Politik 5/2005KlimaschutzKlimawandel wird teuerKlimaforscher und Umweltschützer schlagen Alarm:
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Foto: Volker Lannert |
Wo bleibt die Klimaerwärmung, wenn ich sie dringend brauche?“ hörte man frierende Zeitgenossen angesichts des ausbleibenden Sommerwetters fragen. Doch das diesjährige Sommergefühl bestätigt nicht den Trend: Auf der Erde wird es wärmer. Der Deutsche Wetterdienst meldet, dass die durchschnittliche Sommertemperatur seit 1955 um 0,7 Grad gestiegen ist. Und die globale Erwärmung wird weiter zunehmen.
Je nach Schätzung und Berechnungsmethode sind auf der
Erde Temperaturerhöhungen von 1 bis zu 5,5 Grad im Jahre
2100 zu erwarten. Für Europa liegen die Prognosen bis 2100
sogar bei einem Anstieg von 2 bis 6 Grad bezogen auf das Jahr
1990. Der Mechanismus der Erderwärmung ist
wissenschaftlicher Konsens: Neben anderen Faktoren verursacht
hauptsächlich Kohlendioxid (CO2) den Treibhauseffekt. Der
Grund für den steigenden Anteil dieses Gases in der
Atmosphäre ist menschengemacht und entsteht durch die
zunehmende Nutzung fossiler Brennstoffe.
Obgleich an dieser Erkenntnis niemand mehr zweifelt, sind die
Auswirkungen der Klimaerwärmung strittig – vor allem
aber die Konsequenzen, die daraus gezogen werden. Kaum eine
Institution, die sich angesichts des Hochwassers in den Alpen
oder des verwüstenden Hurrikans in New Orleans nicht mit
einer Stellungnahme in die Klimadiskussion eingeschaltet hat.
International renommierte Klimaforscher prognostizieren immer
häufigere und heftigere Wirbelstürme durch eine
ansteigende Wassertemperatur der Meere. Ihre Ergebnisse
trägt das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)
zusammen. Diese UN-Organisation hat die Aufgabe, Risiken des
durch die Menschheit verursachten Klimawandels zu beurteilen und
Vermeidungsstrategien zusammenzutragen. Dass der Klimawandel kein
Hirngespinst der Wissenschaftler ist, bestätigen die
Statistiken der Versicherungen. „Tatsächlich haben
sich in den letzten Jahren sowohl Häufigkeit als auch
Heftigkeit der Hurrikane deutlich erhöht“, sagte der
Klimaexperte des weltgrößten Rückversicherers
Münchner Rück, Anselm Smolka, im Interview der taz. Es
zeige sich, dass die wetterbedingten Katastrophen global rasant
zugenommen hätten und nicht allein durch natürliche
Zyklen oder Schwankungen im Wettergeschehen erklärt werden
könnten.
Forscher des Hamburger Max-Plank-Instituts für Meteorologie
betonen, dass Überschwemmungen wie die in Bayern diesen
Sommer unmittelbar mit den gestiegenen Wassertemperaturen im
Mittelmeer zusammenhingen. Verantwortlich für die
Sommerhochwasser sei das sogenannte Genuatief: Heiße Luft
saugt sich dort mit dem warmen Wasser voll, um die Massen dann
über dem kalten Norden auszuschütten. Tendenz steigend,
glauben die Klimaforscher.
Durch extreme Wetterereignisse haben die ökonomischen Schäden enorm zugenommen. Forscher und Praktiker, die im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die Kosten des Klimawandels untersucht haben, kommen zu dem Schluss, dass die wirtschaftlichen Schäden solch extremer Wetterereignisse in den letzten drei Jahrzehnten um den Faktor 15 gestiegen sind. Ohne eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration auf dem heutigen Niveau seien zunehmend irreversible und gefährliche Klimaschäden zu befürchten, sagt das DIW in seinem Bericht. Die Kosten durch den Hurrikan Katrina könnten Schätzungen zufolge die unvorstellbare Summe von 25 Milliarden Dollar erreichen.
Ganz ins Abseits gestellt hat sich dagegen in diesem Sommer – unglücklicherweise noch vor dem Hochwasser in Bayern und der Hurrikanekatastrophe – der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Klimaschutz schadet der Wirtschaft“ war der Tenor der Industrievertreter. Damit befand man sich zwar auf Augenhöhe mit den USA, handelte sich aber Kritik von vielen Seiten ein.
Jürgen Trittin, grüner Umweltminister der letzten Bundesregierung, verteidigte das Kyoto-Protokoll als einen ersten Schritt gegen den Anteil des menschengemachten Klimawandels. In Kyoto haben sich die 15 „alten“ EU-Staaten verpflichtet, ihre durchschnittlichen CO2-Emissionen in einer ersten Stufe bis 2012 um mindestens acht Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken, weltweit sollen etwa fünf Prozent CO2 eingespart werden. Einmal ganz abgesehen davon, dass die ölhungrige USA bei Kyoto nicht mitmacht und der Energieverbrauch in China und Indien drastisch steigt: Auch für die Europäer wird es – wenn kein Umsteuern stattfindet – sehr schwer, das in Kyoto gesteckte Ziel zu erreichen. Die Deutschen könnten das Minderungsziel 12 Prozent bis 2012 noch hinbekommen.
Im August meldete die Bundesregierung, dass in Deutschland die verkehrsbedingten CO2-Emission erneut massiv angestiegen seien. „Der Spritverbrauch der Neuwagen sinkt einfach viel zu langsam“, kritisierte deshalb auch der stellvertretende VCD-Vorsitzende Herman-Josef Vogt das Verhalten der deutschen Automobilindustrie. Deren Verband VDA habe eine Selbstverpflichtung zur Reduzierung von Treibhausgasen getroffen, die kläglich scheitere. Die Verbrauchsbilanz von Wagen deutscher Hersteller sei nach wie vor schlecht und die Entwicklung besonders verbrauchsarmer Autos werde nicht genügend vorangetrieben. Aber auch die starke Zunahme des ungehindert wachsenden Flugverkehrs drohe viele Klimaschutzbemühungen zu Nichte zu machen.
Vertreter der Christlichen Unionen, für die bereits im Wahlkampf Umweltschutz keine Rolle spielte, stellten angesichts steigender Ölpreise nach dem Hurrikan im Süden der USA als erstes die Ökosteuer in Frage. Statt einen sparsameren Umgang mit fossilien Brennstoffen zu propagieren oder für verbrauchsärmere Automotoren einzutreten, forderte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, die Ökosteuer abzusenken und die Steuerausfälle bei den Zuschüssen zu den erneuerbaren Energien einzusparen. So schließt sich der Kreis. Die Gletscher der Welt gehen zurück, Polkappen schmelzen, Permafrostgebiete tauen auf, Wetterextreme wachsen sich immer häufiger zu Katastrophen aus und deutsche Politiker verbreiten ein kämpferisches „weiter so“.
Foto: Karl-Heinz Raach |
Der Klimawandel bedroht das Leben
der Ureinwohner der Arktis. Die ersten Dörfer
müssen aufgeben, weil ganze Küstenabschnitte ins
Meer gespült wurden. Auch um ihre
Nahrungsmittelversorgung müssen die Ureinwohner
fürchten: Das Eis, über das im Winter die Jagdwege
verlaufen, taut weg.
Mehr Informationen: Gesellschaft für bedrohte Völker, www.gfbv.de |
Selbst wenn der Klimawandel ein Science-Fiction-Szenario
militanter Ökofreaks wäre, müsste die
Weltbevölkerung beginnen, sich auf erneuerbare Energien
einzustellen. Die Erdölreserven sind endlich und der
Ölpreis ist nicht nur für deutsche Pendler hoch. Vielen
Entwicklungsländern rauben die stark steigenden
Ölpreise das Geld, das sie dringend für Medizin,
Trinkwasser und Nahrung ausgeben müssten. Auch der Leiter
des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und frühere
CDU-Umweltminister, Klaus Töpfer, sieht das heute so. Damit
hat er sich stark von seinen ehemaligen Regierungskollegen
entfernt. „Wir sehen im Moment genau das, was die
Wissenschaft als Folge des Treibhauseffektes prognostiziert, es
passiert gegenwärtig Klimawandel“, sagte der oberste
UN-Umweltschützer der Zeitung Financial Times. Töpfer
sieht in der Senkung des Ausstoßes von CO2 eine
wirtschaftspolitische Notwendigkeit. Er fordert die Nationen auf,
sparsamer und effzienter mit der Energie umzugehen und
erneuerbare Energien zu fördern. Umweltschutz sei kein Luxus
für gute Zeiten. „Wenn wir glauben, dass wir wieder
eine Zeit lang auf Umweltschutz verzichten können, bis wir
unsere wirtschaftlichen Probleme gelöst haben, dann liegen
wir falsch. Arbeitsplätze werden genau dadurch geschaffen,
dass wir die Knappheit von Umweltgütern besser
bewältigen als andere. Dann verkaufen wir unsere
Technik“.
Uta Linnert
„Wenn ich mit dem Auto doppelt so schnell fahre, bin ich nur halb so lange unterwegs und schädige daher das Klima nur halb so stark.“ Eckhardt Rehberg, CDU-Fraktionsvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern und bei der Bundestagswahl auf Platz zwei der Landesliste hinter Angela Merkel, lieferte diese eindrucksvolle Antwort zum Thema Klimaschutz und bewieß damit Regierungskompetenz. |