Politik 2/2006

Kommentar

Frisch gestrichen

Wenige Verkehrsinvestitionen können eine ähnliche Erfolgsgeschichte aufweisen wie die sogenannten Regionalisierungsmittel. Mit ihrer Hilfe haben die Länder ihren Nahverkehr auf der Schiene gestärkt und innerhalb von zehn Jahren ein Drittel mehr Fahrgäste gewonnen. Ihnen droht nun die Kürzung, denn die Bundesregierung setzt wieder einmal auf mehr Straßenbau.

Lassen Sie sich Ihre Bahn nicht nehmen! Nutzen Sie die Postkarte, die Sie auf Seite 8 finden, um gegen die Streichung der Regionalisierungsmittel zu protestieren. Der VCD sammelt die Protestpostkarten und übergibt sie vor den entscheidenden Sitzungen des Bundestages an Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.

Benzin wird knapper und teurer, der Klimawandel ist in vollem Gange, vielen Regionen Deutschlands droht die Entvölkerung und der staatliche Schuldenberg wächst. Die absurde Reaktion der Bundesregierung auf diese Rahmenbedingungen: Mehr Investition in den Straßenbau. Doch das neue Wachstums- und Beschäftigungsprogramm des schwarz-roten Kabinetts mit neun Milliarden Euro Verkehrsinvestitionen pro Jahr hat seinen Preis: Es bleibt kein Geld mehr für Bus und Bahn.

Nachdem in den vergangenen Jahren unter Mitwirkung des jetzigen Finanzministers Peer Steinbrück die Ausgleichszahlungen für die Beförderung von SchülerInnen und Behinderten eingedampft wurden, will dieser nun die so genannten Regionalisierungsmittel um 2,3 Milliarden Euro bis 2009 reduzieren. Aus diesen Mitteln bestellen die Länder seit der Bahnreform den schienengebundenen Personennahverkehr. Ihnen ist es zu verdanken, dass seit 1996 das Verkehrsangebot im regionalen Schienenverkehr um 20 Prozent, die Zahl der Fahrgäste um fast 30 Prozent gestiegen ist.

Sollte Steinbrück für seine rigorosen Kürzungen Unterstützung im Bundestag und Bundesrat finden, wären die Konsequenzen verheerend: Jeder vierte bis fünfte Zug müsste wegfallen, viele Bahnstrecken würden stillgelegt, die notwendige Sanierung und Modernisierung an Bahnhöfen, Gleisen wie Zügen unterbliebe. Und für dieses verschlechterte Angebot müssten die Bahnnutzer kurzfristig noch höhere Fahrpreise zahlen – einmal ganz abgesehen von den Preissteigerungen beispielsweise durch steigende Energiepreise.

Ein Horrorszenario? Nicht für die Bundesregierung, die die erheblichen Einsparungen damit begründet, dass die Bundesländer die Gelder nicht zweckgebunden ausgeben. Sicherlich tun dies einige Länder auch nicht. Es gibt deutliche Hinweise auf Querfinanzierungen geplanter Projekte wie beispielsweise beim Transrapid oder dem Bahnhofsumbauprojekt „Stuttgart 21“.

Das wurde bisher aber auch von der Bundesregierung unterstützt. Denn weder fordern Steinbrück und Co. eine Berichtspflicht über die Verwendung der Regionalisierungsmittel noch eine Zweckbindung. Auch über Anreize für eine effizientere Mittelverwendung, wie es beispielsweise ein stärkerer Wettbewerb zwischen den Anbietern sein könnte, denkt der Finanzminister nicht laut nach.

Es gibt viele Möglichkeiten, im Bereich Verkehr zu sparen: Straßenneubau nur noch da zu genehmigen, wo er unbedingt nötig ist, die Steuerbefreiungen im Flugverkehr abzubauen oder auf Prestigeprojekte wie den Münchner Flughafen-Transrapid oder die ICE-Strecke durch den Thüringer Wald zu verzichten.

Solche Maßnahmen wären naturschonend, klimafreundlich und im Gegensatz zu den Steinbrück-Plänen mobilitätserhaltend. Wer jedoch die Erfolgsgeschichte der Regionalisierungsmittel fortschreiben will, muss in Zeiten steigender Benzinpreise auch die ausreichende Finanzierung bei Bus und Bahn sicherstellen.

Michael Gehrmann,
VCD-Bundesvorsitzender

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