Titel 4/2005

Biodiesel

Neuer Mix im Tank

Brüssel hat die Mitgliedsstaaten angehalten, bis zum Jahr 2010 den Anteil biogener Kraftstoffe auszubauen. Profitieren wird davon hierzulande vorerst nur die Biodieselbranche.

Fotos: Marcus Gloger
Gasgeben mit Biosprit: Ob subventionierter Biodiesel umweltfreundicher ist als herkömmlicher Sprit, bleibt umstritten.

Detlef Evers wirkt zufrieden. Alles andere wäre beim Vorstand der ADM Oelmühle Hamburg AG auch eine Überraschung. Denn seine Geschäfte mit Biodiesel, chemisch korrekt Rapsmethylester (RME), laufen gut, sehr gut sogar: „Wir produzieren bis zum Anschlag.“ Deshalb planen die Hanseaten ihre Jahreskapazität auf 250000 Tonnen zu verdoppeln.

Nicht nur Evers hat allen Grund zur Freude. Die deutschen Biodiesel-Produzenten setzten im vergangenen Jahr die Rekordmenge von gut 1,2 Millionen Tonnen ab, gut 200000 Tonnen davon kamen aus dem Ausland. Und die Rapsodie mit dem Biosprit geht weiter: „Bis Ende dieses Jahres werden hierzulande die Produktionskapazitäten auf mehr als 1,9 Millionen Tonnen ausgebaut sein“, sagt Evers euphorisch, der auch als Vorstandsmitglied des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) bestens über die Branche Bescheid weiß. Damit wird Deutschland seine Position als größter Biodiesel-Markt nicht nur europa-, sondern weltweit ausbauen.

Wenig Freude über den Biodiesel-Boom haben dagegen die deutschen Margarinehersteller: „Rapsöl, unserer Hauptrohstoff, wird für uns mittlerweile unbezahlbar, weil bundesweit schon mehr als die Hälfte des gesamtes Absatzes mit dem Geld des Steuerzahlers durch den Auspuff gejagt wird“, beklagt Verbandsgeschäftsführer Karl-Heinz Legendre. Die Margarineindustrie wird die Bundesregierung mit ihren Vorwürfen von „unberechtigten Subventionen“ nicht erweichen können. Kanzler Schröder, Finanzminister Eichel und Verkehrsminister Stolpe stehen unter Druck aus Brüssel. So sieht die seit Mai 2003 gültige Biokraftstoff-Richtlinie der EU Brüssel vor, dass bis zum Jahr 2010 den Anteil der biogenen Kraftstoffe auf 5,75 Prozent ausgebaut werden soll. Als Zwischenschritt sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis Ende dieses Jahres eine zweiprozentige Quote an den herkömmlichen Mineralölprodukten vorzuweisen.

Tempo für Kyoto

Seit Anfang 2004 kann so dem normalen Diesel bis zu fünf Prozent RME beigemischt werden, für Benzin bietet sich Bioethanol als Beimischprodukt an. Diese Vorgaben haben hierzulande erste Raffinerien umgesetzt. Für den Biodiesel geht der Herstellerverband von einem vierprozentigen Beimischverhältnis aus. Nach Angaben des VDB werden hierzulande gut 40 Prozent des Biodiesels beigemischt. Neben dem Preisvorteil von mindestens zehn Cent pro Liter hat diese Regelung den Biodieselanteil im Dieselsegment auf vier Prozent hochschnellen lassen. Gemessen am gesamten Kraftstoffverbrauch liegt die RME-Quote derzeit bei gut zwei Prozent.

Um die EU-Richtlinie zu erfüllen, hat die Bundesregierung die Öko-Kraftstoffe bis Ende 2009 von der Mineralölsteuer befreit. „Diese Möglichkeit haben wir ausdrücklich vorgesehen, um die Nutzung regenerativer Energie zu fördern“, betonte Karl Kellner von der EU-Generaldirektion Energie und Verkehr auf einem Kraftstoff-Kongress Ende vergangenen Jahres.

Wenn Brüssel die gesteckten Ziele fürs Kyoto-Protokoll und beim Ökoenergien-Ausbau erreichen will, dann muss mehr Tempo beim bislang vernachlässigten Kraftstoffsektor gemacht werden. Unverzichtbar dafür ist, dass ein Land dabei die Lokomotiv-Aufgabe übernimmt – in diesem Fall Deutschland. Der Österreicher Kellner weiß nur zu gut, dass bislang das Gros der 25 Mitgliedsländer kaum etwas für die verstärkte Nutzung der biogenen Kraftstoffe unternommen hat. Absehbar ist schon heute, dass die Gesamt-EU das zweiprozentige Etappenziel Ende dieses Jahres verfehlen wird.

Schlechte Karten also für Margarine-Mann Legendre: Von den biogenen Kraftstoffen ist derzeit nur Biodiesel sowie mit großen Abstrichen Bioethanol auf dem Markt verfügbar. Legendre hat aber noch einen weiteren gewichtigen Gegenspieler: Bauernpräsident Gerd Sonnleitner. Deutschlands oberster Landwirt, der ansonsten der Bundesregierung wortreich die sinkenden Preise und die kläglichen Einkommen seiner Klientel vorhält, lobte wiederholt ausdrücklich die Ökoenergien-Politik Berlins. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Umsetzung der Biokraftstoff-Richtlinie habe „einen Boom an Investitionen“ in und für die Landwirtschaft ausgelöst: „Damit werden Einkommen gesichert und neue geschafft.“

Bundesweit werden derzeit auf 1,3 Millionen Hektar Raps angebaut, mehr als die Hälfte davon für Biodiesel. Tendenz steigend. Und auch die Getreidebauern, die bei der EU-weiten Überproduktion immer mehr Flächen stilllegen müssen, profitieren vom Ökosprit: Für die Produktion von 500000 Tonnen Bioethanol werden etwa 1,6 Millionen Tonnen Weizen oder Roggen benötigt – das entspricht dem Rohstoffbedarf von rund 250000 Hektar.

In den Kelch der Freude mischen sich aber auch einige ölige Wermutstropfen: „Die Vermarktung von reinem Biodiesel als Pkw-Kraftstoff wird schwieriger“, beobachtet Dieter Bockey von der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (Ufop) seit Monaten mit Bauchschmerzen. Zwar stehe ein Sensor zur Verfügung, der beim Biodieseleinsatz für die Optimierung des Verbrennungsvorgangs im Motor sorge, dennoch zögen zunehmend mehr Automobil-Hersteller ihre Freigaben zurück. Dieses Plazet von der Automobilindustrie ist wichtig: Ohne dieses haften die Fahrzeughersteller für mögliche Schäden unter der Motorhaube.

Ihre reservierte Haltung ist einfach erklärt: Die amtierende Bundesregierung versucht seit Monaten sich mit den Bundesländern darauf zu einigen, die Anschaffung von Diesel-Partikelfiltern steuerlich zu fördern. Auch nach einem möglichen Regierungswechsel im September wird es nach Einschätzung vom VCD-Experten Gerd Lottspien eine Förderung für die Nachrüstung geben. Die Union hat die finanzielle Unterstützung der Rußpartikelfilter jedenfalls in ihr Wahlprogramm geschrieben.

Das freut die künftigen Käufer von Diesel-Fahrzeugen, nicht aber die Biosprit-Produzenten. Denn das Zusammenspiel von reinem Biodiesel und Rußpartikelfilter haut, unfachmännisch gesprochen, nicht hin. Schon deshalb werden selbst gutwillige Autofahrer davon absehen, Biodiesel in Reinform zu tanken.

Als Ausweg setzt die Ufop auf Nutzfahrzeuge und die Landwirtschaft. „Mit der Einführung der Lkw-Maut zählt für viele Speditionen jeder Cent und auch viele Landwirte werden sich nach Einschränkung der Dieselsteuervergünstigungen für große Agrarbetriebe nach preiswerteren Alternativen umsehen“, hofft Fachmann Bockey.

Damit dürfte die nächste Diskussion über die ökologische Sinnhaftigkeit von Biodiesel nur eine Frage der Zeit sein: „Biodiesel fördert Schwerlastverkehr und landwirtschaftlich Masse statt Klasse“, mokierte sich schon Die Zeit. Richtig ist allemal, dass die Fuhrbetriebe mit Biodiesel mehr als 2000 Euro pro 100000 Lastwagen-Kilometer sparen – mit dem Segen rot-grüner Umwelt- und Agrarpolitik. Und dass Biodiesel nur ein Drittel der Energie in der ganzen Rapspflanze nutzt, lässt die Energiebilanz im Vergleich zu Bioalkoholen bescheiden aussehen.

Effizienzsteigerung ist die beste Alternative

Axel Friedrich, Leiter der Verkehrsabteilung im Umweltbundesamt (UBA), verweist noch auf einen weiteren Nachteil: Der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und eine vom Argradiesel ausgelöste Schädigung der Ozonschicht lasse den Umweltvorteil gegen Null tendieren: „Der bessere Weg, um den Spritverbrauch zu senken, sind effizientere Motoren.“ Außerdem, so sein Einwand, seien die Ausbaupotenziale für den Biodiesel begrenzt: „Es fehlen die Flächen, da die Bundesregierung gleichzeitig den flächenintensiven Ökolandbau fördern und neue Naturschutzgebiete ausweisen will.“

Ein Selbstläufer, das weiß auch Helmut Lamp, Präsident des Bundesverbandes Bioenergie (BBE), werden die biogene Kraftstoffe nicht werden. Da der Bau von Biodiesel- und Bioethanolwerken teuer und ohne eine langfristige Investitionssicherheit nicht machbar ist, hat sich der Landwirt aus Schleswig-Holstein ein Ziel gesetzt: „Wir müssen frühzeitig zu einer Anschlussregelung für die Ende 2009 auslaufende Steuerbegünstigung für Biokraftstoffe kommen.“

Spannend dürfte es werden, wie eine mögliche schwarz-gelbe Bundesregierung dieses Thema anpackt. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause erklärte jedenfalls die rot-grüne Bundesregierung, dass Biodiesel künftig besteuert werden soll. Die bisherige Mineralölsteuer-Befreiung bei Biodiesel, heißt es, habe im Jahr 2004 zu Mindereinnahmen im Bundeshaushalt von 559 Millionen Euro geführt. Dagegen soll Bioethanol auch in Zukunft unversteuert bleiben.

Die große Wende, das dürfte auch den Ökosprit-Anhängern klar sein, auf dem Treibstoffmarkt lässt auf sich warten: Selbst wenn Deutschland die EU-Ziele für das Jahr 2010 erreicht, liegt der Anteil fossiler Energien auf dem Treibstoffmarkt immer noch bei gut 94 Prozent.

Ralf Köpke

 

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