Reise 5/2005

Verkehrskonzept Vorarlberg

Mangelndes Selbstbewusstsein

Das Problem des Verkehrsverbunds Vorarlberg ist zumindest ungewöhnlich: Andere Verkehrsbetriebe haben Qualitätsprobleme, oder sie klagen über einen Mangel an Geld oder politischer Akzeptanz. Die Vorarlberger haben Geld und Niveau: Sie betreiben ein Landbussystem nach Schweizer Vorbild. Allein – es fehlen die Kunden.

Foto: Verkerhsverbund Vorarlberg

Der Bahnhofsvorplatz von Dornbirn liegt abseits der Innenstadt. Hier ist nicht viel los, bis die Busse kommen. Jede halbe Stunde treffen hier vier Linien zeitgleich zusammen: Stadtbusse, die die verschiedenen Vororte erschließen, und Landbusse, die zwischen den Oberzentren verkehren oder bis tief in den Bregenzerwald hinein kleine Gemeinden anbinden.

Wie eine bunte Kette legen sich die Busse um den sonst eher tristen Platz. Schüler steigen ein und aus, Snowboarder auf dem Weg zur Piste kreuzen von einem Bus zum anderen, Bahnreisende mit großem Gepäck steigen in den Bus um, und Einheimische mit schweren Einkaufstaschen fahren nach dem Stadtbummel wieder in ihre Dörfer zurück. Die Busse sind abfahrbereit. Die Menge zerstreut sich. Der Bahnhofsplatz verödet wieder.

So lebendig wie am Bustreffpunkt Dornbirn geht es in den kleineren Ortschaften entlang der Linien längst nicht zu. Insgesamt nutzen nur 14 Prozent der Einheimischen und etwas über 15 Prozent der Urlauber das System. Und das, obwohl auch bei kritischer Betrachtung alle Angebote stimmen: Die Busse verkehren im leicht merkbaren Taktverkehr, die Umsteigezeiten sind aufeinander abgestimmt, die Tarife sind verständlich und bezahlbar, für Touristen gibt es attraktive Gästekarten, die Busse sind sauber und einheitlich gestaltet, die Scheiben sind nicht mit Werbung beklebt, so dass die Fahrgäste im Vorüberfahren auch noch das schöne Panorama genießen können.

Knapp 60 Millionen Euro Zuschuss lassen sich Bund, Land und Gemeinden im Vorarlberg ihren ÖPNV kosten. Sie nehmen den Auftrag ernst, den Bewohnern und Gästen der Region einen zuverlässigen öffentlichen Verkehr zur Verfügung zu stellen. Eine ökologische Mission ist damit nicht verbunden. Es dominiert der soziale Gedanke. Dass man mit einem perfekten Verkehrssystem gleichzeitig auch weniger Abgase, weniger Lärm oder weniger Staus erreichen kann, ist im Vorarlberg kein großes Thema. So bleibt der Verkehrsverbund in seinen Marketingbemühungen eher verhalten. „Wir wollen nicht polarisieren und dem Autoverkehr Kunden abwerben“, erklärt Marketingleiter Gerald März, „sonst kommen wir in die Ecke der Fundis.“ Aber wen, wenn nicht die Autofahrer, soll man als Kunden ansprechen? „Eigentlich können wir ja nichts falsch machen“, spricht sich März Mut zu. „Bei den niedrigen Anteilen, die der öffentliche Verkehr zur Zeit hat, kann es nur bergauf gehen.“

rg 

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