD Aktiv 4/2006

20 Jahre Verkehrsclub Deutschland

Seit 1994 unterstützen Persönlichkeiten aus Hochschule, Wirtschaft, Verwaltung und freien Büros den VCD durch ihre Mitarbeit im Wissenschaftlichen Beirat. Die Beiratsmitglieder schärfen das Profil des VCD als Fachverband und fördern dessen praktische Arbeit, indem sie ihr verkehrswissenschaftliches Know-how einbringen. Im Jubiläumsjahr denken die Wissenschaftler über die Bedeutung des VCD und seine Zukunft nach.

Welche Rolle der VCD künftig spielen soll? Ich sehe den VCD weiterhin als kompetente Stimme und vor allem als kritischen Geist in einem Meer von (Auto-)Mobilisierung und Billigfliegerei. Das heißt, dass die kritische Auseinandersetzung mit Mobilität und Verkehr, mit Verkehrssicherheit, Umweltschutz und einem zivilen Umgang der Menschen miteinander im öffentlichen Raum weiterhin notwendig ist. Dafür brauchen wir Umwelt- und Verkehrsverbände, last but not least auch und vor allem den VCD. Denn diejenigen, die behauptet haben, dass sie diese Probleme selbst lösen, haben sich in der Vergangenheit ja hinreichend widerlegt. Damit der VCD auch gut durch die anstehenden „Wechseljahre“ kommt, wünsche ich ihm, dass er nicht nur hartnäckig am Ball bleibt, sondern auch neues Engagement bei jüngeren Generationen weckt.

Foto: Andreas Labes

Dr. Markus Hesse ist Privatdozent und Hochschulassistent am Institut für Geographische Wissenschaften der Freien Universität Berlin

In den letzten zwanzig Jahren ist schon viel erreicht worden, wenn auch noch längst nicht genug. Wir haben weiterhin einen Traum, die Hoffnung auf eine nachhaltige Entwicklung von Stadt und Region, bei der Personen- und Güterverkehr hauptsächlich mit Bahn, Tram, Bus, Fahrrad und zu Fuß stattfinden und sich motorisierter Verkehr dem Leben im Quartier und dem Aufenthalt in der Landschaft schonend anpasst.

Foto: Andreas Labes

Dr.-Ing. Dieter Apel, Stadt- und Verkehrsplaner, war bis 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin

Mir gefällt am VCD, dass dort zusammengebracht wird, was auch im Leben zusammengehört: Unterwegs bin ich per Auto, Rad, Flieger und zu Fuß – und mit alledem beschäftigen sich engagierte Menschen beim VCD, geben Hintergrundinfos und Entscheidungshilfen. Dem VCD gelingt es, Service für Mitglieder und politisches Arbeiten unter einen Hut zu bringen. Ein Beispiel: Wenn in der fairkehr die Vision „Null Verkehrstote“ vorgestellt wird, können die einen in der Tempo-30-Initiative damit argumentieren, andere das Thema mit einer Geldspende voranbringen. Wer den VCD stärkt, kann Weltrettung und persönliches Wohlergehen verbinden – was wollt ihr mehr? Ich finde es klasse, wenn wir im wissenschaftlichen Beirat die Köpfe rauchen lassen, um auf hochaktuelle und ganz schön ferne Fragen der zukunftsfähigen Mobilität Antworten zu finden. Da höre ich Neuigkeiten und es erschließen sich Zusammenhänge, die ich mir sonst mühsam erarbeiten müsste. Und ich habe Gelegenheit, Themen die mir am Herzen liegen, engagierten Fachleuten nahezubringen – zum Beispiel inwieweit das Thema Fahrgastrechte mit der Qualitätsentwicklung im Nahverkehr zusammenhängt. Was wiederum den Einzelnen und (hoffentlich) dem VCD helfen kann, die (Verkehrs-)Welt zu verbessern.

Foto: Andreas Labes

Die Politologin Katja Striefler
arbeitet im Nahverkehrs-Marketing beim Aufgabenträger Region Hannover

Die Zusammenarbeit mit Verkehrswissenschaftlern im wissenschaftlichen Beirat ist für mich immer interessant, inhaltlich anregend und zu neuen Taten ermutigend. Als Studienleiter im Bereich Umweltpolitik und nachhaltige Entwicklung bin ich eher Generalist und freue mich, wenn es mir gelingt, den Menschen Querbezüge zu ihren Problemen aufzuzeigen, ob sie nun umweltengagiert „beim Daimler“ arbeiten, als Pazifikbewohner unter dem Klimawandel leiden, in Ghana von einem Fahrrad träumen oder als Pfarrer ständig mit den Opfern ungebremster Motorisierung zu tun haben. Auch die Institution Kirche muss sich für eine nachhaltige Mobilitätskultur einsetzen. Der evangelische Kirchentag versucht es – alle zwei Jahre. Bestimmt wird neben der Frage nach Effizienz und ressourcenarmer Fortbewegung der Aspekt der Entschleunigung – nicht nur des Verkehrs, sondern aller Lebensvollzüge – ein zentrales Thema für den VCD werden. Dem VCD wünsche ich mehr Menschen, die seine politische Arbeit schätzen und die in einer Mitgliedschaft auch ihren individuellen Nutzen entdecken. Motorisierte Mobilität und ihre globalen Folgen ist weitgehend tabuisiert – auch auf der Seite engagierter Umweltschützer. Hier ehrlich Bilanz zu ziehen, auch unter den eigenen Mitgliedern, und weiter beharrlich Schritte in eine nachhaltige Zukunft zu machen, das wünsche ich dem VCD.

Foto: Andreas Labes

Dipl.-Psych. Jobst Kraus ist Studienleiter im Arbeitsbereich Umweltpolitik und Nachhaltige Entwicklung der Evangelischen Akademie Bad Boll

Als ich mich 1986 mit 20 Jahren beim Gründungsprozess des VCD engagiert habe, waren nicht nur der tadellose öffentliche Verkehr und das Halbpreisabo bei Bahnen und Bussen in unserem südlichen Nachbarland unser Vorbild, sondern auch der junge, aber sehr erfolgreiche Verkehrsclub der Schweiz, VCS. Dort war es gelungen, durch eine Verknüpfung von Service- und Versicherungsleistungen für Autofahrer mit einer umweltorientierten Verkehrspolitik eine Alternative zu den Automobilclubs zu schaffen, die dank wachsender Basis Gehör fand.

Heute ist auch der VCD ein verlässlicher, kompetenter und akzeptierter Streiter für eine menschen- und umweltorientierte Verkehrspolitik. Für einen engagierten Verkehrsplaner gibt es da natürlich reichlich Berührungspunkte: sei es bei der Stadtbusplanung vor Ort oder bei Grundsatzfragen der Verkehrsfinanzierung. Denn auch gute Vorschläge des Experten tun sich ohne politischen Rückenwind zuweilen schwer. Angesichts der neuen Geringschätzung der Politik für Bahnen und Busse, die sich in massiven Mittelkürzungen niederschlägt, brauchen wir eine starke Lobby, die dagegenhält. Mein Wunsch: Der VCD muss noch bekannter werden und wachsen. Viel zu viele Menschen, die dort nicht hingehören, sind noch immer bei der Konkurrenz des gelben Riesen.

Foto: Andreas Labes

Diplom-Geograph Gerd Hickmann ist ÖPNV-Berater mit eigenem Büro in Tübingen

Der VCD ist heute so wichtig wie vor 20 Jahren. Eine umwelt- und sozialverträgliche Verkehrspolitik, die den Anspruch hat, zu gestalten und zu verändern, braucht einen Verband wie den VCD: Sowohl die Lobbyarbeit für nachhaltigen Verkehr, die Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit, die Innovationen wie die BahnCard und die Auto-Umwelt-Liste haben große praktische Bedeutung.

Der VCD sorgt auch für Bewegung in der Wissenschaft – als Nachfrager und als Motor: Insbesondere sein Einsatz für eine autounabhängige Mobilität, die Kundenperspektive im öffentlichen Verkehr, die eindeutige Interessenvertretung für Kinder oder die ausdrückliche Umweltorientierung erleichtern es mir, in meiner wissenschaftlichen Arbeit diese Themen weiterzuentwickeln und zu beforschen – gerade auch, da sich der politische und wissenschaftliche Wind in den letzten 20 Jahren gegen einen Teil dieser Themen gedreht hat. Und solange eine wirklich umweltorientierte Verkehrsentwicklung weiterhin im Argen liegt, muss der VCD an strategischen Themen wie Tempolimits, wie die Vision Zero, wie Umstiegsszenarien, wie lärm-, schadstoffarme und sparsame Fahrzeuge oder wie Mobilitätsmanagement für Kinder und Jugendliche dranbleiben. Weiter so und herzlichen Glückwunsch!

Foto: Andreas Labes

Dr.-Ing. Ulrike Reutter ist stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Mobilität und Siedlungsentwicklung am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung und Bauwesen des Landes NRW in Dortmund

Der VCD ist eine wichtige Stimme für die Menschen in Deutschland, die mobil sein nicht mit Automobil verwechseln, d.h. die nachhaltiger leben wollen.

In den 20 Jahren seines Bestehens hat sich der VCD einen hervorragenden Ruf bei Ministerien und anderen öffentlichen Auftraggebern als kompetenter Fachverband erworben. Bei Projekten des Umweltbundesamtes, zum Beispiel zur Mobilitätserziehung oder zum Lärm, gilt der VCD als sehr zuverlässiger Partner.

Um noch mehr zu bewirken, muss der VCD in Zukunft ein starker Mitgliederverband werden, damit seine Stimme noch mehr gehört wird. Da reichen die gut 60000 nicht aus. Mitgliederzuwachs ist auch notwendig, damit der VCD einen noch besseren Service bieten kann.

Foto: Andreas Labes

Dr. Axel Friedrich ist Leiter der Abteilung Umwelt und Verkehr, Lärm im Umweltbundesamt

20 Jahre VCD – schon oder erst so alt? Egal wie ich es betrachte, der VCD hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Sicht auf Verkehr verändert hat.

VCD-Mitglied bin ich geworden, weil hier eine Organisation die Belange aller Bevölkerungsgruppen im Hinblick auf Mobilitätssicherung ernst genommen hat. Mir persönlich waren damals vor allem Kinder und Jugendliche wichtig (meine Kinder waren 5 und 8 Jahre alt), und hier hat der VCD viel getan. Angefangen mit dem bundesweit angelegten Kinderverkehrsgutachten 1996 unter dem Slogan „Platz Da! Kinder werden aktiv“ über die Kampagne „Auf Kinderfüßen um die Welt“ in Kooperation mit dem Klimabündnis 2002 bis hin zur aktuellen Aktion „FahrRad! – Wer zur Schule fährt, gewinnt“, der VCD kümmert sich kontinuierlich um die Gruppen in der Gesellschaft, die überwiegend zu Fuß und mit dem Fahrrad mobil sind. Als viele dachten, Tempo 30 sei ein alter Hut, hat der VCD das Thema erneut auf seine Agenda gesetzt und es so im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gehalten. Das gilt auch für „Vision Zero“ – Null Verkehrstote.

Es hat Spaß gemacht zu sehen, wie sich der VCD vom nicht ganz ernst genommenen „Öko-Verein“ zu einem wichtigen Gesprächspartner in der Verkehrs-, Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik gemausert hat. „Weiter so!“ kann ich nur sagen.

Foto: Andreas Labes

Gisela Steta ist Verkehrsplanerin mit eigenem Büro in Darmstadt und von Anfang an Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des VCD, seit 2002 dessen Sprecherin

Die Bedeutung des VCD liegt darin, dass er sehr konsequent, gegen jeden Opportunismus und ohne Taktiererei, wie sie das Tagesgeschäft manchmal nahelegt, eine strikte – manchmal auch für mich unbequeme – Haltung für eine umweltfreundliche Mobilität einnimmt. Der VCD ist also verlässlich und man weiß, woran man ist.

Auch wenn ich die Positionen des VCD nicht immer und bei jedem Thema teile, so kann ich doch als Wissenschaftler immer wieder von ihm lernen: Einerseits darüber, zu welchen Themen dringend geforscht werden muss, andererseits lerne ich aber auch etwas darüber, wann und wo mit der Forschung Schluss ist, was also ausreichend erforscht ist und was nun endlich in die Umsetzung, in die Praxis muss.

Der VCD soll sich meines Erachtens zu einem Verkehrsclub der multioptionalen Verkehrsmittelnutzer und -nutzerinnen entwickeln, d.h. er soll jede Form der Fortbewegung einbeziehen, den Spaß an der Technik akzeptieren und in seiner Zeitschrift auch unterstützen. Für die Zukunft wäre es toll, wenn er sich ein wenig mehr um die Seite der Selbstverantwortung der VerkehrsteilnehmerInnen und insgesamt um eine neue Mobilitätskultur kümmern würde, die über den Umweltschutz hinausgeht.

Foto: Andreas Labes

Dr. Konrad Götz ist Sozialforscher am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE-GmbH) in Frankfurt am Main. Dort leitet er den Institutsbereich Mobilität und Lebensstilanalyse

 

Warum sind Sie VCD-Mitglied?

In den vergangenen fairkehr-Ausgaben haben die Gründer, die jungen Mitglieder, die Prominenten und der wissenschaftliche Beirat dem VCD zum 20-jährigen Bestehen gratuliert. Am Ende des Jahres wollen wir Sie zu Wort kommen lassen. Wir möchten wissen: Warum sind Sie VCD-Mitglied geworden? Damit möglichst viele zu Wort kommen, bitten wir Sie um kurze Grüße, nette Fotos und launige Anekdoten.

Schreiben Sie an: fairkehr GmbH,
Niebuhrstraße 16b, 53113 Bonn
Fax: (0228) 98585-50
E-mail: redaktion@fairkehr.de

 

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