Titel 1/2006

Umweltverschmutzung

Öl-Krisen

Millionen Tonnen Erdöl sind tagtäglich in den Bäuchen tausender Tanker auf den Weltmeeren unterwegs. Ein Risiko für Natur und Mensch – in den vergangenen 30 Jahren hat es nach Angaben von Greenpeace etwa 10000 Unglücke gegeben, bei denen insgesamt fast sechs Millionen Tonnen ins Meer flossen.

Foto: Greenpeace
Öltanker über 200000 Tonnen werden als VLCC (Very Large Crude Carrier) bezeichnet, Tanker über 300000 Tonnen als ULCC (Ultra Large Crude Carrier). Bei einem Gesamtgewicht von über 250000 Tonnen spricht man von einem Supertanker. Der weltweit größte Tanker hat ein Gewicht von 564000 Tonnen. Bei solchen Größen wirken enorme Kräfte auf die drei bis vier Zentimeter dicke Schiffshülle ein. Verformungen und Risse können die Folge sein. Wegen ihres großen Tiefgangs können die Riesentanker nur noch wenige Häfen anlaufen, außerdem passen sie nicht durch einige Meerengen und Kanäle.

ÖLTANKER transportieren jährlich knapp zwei Milliarden Tonnen Rohöl und Ölprodukte über die Weltmeere, Tendenz steigend. Die Schifffahrtswege vor der deutschen Küste von Nord- und Ostsee gehören dabei zu den meistbefahrenen Routen weltweit – allein die Ostsee durchqueren jährlich mehr als 8000 Tanker. Und sie alle müssen durch das Nadelöhr Kadetrinne, durchschnittlich bis zu fünf Tanker am Tag. Für so große Schiffe ist die Kadetrinne nur innerhalb einer schmalen, teilweise etwa 500 Meter engen Spur tief genug – die Gefahr, dass entgegenkommende Tanker zusammenstoßen, ist entsprechend hoch. Laut Greenpeace hat es in den vergangenen 15 Jahren im Gebiet der Kadetrinne mehr als 20 Unfälle gegeben. Bis auf die Kollision des Tankers „Baltic Carrier“ mit dem Frachtschiff „Tern“ 2001 verliefen die Zwischenfälle glimpflich. In den kommenden Jahren wird der Tankerverkehr auf der schmalen Schifffahrtsroute weiter zunehmen, da Russland plant, seine Ölexporte über die Ostseehäfen auszubauen.

Um einen gewissen Schutz für die Ostsee im Allgemeinen und den Bereich um die Kadetrinne im Speziellen zu gewährleisten, wurden Teile des Binnenmeeres 2004 als besonders schutzwürdiges Gebiet (PSSA – particularly sensitive sea area) ausgewiesen – die Voraussetzung für die Einführung einer Lotsenpflicht für Schiffe mit Gefahrgut (siehe Kasten unten). Darüber verhandeln zurzeit die Ostsee-Anrainerstaaten. Alle sind dafür – nur Russland blockiert.

   
 

Zum Auspuff und zum Fenster raus

Achtung: Da sich in die Printausgabe der fairkehr 01/06 falsche Angaben eingeschlichen haben, hier nun die richtigen Zahlen:

Sage und schreibe etwa 12 Milliarden Liter Erdöl werden weltweit am Tag verbrannt, davon allein rund 3 Milliarden Liter in den USA. In Deutschland sind es rund 400 Millionen Liter.

Nach Auskunft der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe fallen etwa 40 Prozent des Gesamtverbrauchs an Öl auf den Transportbereich, in der Europäischen Union sind es sogar mehr als 60 Prozent. Der motorisierte Straßenverkehr ist zu 99 Prozent vom Erdöl abhängig. Den zweiten großen Anteil am weltweiten Gesamtverbrauch nimmt das Heizen ein.

 

Das Wattenmeer vor der Nordseeküste, ein hochsensibles Ökosystem, ist bereits seit 2002 PSSA. Aus gutem Grund: Auf der südlichen Nordsee sind im Jahr etwa 150000 Schiffe unterwegs, und der Hauptstrom des Verkehrs verläuft in Ost-West-Richtung parallel zum deutschen und niederländischen Watt. Die Schiffe steuern unter anderem die Häfen Wilhelmshaven – den Hauptumschlagplatz für deutsches Öl –, Bremerhaven, Bremen und Hamburg sowie den Nord-Ostsee-Kanal an. Um sie zu lenken, wurden sogenannte Verkehrstrennungsgebiete eingerichtet, in denen es wie auf einer Straße Fahrbahnen für verschiedene Richtungen gibt. Große Schiffe mit gefährlicher Ladung müssen in der Regel einen Lotsen an Bord nehmen, wenn sie in Häfen einlaufen, um die Fahrtwege in unmittelbarer Nähe des flachen Wattenmeeres gefahrlos passieren zu können.

Ein weiteres Unfallrisiko stellt die wachsende Zahl an Offshore-Windparks in der Nordsee dar – jede neue Anlage ist ein zusätzliches Hindernis für die Schifffahrt. „Ein Tankerunglück im Bereich des Wattenmeeres wäre eine absolute Katastrophe“, sagt Nadja Ziebarth vom Verein Aktionskonferenz Nordsee (AKN). Mit dem zurückgehenden Wasser würde das Öl sofort in den Wattboden einsickern und jegliches Leben ersticken. Eine Reinigung größerer Flächen wäre unmöglich, verheerend die Auswirkungen für die zahlreichen Pflanzen und Tiere – Vögel, Fische, Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale.

In der Ostsee wäre ein auf der Wasseroberfläche treibender Ölteppich zwar verhältnismäßig leichter zu kontrollieren. Jedoch erneuert sich das Wasser in dem Binnenmeer nur alle 30 Jahre.

Kirsten Lange

   
 

Doppelt hält besser

Um Tankerunglücke zu vermeiden oder im Katastrophenfall den Schaden zu begrenzen, gibt es internationale Sicherheitsstandards.

Doppelhüllentanker: Tanker mit einer doppelten Außenwand bieten bei Unfällen eine größere Sicherheit gegen das Auslaufen von Öl – wenn sie regelmäßig kontrolliert und gewartet werden. Seit 2004 dürfen Einhüllenschiffe, die giftiges Schweröl transportieren, keine EU-Häfen mehr anlaufen. Ab 2010 sind Einhüllentanker weltweit nicht mehr zugelassen, unabhängig vom geladenen Öl. Bislang schippern etwa 17000 Tanker über die Weltmeere, darunter mindestens 5000 mit nur einer Hülle.

Lotsenannahmepflicht: Gilt für Schifffahrtswege diese Pflicht, muss der Kapitän einen Lotsen an Bord nehmen. Die Schifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organisation) empfiehlt die Lotsenannahmepflicht für besonders geschützte Meeresgebiete. Doch erst, wenn die Anrainerstaaten sich einig sind und einen entsprechenden Antrag bei der IMO stellen, kann die Organisation diese Schutzmaßnahme beschließen.

Notliegeplätze: Umweltverbände fordern seit Jahren die Einrichtung spezieller Nothäfen, in die ein verunglücktes Schiff geschleppt werden kann, um die Verschmutzung auf offener See einzugrenzen. Zwar gibt es vor den deutschen Küsten einige, teils bundeseigene Notschlepper, die einen Havaristen in Sicherheit bringen können. In welchen Hafen, darüber entscheidet das Havariekommando in Cuxhaven bislang jedoch im Einzelfall. Das Havariekommando ist eine gemeinsame Einrichtung von Bund und Küstenländern, das im Katastrophenfall die Einsatzleitung übernimmt und die vorhandenen Kräfte bündelt.

Hafenstaatkontrolle: Eigentlich sind die verschiedenen Flaggenstaaten für ihre Schiffe selbst zuständig. In der Praxis erfüllen etliche von ihnen ihre Pflichten jedoch nicht ausreichend. Deshalb wurde 1982 die Hafenstaatkontrolle eingeführt, die dabei helfen soll, unsichere Schiffe in den angelaufenen Häfen zu erkennen. Weisen die Schiffe schwere Mängel auf, müssen sie an der Weiterfahrt gehindert werden. In Deutschland übernimmt die Seeberufsgenossenschaft die Kontrolle. Sie hat die Pflicht, innerhalb eines Jahres mindestens ein Viertel der Schiffe, die unter fremder Flagge einen Hafen in der Bundesrepublik anlaufen, zu inspizieren.

   
 

Unter fragwürdiger Flagge

Viele Reedereien lassen ihre Schiffe in sogenannten Billigflaggenländern registrieren, in denen sie keine oder geringe Steuern sowie niedrige Löhne zahlen müssen.

Oftmals sind die Matrosen mangelhaft ausgebildet, sprechen beispielsweise kein Englisch, so dass sie nicht mit der Besatzung anderer Schiffe oder mit Lotsen in den Häfen kommunizieren können. Zudem befinden sich einige der Tanker unter Billigflagge in einem zweifelhaften technischen Zustand. Zwar unterliegen auch sie den internationalen Standards der International Maritime Organization (IMO). Die Einhaltung dieser Standards überlassen die Reeder meistens privaten Gesellschaften, die ihre Aufgabe oftmals nicht allzu genau nehmen, um ihre Auftraggeber nicht zu verärgern. Die Haupt-Billigflaggenländer sind Panama, Liberia, Bahamas, Malta und Zypern. Etwa ein Drittel der weltweiten Tankerflotte ist in Panama und Liberia registriert.

Der alltägliche Schmutz

Wissenschaftler unterscheiden zwischen akuter und chronischer Ölverschmutzung unserer Meere – dabei nimmt die schleichende Verölung den weitaus größeren Anteil ein.

Fatalerweise macht die chronische Verschmutzung keine großen Schlagzeilen und geht weitgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit vonstatten. Nach Angaben des Bremer Umweltvereins Aktionskonferenz Nordsee fließen jährlich mehr als drei Millionen Tonnen Öl in die Weltmeere, darunter 13 Prozent aus verunglückten Tankern. Der Rest gelangt über den Normalbetrieb von Schiffen und Ölbohrinseln in die See. Allein das illegale Reinigen von Tanks und Laderäumen spült pro Jahr 600000 Tonnen Öl ins Meer. Hinzu kommen Verschmutzungen aus Raffinerien und kommunalen Abwässern sowie aus natürlichen Quellen, zum Beispiel aus Lecks bei geologischen Unterwasserformationen. In die Ostsee gelangen auf diese Weise jährlich 60000 Tonnen Öl, in die Nordsee bis zu 100000 Tonnen. Untersuchungen haben ergeben, dass mittlerweile bis zu 8000 Quadratkilometer Nordseeboden verschmutzt sind – eine Fläche zweimal so groß wie das Saarland.

Infos: Aktionskonferenz Nordsee e.V., Tel.: (0421) 77675, www.aknev.org

 

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