Magazin 5/2005

Der Spritpreis spielt keine Rolle

Die Aral-Mobilitätsstudie 2005 bringt an den Tag was insgeheim viele ahnen: Umweltthemen sind bei den meisten Autofahrern out.

spritpreis
Foto: Marcus Gloger

Genug der scheinheiligen Alibiumfragen wie z.B. jene des Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC) in Heft 4/2004: 77,8 Prozent der 3200 Anrufenden beantworteten die Frage „Spielt für sie beim Autokauf die Umweltfreundlichkeit eine entscheidende Rolle?“ mit „Ja“. Bei kaum einem anderen Thema als dem Auto klaffen Wert und Haltung, also Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinander. Gekauft werden die Dreiliterautos nämlich überhaupt nicht (fairkehr 4/2005).

Deswegen überrascht der entdeckende Ansatz der eben erschienenen Aral-Studie, bei der 80 sorgfältig ausgewählte Autofahrer jeweils zwei Stunden tiefenpsychologisch interviewt wurden. Das glaubhafte und gleichzeitig erschreckende Ergebnis übertrifft die Befürchtungen aus Hardy Noltes „Rasende Liebe – warum wir aufs Auto so abfahren“ deutlich. Autofahren sei eine zutiefst emotionale Angelegenheit, vielmehr Bedürfnis als Bedarf, eher eine Kompensation erlebter persönlicher Defizite wie Angst, Unerfahrenheit, Fremdheit oder Alter. „Das Drumherum wird wichtiger, Fahren an sich rückt in den Hintergrund“, so die Leiterin der Studie, Claudia Ramrath. Zum Ausgleich für Stau, Reglementierungen und Zwang durch andere definieren die Autofahrerinnen und -fahrer ihr Vehikel zu einer Rüstung um, wahlweise zu einem rollenden Zuhause oder einem emotionalen Fetisch.

Andere wiederum, vornehmlich Männer im zweiten Frühling eines seit langem unbenutzten Motorradführerscheins, projizieren in die „physisch-sinnliche Qualität“ eines Motorrads ihre Chance auf pure Mobilität und ewiges Jungsein. Überhaupt geben – wie auch frühere Studien zeigen – Männer den Ton im täglichen Motorsport an. Selbst Frauen brüsten sich „wie ein Kerl“ zu fahren, das Schlimmste wäre, so dokumentieren aufschlussreiche Interviewschnipsel, sich im „Mutti-Fahrstil“ an Tempolimits zu halten.

Vor diesen Aussagen brauchen sich öffentliche Verkehrsmittel nicht den Hauch einer Chance gegenüber dem Gros der Zielgruppe auszumalen: „Morgens schminke ich mich unterwegs, habe ein Beutelchen dabei, ich kann alles ins Auto packen, Sachen zum Fitnessstudio oder nach dem Einkaufen. Wenn ich deprimiert bin, sage ich: Komm, wir fahren zur Ostsee, höre traurige Musik.“

Die Gefährlichkeit auf Straßen wird konsequent heruntergespielt oder auf andere abgewälzt: Die Lkw-Fahrer, die Enten, die älteren Leute, die, die mit 100 km/h fahren. Dementsprechend seien Sicherheitstrainings schon sinnvoll – für ältere Leute! Ansonsten müsse man sich ja einen Tag frei nehmen.

Andererseits empfinden Fahranfänger neben dem Reiz der oft ersten eigenen Wohnung „Auto“ die nervige Komplexität des aktuellen Verkehrs als belastend – und fahren nach wenigen anstrengenden Ausflügen zunächst oft nur noch zur nächsten Eisdiele. Dennoch erscheint der Führerschein als Vollwertigkeitsritual authentischer als z.B. das Wahlrecht.

Trotz vordergründiger Nörgelei offenbaren die Aussagen jedoch auch, dass die Befragten bereit seien „auch viel mehr für den Sprit zu bezahlen.“ Während – aber das mag an den Vorgaben der Auftraggeber Aral liegen – Umweltthemen aber so was von out sind, dass sie den Interviewpartnern offenkundig entfallen sind.

Nils Theurer

www.aral.de, Studie unter: info@aral.de

 

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