Titel 3/2006

Alle gratulieren

Über den Kampf zum Spiel

Nach dem Ende der rot-grünen Bundesregierung bleiben unzählige Umweltprobleme des Verkehrs ungelöst. Hier liegen große Aufgaben für das starke Team VCD. Der in allen Mannschaftsteilen – Politik, Öffentlichkeitsarbeit und Service – verstärkte VCD hat keine Angst vor großen Gegnern. Er braucht allerdings die tatkräftige Unterstützung von noch mehr Fans.

Fotos: www.marcusgloger.de

20 Jahre VCD: Das Gründungsjahr liegt in einer anderen politischen Zeit. Erinnern Sie sich an 1986? Helmut Kohl war deutscher Bundeskanzler. Die Grünen rotierten durch die erste Legislaturperiode im deutschen Bundestag. Die Männer hatten noch Bärte und schulterlange Haare. Nahe Kiew explodierte der Atomreaktor von Tschernobyl und halb Europa wurde mit radioaktivem Fallout verstrahlt. In den USA regierte Ronald Reagan und in der Sowjetunion zog ein vergleichsweise junger Generalsekretär namens Michail Gorbatschow den eisernen Vorhang ein Stück beiseite.

1987 verkauft der VCD den ersten Schutzbrief

Die unzähligen Umweltbewegungen und Initiativen, die aus dem 68er Aufbruch entstanden waren, sammelten sich zu einem großen Teil in der grünen Partei. Man diskutierte über Macht und wollte sich nicht von ihr korrumpieren lassen. Ausgerechnet die Konservativen schufen das Umweltministerium. Der CDU-Politiker Walter Wallmann übernahm das Amt keine zwei Monate nach der Tschernobyl-Katastrophe. Das Umweltthema trat seinen Gang durch die Institutionen an.

1989 erscheint die erste VCD Auto-Umweltliste

Schon die erste Ölkrise 1973 und die alarmierenden Berichte über flächenhaftes Waldsterben machten die Grenzen motorisierter Mobilität bewusst. Die Enten, Käfer und VW-Busse der Alternativ-Szene trugen Aufkleber mit mahnenden Verzichtsbotschaften „Rettet den Wald – Freiwillig 80/100“.

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Die Frage war, sollte der BUND, der NABU oder ein neu zu gründender Verein das Mobilitätsthema bundesweit besetzen? Unter dem Dach des Deutschen Naturschutzrings (DNR) entschied man sich schließlich für den neuen Verein. Am 19. Juli 1986 war es so weit. Mitglieder der Grünen, von Umweltverbänden, einige Sozialdemokraten und Wissenschaftler hoben den VCD aus der Taufe. Die Positionierung war klar: Gegen die Auto- und Betonpolitik der regierenden CDU/CSU/FDP-Koalition. Das Mitgliederpotenzial wird von Anfang an in den millionenstarken Automobilclubs gesucht, namentlich im ADAC.

1992 setzt der VCD die Einführung der BahnCard durch.

Eine wirksame Gegenmacht sollte der autofixierten Allianz aus Politik, Autoindustrie und ADAC Paroli bieten. Und weil man im ADAC war, um im Pannenfalle Hilfe zu erfahren, musste der neu gegründete Alternativverein möglichst schnell ein überzeugendes Versicherungspaket anbieten. Im Mai 1987 verkaufte die VCD Umwelt + Verkehr Service GmbH den ersten VCD-Schutzbrief. Und die Abwerbestrategie schien zu funktionieren. In der allerersten „fairkehr“, die im September 1987 über die Druckwalzen lief, wurde eine deutliche Zunahme der Neumitgliedschaften von 500 bis 600 pro Monat gefeiert.

Auch der Öko hat’s gerne sicher. Deshalb war die entscheidende Frage damals wie heute: Und ihr helft mir dann auch wirklich, wenn ich eine Panne habe? Diese Zweifel waren von Anfang an gänzlich unberechtigt. Seit 1987 arbeitet der VCD mit professionellen Partnern zusammen. Vielleicht liegt es aber doch an diesen Zweifeln, dass die hochgesteckten Erwartungen von 500000 bis zwei Millionen Mitgliedern nicht erfüllt werden konnten. Nach zehn Jahren hatte der VCD knapp über 70000 Mitglieder und hat seitdem wieder an Zulauf verloren. Vielleicht liegt es aber auch am politischen Erfolg. Nach dem Motto: Mission erfüllt, Verein überflüssig!

1998 erscheint die erste VCD-Fahrplankarte Deutschland

Zum Beispiel beim Auto. 1986 fuhr kein einziges Auto auf deutschen Straßen mit geregeltem Katalysator. Das, was heute aus Autoauspuffen in die Atemluft gelangt, ist Frischluft im Vergleich zum Gift-Cocktail der 70er und 80er Jahre. Nicht zuletzt dank der seit 1989 jährlich erscheinenden VCD Auto-Umweltliste. Damit hält der VCD der Autoindustrie den Spiegel vor, schafft Öffentlichkeit und erzeugt Druck. Bei Partikelfilter und Stickoxid-Kat wiederholt sich gerade der Kampf, den der VCD beim geregelten Katalysator Mitte der 80er Jahre geführt hat. Der VCD wird auch diesen Kampf gewinnen.

Dennoch bleibt noch eine Menge zu tun. Der Durchschnittsverbrauch aller Autos auf deutschen Straßen ist von 1985 bis 2004 von 9,9 auf 7,9 Liter gesunken. Viel zu wenig, um die Klimaerwärmung einzudämmen. Um in der deutschen Autoindustrie innovatives Denken durchzusetzen, braucht man eben einen langen Atem. Der VCD bleibt dran.

2003 rettet der VCD im Tarifchaos der Deutschen Bahn die BahnCard

Als ebenso innovationsresistent erwies sich zunächst die Bundesbahn, als der VCD ab 1988 mit einer bundesweiten Kampagne die Einführung eines Halbpreis-Passes nach Schweizer Vorbild forderte. Viele dicke Bretter mussten gebohrt werden, bevor 1992 tatsächlich die BahnCard eingeführt wurde. Als die DB AG vor drei Jahren mit ihrem neuen Preissystem ihre Kunden umerziehen wollte, war es erneut der VCD, der das Konzept zur Rettung der BahnCard 50 zur rechten Zeit auf den Tisch legte. Die Bahn ist das Rückgrat für jede Verkehrspolitik, die vom Auto abrücken will. Ob die DB AG in den letzten 20 Jahren als Alternative zum Auto wirklich besser geworden ist, darüber ließe sich trefflich streiten. Sicher ist, dass der VCD die bei weitem stärkste Organisation ist, die der Bahn die Kundeninteressen ins Gedächtnis ruft. So auch in der aktuellen Debatte um den Börsengang des Unternehmens.

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Die Lebensstilfragen, die der VCD in den vergangenen 20 Jahren angeschoben hat, wirken womöglich noch nachhaltiger als die technischen Innovationen. Seit zehn Jahren fordert der VCD mehr Platz für Kinder und folglich weniger für Autos. Ein Aspekt, der auch in der momentanen demografischen Diskussion mehr Platz einnehmen sollte. Spielstraßen und Tempo-30- Zonen gehören zum unentbehrlichen Instrumentenkasten, wenn es um die Zukunft unserer Städte geht. Der VCD streitet vor Ort mit 150 Kreis- und Landesverbänden erfolgreich für die Stadt der kurzen Wege.

2004 fordert der VCD mit Masterplan Vision Zero eine neue Verkehrssicherheitspolitik

Der VCD zeigt mit Fahrplankarten, mit dem Sonderheft „Zügig durch Europa“ und mit vielen touristischen Projekten die auto- und flugfreien Wege in den Urlaub. Der VCD benennt, was hunderte Regionalflughäfen in Deutschland wirklich sind, nämlich Prestigeobjekte für Provinzfürsten. Und er erklärt, dass Billigflieger keine soziale Wohltat für arme Leute sind, sondern ein hochsubventionierter Beitrag zur Klimakatastrophe.

2004 wird der VCD Träger der Schlichtungsstelle Mobilität

2006 – 20 Jahre deutsche Umweltpolitik, die der VCD maßgeblich mitgestaltet hat. Die Institutionalisierung der Umweltbewegung hatte zwischenzeitlich mit der rot-grünen Bundesregierung ihren Gipfel erreicht. Und – was hat es uns gebracht? Ein paar Cent Öko-Steuer. Kein Tempolimit, keine neue Fahrradpolitik, kein CO2-Grenzwert für Neuwagen, noch nicht einmal eine verbindliche Regelung für Partikelfilter. Nein, es hilft nichts, auf die Regierung zu warten. Demokratie braucht ein starkes bürgerschaftliches Engagement. Der VCD steht bereit, dieses Engagement anzunehmen und zu verstärken. Der VCD ist kompetent und kennt die Tricks und Kniffe des politischen Geschäfts. Und der VCD bietet seinen Mitgliedern eine Servicepalette, die umfangreicher und besser ist als in jedem Automobilclub. Gerade jetzt, da man von der großen Koalition kaum innovative Verkehrspolitik erwarten kann, werden außerparlamentarische Organisationen dringend gebraucht.

Michael Adler

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