Titel 1/2006

Reserven

Wann geht der Welt der Schmierstoff aus?

Seit Jahren wird diskutiert, wie lange der weltweite Erdölvorrat noch reicht. Die Meinungen darüber gehen auseinander.

Quelle: BP · Infografik: fairkehr/Marc Venner
Erdöl-Handelsströme zwischen den Regionen in Millionen Tonnen

1. Wann ist der weltweite „peak oil“ erreicht?

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover geht davon aus, dass das Fördermaximum für konventionelles Erdöl in zehn, spätestens 15 Jahren eintritt. Der Vorrat an nicht-konventionellem Öl könne den „peak oil“ zwar hinauszögern, so Diplom-Geologe Hilmar Rempel von der BGR. Aber nicht allzu weit, da diese Reserven bislang nur mit erheblichem Aufwand zu gewinnen sind. Genau ist der Zeitpunkt der maximalen Förderung nicht vorherzusagen, unter anderem weil die Reservezahlen vom technologischen Stand und vom Ölpreis abhängig sind: So können ein höherer Preis und neue Fördermethoden die Ausbeutung von Lagerstätten ermöglichen, die vorher nicht wirtschaftlich waren. Hinzu kommt, dass die offiziellen Angaben der Ölstaaten über ihre Vorräte nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen. Seit Jahren wird spekuliert, ob die OPEC-Staaten, die ölproduzierenden und -exportierenden Länder in der Golfregion, ihre Reserven überbewerten, um ihre Förderquoten zu sichern. Auf dem Gebiet der OPEC werden fast drei Viertel der weltweiten konventionellen Erdölreserven vermutet.

Quelle: ExxonMobil · Infografik: fairkehr/Marc Venner
Verbrauch und Produktion von Erdöl in Millionen Tonnen

2. Wie viel Öl ist überhaupt noch da?

Darüber gibt es keine definitiven Zahlen. Der Mineralölkonzern BP spricht von 162 Milliarden Tonnen Reserven, ExxonMobil von 173 Milliarden und die BGR differenziert zwischen Reserven konventionellen (159 Milliarden Tonnen) und nicht-konventionellen Erdöls (66 Milliarden Tonnen). Seit Beginn der industriellen Förderung im 19. Jahrhundert wurden mehr als 140 Milliarden Tonnen konventionellen Erdöls gewonnen – die Hälfte davon innerhalb der vergangenen 20 Jahre. 2004 wurden weltweit nahezu 3,8 Milliarden Tonnen Erdöl verbraucht, ein auffälliger Zuwachs gegenüber den rund 3,5 Milliarden Tonnen im Jahr 2003 und zugleich der stärkste seit 1976. Pro Jahr wird damit eine Ölmenge verbrannt, die die Natur im Laufe von etwa einer Million Jahre geschaffen hat. Die Internationale Energieagentur IEA geht davon aus, dass der Bedarf an Erdöl jährlich um mindestens 1,6 Prozent wächst und im Jahr 2030 etwa sechs Milliarden Tonnen beträgt. Angesichts der rapide steigenden Nachfrage aus China ist diese Zahl vermutlich noch niedrig geschätzt.

3. Wann geht der Welt denn nun komplett das Erdöl aus?

Niemals – das sagen jedenfalls etliche Ökonomen. Denn es werde immer Ressourcen geben, deren Gewinnung einen zu hohen Aufwand bedeute und die deshalb nicht ausgebeutet würden. „Es ist rational, die Förderung von Öl zu beenden, wenn der Preis dafür höher ist als die Nutzung eines Ersatzstoffes“, sagt Peter Davies, Chefökonom von BP. Das heißt im Klartext: Sobald Energie aus alternativen Quellen leichter zu gewinnen und erschwinglicher ist als fossile Brennstoffe, wird das Ende des Ölzeitalters eingeläutet. Wann das so weit ist, da-rüber gehen die Meinungen wiederum auseinander: Die von der BGR ausgewiesenen Reserven an konventionellem Erdöl reichen theoretisch noch 40 Jahre – wenn der jährliche Verbrauch auf heutigem Niveau bleibt, was äußerst unwahrscheinlich ist. Die Mineralölfirmen rechnen nichtsdestotrotz damit, dass Öl erst in frühestens 60 Jahren unerschwinglich wird.

Kirsten Lange

   
 

Hitlisten

Welcher Staat produziert am meisten Erdöl? Und welche Nationen verbrauchen es?

Die vier größten Erdölförderer der Welt sind Saudi-Arabien mit knapp 490 Millionen Tonnen im Jahr 2004, Russland mit etwa 460 Millionen, die USA mit circa 330 Millionen und der Iran mit rund 200 Millionen Tonnen. Deutschland liegt weit abgeschlagen bei 3,5 Millionen Tonnen und damit auf dem 50. Platz. Weltweit wurden im Jahr 2004 etwa 3,8 Milliarden Tonnen Erdöl ans Tageslicht gebracht. Die größten Fördernationen sind allerdings nicht automatisch die Hauptexporteure. Die USA beispielsweise verbrauchen ihre Rationen selbst und müssen sogar noch Erdöl importieren – im Jahr 2001 belief sich die eingeführte Ölmenge auf knapp 500 Millionen Tonnen. Damit schaffen es die Vereinigten Staaten auf Platz eins der Verbrauchs-Weltrangliste: 2004 verbrannten und verarbeiteten die US-Amerikaner etwa 930 Millionen Tonnen Erdöl, gefolgt von China mit etwa 310 Millionen und Japan mit 250 Millionen Tonnen. Deutschland liegt immerhin auf Platz fünf mit etwas mehr als 120 Millionen Erdöl-Tonnen. Was die Reserven betrifft, so hat Saudi-Arabien mit mehr als 35 Milliarden Tonnen Erdöl Ende 2004 bislang noch die größten. Es folgt Kanada mit 24 Milliarden Tonnen – wobei ein großer Teil dieser Reserven nicht-konventionelles Öl ist (siehe Definitionen S. 18). An Platz drei und vier finden sich Iran (17 Milliarden) und Irak (15 Milliarden). Die deutschen Reserven liegen bei 55 Millionen Tonnen.

Infos: Jahresstatistiken der Mineralölfirmen British Petroleum (BP) und ExxonMobil, www.deutschebp.de, www.exxonmobil.de

   
 

Definitionen

Reserven und Ressourcen
Experten unterscheiden beim noch verbleibenden Erdöl zwischen Reserven und Ressourcen. Unter Reserven versteht man die Ölmengen, die sich mit der heutigen Technologie auf wirtschaftliche Weise gewinnen lassen. Unter den Begriff Ressourcen fallen zum einen die bereits nachgewiesenen, aber mit heutigen Methoden noch nicht förderbaren Erdölmengen, zum anderen die Vorräte, die Geologen noch in der Erde vermuten, die allerdings bislang nicht entdeckt worden sind.

Konventionelles und nicht-konventionelles Öl
Reserven und Ressourcen sind wiederum unterteilt in Mengen konventionellen und nicht-konventionellen Erdöls. Konventionelle Vorkommen lassen sich mit verhältnismäßig einfachen technischen Mitteln fördern. Nicht-konventionelle Quellen sind beispielsweise Ölsande oder -schiefer, aus denen mit hohem Energieaufwand Rohöl gewonnen werden muss. Zum Teil liegen die nicht-konventionellen Vorkommen in ökologisch hochsensiblen Regionen. Ihre Förderung ist deshalb umstritten.

„Peak oil“
Mit Ölfördermaximum, englisch: „peak oil“, wird der Zeitpunkt bezeichnet, an dem die Fördermenge einer Ölquelle bzw. aller Erdölquellen weltweit ihr Maximum erreicht. Ist der globale „peak oil“ erreicht, öffnet sich die Schere zwischen Angebot und Nachfrage, der Bedarf an Erdöl wächst schneller, als neues gefördert werden kann.

 

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