Service 3/2006

Fussballweltmeisterschaft

Auf grünen Wegen zur WM

Deutschland ist zurzeit Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft. Wer keine Stadionkarte für eines der 64 Spiele ergattert hat, kann sich die Begegnungen auf Großbildleinwänden bei WM-Festen in nahezu allen deutschen Städten ansehen. Alles in allem werden während der vierwöchigen WM rund 60 Millionen Menschen unterwegs sein. Damit es nicht zum Verkehrsinfarkt kommt, sollten möglichst viele Fans das Auto zu Hause lassen.

Foto: db ag/ziegler

Endlich einmal wieder Lob für die Deutsche Bahn: „Ich bin sehr zufrieden mit dem, was die Bahn zur WM auf die Beine gestellt hat“, sagt Martin Schmied vom Öko-Institut in Berlin. Schmied betreut beim Öko-Institut das Projekt „Green Goal“, das zum Ziel hat, die Fußball-WM möglichst klimaschonend durchzuführen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Verkehr. Lob gibt es auch für den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV): Das Bundesverkehrsministerium attestiert den Mitgliedsunternehmen in den zwölf WM-Austragungsorten, dass sie 70 bis 100 Prozent aller Zuschauer mit Bussen und Bahnen in die Stadien und wieder zurück bringen können.

Das WM-Angebot von DB und VDV ist tatsächlich beachtlich: Sonderzüge ergänzen an den Spieltagen den Fahrplan. Insgesamt fahren die Züge im Nah- und Fernverkehr öfter und bis spät in die Nacht hinein. In Berlin fahren in den kommenden vier Wochen beispielsweise alle S- und fast alle U-Bahnen rund um die Uhr. Jede Eintrittskarte zu einem WM-Spiel ist gleichzeitig Fahrschein für alle Busse und Bahnen des jeweiligen Verkehrsverbundes am Austragungsort. Sie gilt am jeweiligen Spieltag von frühmorgens bis spät in die Nacht. Für alle Nicht-Kartenbesitzer haben die einzelnen Verkehrsunternehmen attraktive Gruppen- und Mehrtages-Karten im Angebot. Außerdem können Bahnfahrer jetzt erstmals schon beim Kauf ihrer DB-Fahrkarte ein Ticket für den Nahverkehr der zwölf Spielorte erwerben.

Auch Fernreisende lockt die Deutsche Bahn mit speziellen WM-Angeboten: Fahrten zu einem beliebigen Spielort kosten für Eintrittskartenbesitzer 54, 74 oder 90 Euro, je nach Entfernung. Symbolträchtige Preise, denn 1954, ’74 und ’90 gewann Deutschland die Fußball-WM. Mit dem „Weltmeisterpass“ dürfen Bahnkunden während der einmonatigen WM-Dauer für 349 Euro in jedem Zug des Fern- und Nahverkehrs in der 2. Klasse mitfahren. Für die 1. Klasse kostet die Netzkarte auf Zeit 549 Euro.

Foto: db Ag
Ein Sonderzug zur Fußball-WM 1954

Die Angebote stehen. Nun liegt die Verantwortung bei Kundinnen und Kunden. Schätzungen gehen davon aus, dass sich mehr als 60 Millionen Menschen in der ganzen Republik auf den Weg machen werden, um die Spiele bei Freunden oder bei WM-Festen und in sogenannten „Public Viewing Areas“ wie Marktplätzen, Messegeländen u.Ä. zu verfolgen. „Wir hoffen natürlich, dass möglichst viele Fans umweltschonend anreisen“, sagt Martin Schmied. „Vorsichtshalber haben wir aber pessimistisch gerechnet. Unser Klimaziel ist auch dann erreicht, wenn nur wenige die guten Angebote von DB und VDV annehmen.“

„Green Goal“ ist das erste Umweltprogramm, das der Weltfußballverband FIFA für eine Weltmeisterschaft ins Leben gerufen hat. Das grüne Ziel ist eindeutig definiert: Die WM in Deutschland soll die erste klimaneutrale Fußballweltmeisterschaft aller Zeiten werden. Laut Martin Schmied ist das auch gelungen – allerdings mit der Einschränkung, dass nur die Emissionen ausgeglichen werden, die in Deutschland erzeugt werden. Die vielen Flüge von Fans und Mannschaften aus aller Welt sind nicht einberechnet. „Das hätte unsere Möglichkeiten gesprengt“, erklärt Schmied. „Uns ging es in diesem ersten Anlauf darum, zu zeigen, was möglich ist. Und da haben wir schon sehr viel erreicht.“ Neben den Verkehrsemissionen gehören auch Abfallvermeidung, ein schonender Umgang mit Wasser und Energieeinsparung durch moderne Technologien in den Stadien zu den Zielen von „Green Goal“.

Rad fahren – Platz sparen

Bei ihrem Engagement für Busse und Bahnen haben die WM-Macher aber ein noch umweltfreundlicheres Verkehrsmittel vernachlässigt: das Fahrrad. Diese Lücke füllen die Stadt Berlin und die Initiative „Mit dem Rad am Ball“ aus Nordrhein-Westfalen. Der Senat der Hauptstadt hat von der Agentur velo:konzept ermitteln lassen, wie Radfahrer den WM-Verkehr entlasten können. Die Ergebnisse können WM-Besucher vor Ort testen: An vier Standorten sind insgesamt 1000 Fahrradbügel installiert, an denen die geparkten Räder während der Großveranstaltungen bewacht werden. Ein kostenloser Rad-Stadtplan erleichtert die Orientierung. Projektleiterin Ulrike Saade rechnet bei gutem Wetter mit 48000 Fahrradparkern. Das Angebot richte sich vor allem an Einheimische. „Natürlich fordern wir nicht, dass Touristen mit dem Rad vom Flughafen in die Stadt fahren sollen“, sagt Saade. „Aber jeder Berliner, der mit dem Rad fährt, schafft Platz auf Straßen, Parkplätzen und in Bussen und Bahnen.“

Foto: Benjamin Neumann/www.photocase.com
Ab ins Fußballstadion oder zur Großbildleinwand auf dem Marktplatz – am schnellsten mit dem Fahrrad.

Auf die umweltfreundliche Mobilität der Einheimischen setzt auch die Initiative „Mit dem Rad am Ball“. Von ihr verspricht sich die „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte und Gemeinden in NRW“ (AGFS) weniger motorisierten Verkehr rund um die Veranstaltungsorte. „Bei den öffentlichen Fußball-Übertragungen gibt es sowieso kaum Pkw-Parkplätze“, sagt Peter London, Fahrradbeauftragter im NRW-Verkehrsministerium. „Außerdem haben die Besucher hier kurze Anfahrtswege.“ Mit Plakaten werben die 431 nordrhein-westfälischen Städte und Kreise fürs Radfahren. Für Peter London ist die Initiative eine Investition in die Zukunft: „Die Anreise mit dem Rad muss ja nicht auf Fußball-Veranstaltungen beschränkt bleiben.“ Schließlich seien die vor der WM eingeführten Verbesserungen im Radwegenetz auch auf Dauer angelegt. Ein Gag am Rande: Kneipen können vor der Tür mobile Parkplätze für je acht Fahrräder auf einem ausrollbaren Mini-Fußballfeld installieren.

Martin Koch

Mehr Infos:
Bei greengoal.fifaworldcup.yahoo.com gibt es ab November 2006 die Evaluation aller „Green Goal“-Ziele.
Anreisetipps zur WM unter: yourway.fifaworldcup.com/uploads/media/Ihr_Weg.PDF oder www.bahn.de
www.berlin-steigt-um.de
www.mit-dem-rad-am-ball.de

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