Titel 4/2005

Interview

Wider die Anonymität des Polo-Lenkrads

Karl Nestmeier produziert seit 1997 das Elektrofahrzeug Cityel in Deutschland. Er ist überzeugt davon, dass das kleine Fahrzeug sein Käuferpotenzial noch nicht ausgeschöpft hat.

Foto: Citycom AG
Karl Nestmeier ist Geschäftsführer der CityCom AG. Während des Elektrotechnikstudiums interessierte er sich für Solar- und Elektromobile. Ab 1993 verkaufte er die Fahrzeuge des dänischen Cityel-Herstellers in Deutschland. 1997 übernahm er die Produktion. Aktuelles Ziel: den Absatz des Cityel jährlich zu verdoppeln.

fairkehr: Viele Passanten lachen, wenn ein Cityel vorbeifährt. Finden Sie Ihr kleines Fahrzeug auch komisch?

Karl Nestmeier: Komisch? Nein. Der Cityel ist immer noch eine exotische Erscheinung auf der Straße, kein gewöhnliches Fahrzeug. Aber die Lacher sind mittlerweile eher positiv, eher ein Lächeln als ein Auslachen. Wir werden schon ernst genommen.

fairkehr: Hat sich Ihre Käufergruppe verändert?

Nestmeier: Früher waren es tatsächlich eher die Weltverbesserer, die Öko-Akademiker, die einen Cityel aus ökologischem Engagement heraus gekauft haben. Aber hauptsächlich waren es Werbetreibende, über 80 Prozent, die von der Aufmerksamkeit profitiert haben, die so ein exotisches Fahrzeug bekommt. Mittlerweile verkaufen wir zwei Drittel unserer Produktion an Otto-Normalverbraucher, ganz normale Berufspendler.

fairkehr: Von welchen Größenordnungen reden wir denn? Wie viele Fahrzeuge verkaufen Sie im Jahr?

Nestmeier: Zur Zeit sind unsere Kapazitäten vollständig ausgelastet. Wir verkaufen drei Cityel pro Tag und haben Wartezeiten von sechs bis acht Wochen. Es gibt so viele individuelle Kombinationsmöglichkeiten – Farbe, Ausstattung, Antrieb usw. – dass wir nicht fürs Lager produzieren, sondern nur konkrete Bestellungen abarbeiten.

fairkehr: War die Nachfrage schon immer so groß?

Nestmeier: Nein, ich habe die Cityel-Produktion hier in Deutschland Ende der 90er Jahre übernommen. Damals war das ein richtig schwieriges Geschäft. Aber seit etwa zwei Jahren steigt die Nachfrage rasant.

fairkehr: Woher kommt dieser Wandel?

Nestmeier: Früher stand der Öko-Aspekt im Vordergrund, heute ist es die Kostenstruktur. Normale Autos werden immer teurer, bei der Anschaffung und im Betrieb. Dagegen ist der Cityel deutlich günstiger geworden. Der Smart kostet bei 5000 Kilometer im Jahr etwa 65 Cent pro Kilometer, der Cityel kostete früher 45 Cent pro Kilometer. Da war der Unterschied nicht so groß. Inzwischen sind es nur noch 27 Cent.

fairkehr: Woran liegt das?

Nestmeier: Die Antriebstechnik hat sich wesentlich verbessert. Die Lebenszeit der Batterien hat sich gut verdoppelt – von maximal 10000 Kilometer auf nun bis zu 25000. Mit der neuen Technik hat sich übrigens auch die Reichweite deutlich vergrößert.Statt früher 50 Kilometer kommt man jetzt mit einmal Aufladen bis zu 100 Kilometer weit. Das ist für viele ein psychologisch wichtiger Punkt, auch wenn sie als Pendler nie mehr als 20 Kilometer fahren.

fairkehr: Was muss ich für einen Cityel bezahlen?

Nestmeier: Zwischen 6600 Euro für die einfachere und 9000 Euro für die am besten ausgestattete Version.

fairkehr: Sie expandieren weiter, raus aus der Öko-Nische. Wo sehen Sie noch Kundenpotenzial?

Nestmeier: Unsere Kunden leben nicht in der Großstadt. Dort ist das ÖPNV-Angebot so gut, dass Pendler oder Gelegenheitsfahrer damit ausreichend mobil sind. Unsere Kunden sind Pendler, die in Kleinstädten oder im ländlichen Raum leben und täglich zwischen fünf und zwanzig Kilometern zum Einkaufen oder zur Arbeit fahren müssen. Es gibt in Deutschland 4300 Städte mit bis zu 50000 Einwohnern. Das sind unsere Zielgebiete. Die Kapitalvoraussetzungen für eine weitere Expansion haben wir schon geschaffen.

fairkehr: Also ist bald Schluss mit der Exotik des Cityel? Kein Lächeln mehr?

Nestmeier: Der Cityel wird noch lange auffallen. Aber unsere Kunden sind extrovertierte Personen, die keine Probleme damit haben aufzufallen oder angesprochen zu werden. Sie brauchen die Anonymität des Polo-Lenkrads nicht. Aber sie sind auch kostenbewusst und haben ein Faible für den Umweltschutz.

Interview: Regine Gwinner

Mehr zum Cityel unter: cityel.de

 

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