Service 6/2005FalträderRad in der TascheWenn Sie auf Reisen schon öfter ein Fahrrad vermisst haben oder beim täglichen Umsteigen für die letzten zwei Kilometer oft den Anschluss verpassen, dann ist ein Faltrad genau das Richtige. Aber kann man damit auch richtig fahren? Wir haben Falträder ausprobiert und stellen verschiedene Modelle vor.
„FRÜHER hatte ich auch so ein Klapprad“, war einer der Kommentare, den wir auf der Probefahrt einfingen, „aber ein richtiges!“ Wir waren mit dem Birdy von riese und müller unterwegs und das sieht nicht nur ungewöhnlich aus, auch das typische Merkmal der früheren Klappräder, das Scharnier im Rahmen, fehlt. Denn bei vollgefederten Modellen wie dem Birdy dienen die Schwingengelenke der Federung als Faltscharniere. „Kommt man denn mit so kleinen Rädern überhaupt schnell genug voran?“, lautet die am häufigsten gestellte Frage. Beide Bemerkungen stehen für die häufigsten Vorurteile gegenüber Falträdern: Klapprigkeit im Sinne von Instabilität und wackeligem Fahren sowie Langsamkeit aufgrund der kleinen Räder. Hintergrund sind meist die schlechten Erfahrungen mit den Klapprädern der 1960er Jahre, die billige Nachbauten des legendären Moulton-Fahrrads waren. Dabei hatte der englische Konstrukteur Sir Alex Moulton schon 1962 bewiesen, dass man mit einem Fahrrad auf 17 Zoll kleinen, aber gefederten Rädern genauso schnell fahren kann wie mit einem Rennrad auf 28-Zoll-Rädern. Heute gibt es die billigen Klappräder nur noch als billige Bordfahrräder für Bootsfahrer. Die modernen, hochwertigen und deutlich teureren Nachfahren des Moulton-Fahrrads werden als Falträder bezeichnet. Der höhere Preis ist begründet durch viele Spezialteile und kleine Stückzahlen. Auch das Moulton selbst wird noch gebaut, zählt aber eher zu den Kompakträdern, da es nicht gefaltet, sondern nur mit Schnellverschlüssen zerlegt werden kann.
Kleine MobilitätskünstlerSkepsis herrscht auch, ob sich die Investition in ein Faltrad wirklich lohnt. Doch die kleinen Flitzer erweisen sich in vielen Fällen als echte Problemlöser und Mobilitätskünstler. Ihre Stärke liegt in der Kombination mit anderen Verkehrsmitteln, sei es nun Bus, Bahn, Taxi, Flugzeug oder das eigene Auto. Dort, wo man sonst unterwegs auf die eigenen Füße, ein teures Taxi oder den öffentlichen Nahverkehr mit Wartezeiten und Verspätungen angewiesen ist, schwingt man sich kurz auf sein Faltrad und hat sich so ganz nebenbei auch noch körperlich bewegt und der eigenen Gesundheit Gutes getan. Die Fahrtkosten spart man noch dazu. Leidenschaftliche Radfahrer brauchen auch auf Dienstreise nicht auf den sportlichen Ausgleich am Abend zu verzichten. Ein Gewinn ist zudem der geringe Platzbedarf beim Abstellen. Zu Hause kommen nicht mehr nur Keller und Garage in Frage, auch das Parken in der eigenen Wohnung oder auf dem Balkon ist, verglichen mit einem Standard-Fahrrad, problemlos – eine echte Alternative für Stadtbewohner mit Laternenparkplatz vor der Haustür. Auch am Arbeitsplatz oder im Hotel, wo sichere Fahrradstellplätze immer noch Mangelware sind, parkt das Faltrad unauffällig neben Schreibtisch bzw. Bett. Beim Transport im Auto spart man sich teure Fahrradträger und die jahrelange Diskussion um die Mitnahme von Fahrrädern im ICE lässt Faltradfahrer nur milde lächeln. Doch reisen lässt sich mit dem Faltrad nicht nur in der Hand, verpackt in Schutzhülle oder Schalenkoffer. Auch Radreisen auf dem Faltrad sind gut möglich. Brompton, Birdy, Bernds und Bike Friday bieten ausgeklügelte Gepäcksysteme mit erstaunlichem Fassungsvermögen. Besonders praktisch auf Reisen wie im Alltag sind die großen Taschen, die man bei Brompton und Bernds am Steuerrohr quer vor dem Lenker einfach „anklicken“ kann.
Kleines Faltmaß – große Fahrleistungen?Beim Faltrad existiert immer ein Zielkonflikt. Einerseits soll es gefaltet möglichst klein sein, andererseits genauso gut wie ein großes Rad fahren. Für ein kleines Faltmaß müssen die Räder klein sein. Für gute Fahrleistungen müssen der Rahmen steif und der Radstand möglichst groß sein. Das ist heute weitgehend vereinbar. Moderne Hochdruckreifen kompensieren den etwas größeren Rollwiderstand kleinerer Laufräder. Und große Übersetzungen sorgen dafür, dass sich das kleine Rad schnell genug dreht, ohne dass man schneller in die Pedale treten muss. Eine Federung gleicht die etwas größere Empfindlichkeit gegenüber Schlaglöchern aus und verbessert zugleich den Fahrkomfort. An die etwas geringere Laufruhe der kleineren Räder hat man sich schon nach wenigen Metern gewöhnt. Heute sind bei Falträdern 16, 18 oder 20 Zoll große Räder üblich. Ausnahme ist das Frog von riese und müller auf 12-Zoll-Rädern, die Miniausgabe des Birdy, das sich erstaunlich gut fährt. Daneben wächst das Angebot an Falträdern mit 26-und 28-Zoll-Rädern.
Keine Angst vorm FaltenManchen erscheint der Faltvorgang viel zu kompliziert. Doch wer einen Führerschein gemacht und rückwärts einparken gelernt hat, schafft auch das Falten ohne Probleme. Ein wenig Übung und es faltet sich in den 15 bis 30 Sekunden, mit denen die Hersteller werben. Anders ausgedrückt: Wenn man die Straßenbahn heranfahren sieht, reicht die Zeit noch zum Falten und Einsteigen. In der Regel sind drei bis vier Handgriffe zum Falten notwendig. Diese unterscheiden sich je nach Faltkonzept. Viele Falträder haben ein Faltscharnier im Hauptrahmen und ein zweites am Lenker oder Lenkervorbau (so heißt das Bauteil zwischen Rahmen und Lenker). Um sehr kleine Faltmaße zu erreichen, kann man auf ein Scharnier im Hauptrahmen kaum verzichten. Darf das Faltmaß etwas größer sein, geht es auch ohne. Das spart Gewicht und verbessert die Rahmensteifigkeit und damit die Fahreigenschaften. Bei gefederten Modellen werden die Schwingengelenke der Federung zum Falten genutzt und Vorder-und Hinterrad unter den Hauptrahmen geschwenkt.
Schnell und sicher – falten und fahrenWie gut und sicher sich ein Faltrad fahren und falten lässt, hängt nicht nur vom Faltkonzept, sondern wesentlich von den Detaillösungen ab. Sattelstützen müssen sich leicht einschieben und ohne große Kraftanstrengung klemmen lassen. Eine Skalierung erleichtert die Einstellung der passenden Sattelhöhe. Höhenverstellbare Lenker müssen unbedingt gegen Verdrehen gesichert sein. Andernfalls besteht Sturzgefahr. Scharniere mit Schnellverschluss müssen gegen selbsttätiges Lösen gesichert sein. Beim Tragen muss das gefaltete Rad durch Schnäpper, Magnete, Riemen oder die eingeschobene Sattelstütze zusammengehalten werden. Schalt- und Bremszüge sowie Lichtkabel müssen die Bewegungen beim Falten mitmachen können, ohne dass sie gequetscht werden oder reißen. Anbauteile wie Lampen dürfen nicht überstehen. Pedale lassen sich oft abklappen. Praktisch ist es, wenn das Fahrrad beim Falten und Abstellen selbstständig stehen bleibt. In der Regel behält man beim Falten saubere Finger, auch wenn das Rad nicht frisch geputzt ist. Sinnvolle AuswahlJe mehr man mit dem Faltrad unterwegs sein möchte, desto
wichtiger ist eine gute Ausstattung, die sich natürlich auch
im Preis niederschlägt. Umgekehrt zeigt die Erfahrung: je
besser die Ausstattung, desto öfter fährt man.
Möglich ist inzwischen alles, was auch an
Standard-Fahrrädern üblich ist. Auf eine Gangschaltung
sollte man nicht verzichten. Für Kurzstrecken reicht eine
Dreigangnabe. Eine Federung ist nicht zwingend erforderlich, aber
für häufige und längere Fahrten zu empfehlen. Ein
Nabendynamo, speziell für kleine Laufräder wie der SON
xs, ist zuverlässig und komfortabel.
Peter Barzel
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