Politik 1/2006

Flughafen Frankfurt

Stotternder Job-Motor

In Hessen soll nach dem Willen der Landesregierung der ungebrochene Boom des Luftverkehrs für die Wende am Arbeitsmarkt sorgen. Insgesamt 100000 zusätzliche Arbeitsplätze soll der Ausbau des Frankfurter Flughafens bringen. Eine Illusion, meint Werner Geiss, Luftverkehrsexperte des VCD Hessen.

Foto: Fraport AG
Luftdrehkreuz Frankfurt: Soll mit fragwürdigen Job-Versprechen noch deutlich größer werden.

Mit rund 68000 Beschäftigten ist der Airport mitten im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet schon heute die größte Arbeitsstätte Deutschlands. Der Flughafen-Betreiber Fraport hält sich zugute, allein 2005 in Frankfurt rund 1200 Stellen geschaffen zu haben, wobei der größte Teil auf die verschärften Sicherheitsanforderungen zurückzuführen ist. Weiteres Wachstum soll nun eine neue Landebahn bringen, mit der die Kapazität von Deutschlands größtem Luftfahrt-Drehkreuz um rund 50 Prozent erweitert würde. Fraport-Chef Wilhelm Bender und Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprechen von 100000 Jobs, die direkt und indirekt entstehen könnten. Ihre Prognose wird im laufenden Planfeststellungsverfahren durch eine Studie gestützt, an der unter anderem der als Regierungsberater bekannte Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup beteiligt war. Demnach entstehen neue Arbeitsplätze nicht nur direkt am Flughafen und bei den Airlines, sondern auch bei Lieferanten und Dienstleistern sowie durch verstärkte Nachfrage in anderen Branchen. Doch die Gutachter haben einen entscheidenden Aspekt übersehen. „Sie haben nicht berücksichtigt, dass an anderer Stelle auch Arbeitsplätze wegfallen“, sagt Werner Geiss. Schon mehrfach wies er auf diesen Mangel hin, den die Gutachter schon vor dreieinhalb Jahren im Raumordnungsverfahren einräumten. Doch Konsequenzen wurden nicht gezogen. Im Gegenteil: Vehement wird den Gegnern der Flughafen-Erweiterung vorgehalten, sie würden den Menschen die Chancen auf neue Jobs nehmen. Der zusätzliche Fluglärm für eine Million Einwohner, der Verlust von 250 Hektar Wald und die Baukosten von rund 3 Milliarden Euro müssen, so scheint es, durch die beeindruckenden Arbeitsplatzeffekte gerechtfertigt werden.

Dabei gibt es viele Anhaltspunkte, dass der „Job-Motor“ Flughafen nicht so rund läuft wie behauptet. So kam das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in einem Gutachten zum dem Schluss: „Ein Einfluss einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt ist statistisch nicht nachweisbar.“ Werner Geiss wundert sich über dieses Ergebnis nicht. „Die Arbeitsplätze werden doch nur verlagert“, argumentiert er. „Die Leute geben mehr fürs Fliegen aus, dafür weniger für andere Waren und Dienstleistungen. Es ist ein Nullsummenspiel.“ Ein Beispiel: Wenn im Zuge des Flughafenausbaus Verkehr von der Bahn auf das Flugzeug verlagert wird, entstehen rund um die Luftfahrt zwar neue Arbeitsplätze, bei der – deutlich beschäftigungsintensiveren – Bahn aber fallen sie weg.

Noch deutlicher sind die negativen Folgen beim Tourismus. Denn wenn durch gute und preisgünstige Flugverbindungen der Trend zum Urlaub im Ausland verstärkt wird, fallen Jobs in einheimischen Tourismusorten weg. Verlagerungen kann es aber auch in Branchen geben, die mit dem Flugverkehr nicht direkt etwas zu tun haben. Denn Geld, das für Flugreisen bezahlt wird, steht nicht für andere Ausgaben zur Verfügung, zum Beispiel für Restaurantbesuche oder Kinokarten. „Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben“, erinnert Geiss an eine simple Weisheit. Hinzu komme, dass der Flugverkehr erhebliche Steuerprivilegien genieße und dadurch auch dem Staat Einnahmen verloren gingen.

Das regionale Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau verweist noch auf einen ganz anderen Aspekt: Am Airport gibt es nicht nur Traumjobs wie Pilot oder Stewardess. Im Sicherheitsdienst oder beim Frachtumschlag etwa müssten die Beschäftigten unter „haarsträubenden“ Bedingungen arbeiten, durch Billigkonkurrenz gerieten die Löhne unter Druck. Sogar Ein-Euro-Jobs gibt es mittlerweile am Flughafen: Uniformierte „Gästebetreuer“ begrüßen für ein Taschengeld die Passagiere.

Ob die Beschäftigungsprognosen stimmen oder nicht, spielt für die Genehmigung der neuen Landebahn keine Rolle. „Es reicht, wegen der steigenden Verkehrsnachfrage einen Bedarf festzustellen“, ärgert sich Werner Geiss. Für ihn zeigt aber das Job-Problem, dass sich der Widerstand gegen große Verkehrsprojekte nicht nur auf Lärm und Abgase stützen dürfe. „Der Protest muss sich auch gegen die bundesweiten volkswirtschaftlichen Schäden richten.“

Günther Murr

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