Reise 4/2005
Kreuz und quer über die Ostsee
Auf der Ostsee verbindet ein dichtes Liniennetz von
Fähren und Schnellbooten Skandinavien, Russland, das
Baltikum und Mitteleuropa. Die Schiffe bringen Urlauber,
Schüler, Geschäftsleute, Lastwagen und Autos kreuz und
quer über das Binnenmeer. Zum Teil sind die Fähren so
luxuriös und komfortabel wie moderne Kreuzfahrtschiffe. Das
ermöglicht eine besondere Reiseidee: Während der
Fährpassagen kann man Kreuzfahrtluft schnuppern und muss
trotzdem nicht auf eine individuelle Reiseplanung verzichten
– Kreuzfahrt nach dem Baukastenprinzip.
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Foto: Valeska Zepp
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Wer sich diese Aussicht nicht
entgehen lassen möchte, sollte mit dem Schiff nach
Helsinki reisen.
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Erbarmungslos scheint die Junisonne schon mitten in der Nacht
durch das Kabinenfenster. Aber der Blick aufs Meer
entschädigt sofort: So weit das Auge reicht ist alles blau.
Himmel und Meer verschwimmen. Gegen diese Aussicht hat der Schlaf
keine Chance.
Ungefähr die Hälfte der Strecke von Rostock nach
Tallinn hat die Ostseefähre „GTS Finnjet“
bereits hinter sich. Sie erreicht die estische Hauptstadt um halb
sieben am Abend. Nach einer Nacht ohne merklichen Wellengang
liegt nun ein ganzer Seetag vor den Passagieren der Finnjet. Das
Gasturbinenschiff ist berühmt für seine
Geschwindigkeit. Mit 33 Knoten, das sind ungefähr 60
Kilometer pro Stunde, pflügt sich der Fährkoloss durchs
Wasser. Schon seit 1977 kreuzt er als schnellste Fähre der
Welt über die Ostsee.
Frühstück gibt es auf Deck fünf.
Hauptsächlich Pensionäre sitzen an den Tischen und
füllen großzügig ihre Teller am Buffet. Auf den
Außendecks tummeln sich Eltern mit ihren Kindern. Von der
Schulklasse, die am Abend zuvor die Spielautomaten und den
Dutyfreeshop belagerte, ist noch niemand zu sehen. Für knapp
1800 Passagiere hat die Finnjet Platz. Jetzt ist sie noch nicht
einmal halb besetzt. Aber in den Sommerferien, ändert sich
das schlagartig. 565 Kabinen verteilen sich auf zehn Decks
– von Luxuskabinen in der Commodore Class, mit eigenem
Sonnendeck und Lounge, bis zu Budgetkabinen im Inneren des
Schiffs, in denen auf engstem Raum vier Betten übereinander
und ineinander verschachtelt stehen.
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Foto: Valeska Zepp
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Der mittelalterliche Stadtkern von
Tallinn ist noch gut erhalten. Die Türme der
Stadtmauer prägen die Silhouette der Stadt.
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Luxus und Logistik
Die Ostsee verbindet unterschiedlichste Länder und
Kulturen. Hier verschmelzen die Traditionen von Skandinavien, dem
Baltikum, Russland und Europa. Ein dichtes Fährliniennetz
verknüpft die wichtigsten Küstenstädte und sorgt
für einen regen Austausch von Waren und Besuchern. Von
Estland nach Finnland ist es ein Katzensprung. Die
Schnellfähren brauchen nur eineinhalb Stunden von Tallinn
nach Helsinki.
Die Finnjet bewältigt größere Distanzen. Sie
legt jeden Dienstag um 17 Uhr in Rostock Richtung Osten ab.
Zuerst bringt sie Fracht und Passagiere nach Tallinn und
fährt dann weiter nach St. Petersburg. Im Bauch des gut 200
Meter langen und 25 Meter breiten Schiffs haben jede Menge Lkw
und Autos Platz. Früher waren Fähren in erster Linie
Transportmittel. Heute kombinieren die Reedereien Logistik mit
Luxus. „Wir sind sowohl Transportunternehmen als auch
Betreiber schwimmender Hotels“, beschreibt Matti Orama,
Geschäftsführer der Reederei Silja Lines, das Konzept.
Dabei sollen sich „Genießer mit Faible für gutes
Essen und teuren Wein“ genauso wohl fühlen wie
Passagiere, die lieber schlicht reisen oder wenig Geld haben.
Eine Nacht und einen Tag lang versucht die Crew der Finnjet
Kreuzfahrtgefühle aufkommen zu lassen. Mit Tanz- und
Zaubershows, Livemusik in Bars und Lounges, Swimmingpool und
Sauna im Wellnessbereich. „Die Überfahrt wird so ein
Teil des Urlaubs – wie bei einer richtigen
Kreuzfahrt“, schwärmt Orama. Und wer auf solche
Unterhaltung keine Lust hat, der schaut sich einfach den
Sonnenuntergang an Deck an oder setzt sich in eines der ruhigen
Cafés mit Meerblick.
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Foto: Valeska Zepp
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Russland ist ganz nah: Die
griechisch-orthodoxe Kirche in Tallinn wirkt exotisch.
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Besonders deutlich zeigt sich der Trend zum
Ostsee-Freizeitverkehr auf den Fährkreuzern zwischen
Helsinki und Stockholm. Allgemein gelten sie als Partyschiffe.
Wer die „Serenade“ betritt, steht inmitten einer 140
Meter langen Promenade gesäumt von Restaurants, Bars,
Boutiquen und Shops. Die Bar „Jo’s Place“ im
hinteren Teil der Einkaufsmeile lockt mit irischem Bier, Whisky
und der Aussicht aufs Meer durch ein Panoramafenster. Das Dach
der Ladenmeile ist ebenfalls aus Glas, und von beiden Seiten
ragen Schlafkabinen wie Schwalbennester in die Promenade. Der
Kreuzer hat beinahe 1000 Kabinen mit Betten für insgesamt
2800 Passagiere. Fast alle Kabinen haben ein Fenster, entweder
mit Blick aufs Meer oder auf die Promenade. Gegen 17 Uhr laufen
die riesigen Dampfer aus Helsinki und Stockholm aus und erreichen
die jeweils andere Hauptstadt am kommenden Morgen. Tagsüber
liegen die Schiffe im Hafen, werden neu beladen und gereinigt
– bis zur nächsten Seereise am Abend.
Land in Sicht
Auf der Finnjet ist der Tag nach einer Schiffsführung mit
Brückenbesichtigung, Mittagessen, Lesen auf dem Sonnendeck
und einem Saunagang schon weit fortgeschritten. Einige
Ungeduldige schleppen bereits ihre Koffer zum Ausgang, um als
erste von Bord zu gehen. Die meisten Gäste stehen jedoch
noch an der Reeling und genießen die Einfahrt in den Hafen.
Ein junger Mann in abgewetzter Hose und weinrotem Strickpulli hat
sein Akkordeon ausgepackt und spielt eine melancholische Weise,
während die Türme von Tallinn immer näher
rücken. Eine Stunde später begrüßt Estlands
Hauptstadt die Passagiere der Finnjet mit Fliederduft und
T-Shirt-Wetter und verspricht einen langen Sommerabend an
Land.
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Karte: Fairkehr/Marc Venner
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(259 kB)
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Valeska Zepp
Landgang Stockholm
Die Hauptstadt Schwedens zählt weltweit zu den
Städten mit der höchsten Lebensqualität. Sie
ist auf 14 Inseln erbaut und rund ein Drittel der
Fläche besteht aus Wasser. Ein weiteres Drittel sind
Grünflächen, die 1995 unter dem Namen
„Ekoparken“ zum ersten städtischen
Nationalpark zusammen gefasst wurden (www.ekoparken.de). In
Stockholm findet jeder schnell seinen Lieblingsplatz.
Gamlastan, die Altstadt mit schmalen Gassen und
windschiefen Häusern, ist ein Touristenmagnet. Sie
steht mittlerweile komplett unter Denkmalschutz. Wer das
junge, alternative Stockholm kennen lernen möchte, ist
in Södermalm genau richtig. Trendige Läden und
Designershops wechseln sich ab mit gemütlichen
Cafés und Second-Hand-Geschäften.
Das öffentliche Verkehrsnetz ist gut ausgebaut.
Für ungefähr zehn Euro kann man 24 Stunden im
gesamten Stadtgebiet Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen
nutzen. Aber es lohnt sich, zu Fuß über die
unzähligen Brücken von Insel zu Insel zu gehen
oder die Stadt mit dem Fahrrad zu erkunden. Ein erster
Anlaufpunkt für Stockholmbesucher ist das Schwedenhaus
in der Nähe des Hauptbahnhofs. Hier bekommen Touristen
Stadtpläne, können Konzertkarten kaufen und
Unterkünfte buchen.
Ein Tipp für Regentage ist das Vasamuseum. Wer
jetzt an Knäckebrot denkt und eine Ausstellung
trockener Brote vermutet, der irrt. Die Vasa ist ein
Kriegsschiff aus Holz, das im 17. Jahrhundert erbaut wurde
und nicht einmal die Jungfernfahrt überstand. Es sank
gleich nach Auslaufen im Stockholmer Hafen. Der schwedische
Forscher Anders Franzén barg das Wrack 1958 nach 333
Jahren. Jetzt steht die Vasa in einem Museum auf Stockholms
Insel Djurgarden. Die Besucher können auf sieben
Etagen rund um das Schiff laufen und haben so einen
Einblick vom Kiel bis zum höchsten Mast und vom Bug
bis zum Heck. Kleine Ausstellungen über das Leben an
Bord und die Entdeckung der Vasa verteilen sich über
die Etagen. Alle Informationstafeln sind zweisprachig, in
Schwedisch und Englisch. Wer keine Lust hat zu lesen, kann
an einer Führung teilnehmen. Im hauseigenen Kino
läuft außerdem jede Stunde ein Dokumentarfilm mit
Originalaufnahmen der spektakulären Schiffsbergung.
Film und Führungen finden mehrmals täglich auch
auf Deutsch statt. An Computerstationen kann jeder mit
Hilfe einer Simulation versuchen die Vasa so zu
konstruieren, dass sie nicht sinkt. Wenn das Schiff dann
trotzdem untergeht, nicht frustriert sein! Lieber noch eine
Runde durchs Museum drehen oder im Museumsrestaurant bei
Kaffee und schwedischer Mandeltorte entspannen und es dann
noch einmal versuchen.
Infos: Vasamuseum, Djurgarden-Galärvarvet,
Öffnungszeiten täglich von 10–17 Uhr,
Eintritt 8,50 Euro, Kinder bis 17 Jahre frei, www.vasamuseet.se
Tourismusbüro im Schwedenhaus,
Kungsträdgården, www.stockholmtown.com
Schweden-Tourismus: Tel.: (069) 22223496, www.visitsweden.com
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Foto: photocase.de
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Stockholm: 14 Inseln,
unzählige Brücken und immer wieder
Wasser.
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Landgang Helsinki
Der wohl schönste Weg zur finnischen Hauptstadt ist
der übers Wasser. Bevor das Schiff den Hafen erreicht,
passiert es Schäreninseln mit bunten
Sommerhäusern und glatt geschliffenen Felsen. Hoch
über der Stadt thront die weiße Domkirche mit der
grünen Kuppel und direkt am Hafen empfängt die
Markthalle hungrige Gäste mit finnischen
Spezialitäten. Die Stadt läßt sich bestens
zu Fuß erkunden, da die meisten
Sehenswürdigkeiten nur wenige Schritte voneinander
entfernt sind. Im Sommer findet das Leben in Helsinki
draußen statt. Dann genießen alle Menschen die im
Norden so kostbaren Sonnenstrahlen in
Straßencafés, am Strand oder in den vielen
Parks.
Infos: Finnische Zentrale für Tourismus,
Tel.: (069) 7191980, www.visitfinland.de
Buchtipp
„Kulturschock Finnland“ aus dem
Reise-Know-How Verlag ist kein klassischer
Reiseführer. Statt Übernachtungs-, Restaurant-
und Ausflugstipps beschreibt das Buch Finnland und die
Finnen. Es beantwortet Fragen zur Gesellschaft, zur Kultur
und Politik aber auch zum familiären Leben, dem
Verhältnis zwischen Männern und Frauen, Kindern
und Eltern, Fremden und Einheimischen. Ein Buch zur
Einstimmung auf den Urlaub, damit es erst gar nicht zu
einem Kulturschock kommt.
Iidikó Hámos und Ilari Sohlo: Kulturschock
Finnland, Reise-Know-How Verlag 2005, 256 Seiten, 14,90
Euro
Landgang Tallinn
Im Sommer wird es in Tallinn nur für drei Stunden
dunkel. Das nutzen Bewohner und Gäste aus, und so ist
nachts auch mitten in der Woche noch viel los. Rund ein
Drittel aller Esten, eine halbe Million Menschen, leben in
der Haupstadt. Estland hat in den letzten zehn Jahren viel
Geld in die Sanierung seiner Hauptstadt investiert und die
Spuren des Sozialismus verwischt. Vor allem die Altstadt
auf dem Domberg leuchtet wieder in bunten Farben.
Stadtmauern und Wachtürme begrenzen den Domwall, auf
dem die Zwiebeltürme der russisch-orthodoxen
Kathedrale in den Himmel ragen. Fachwerkhäuser mit
alten Zunftschildern und schmiedeeisernen Türen und
Toren schließen sich zu kleinen Gassen zusammen.
Kopfsteinpflaster windet sich den Domberg hinunter. Eine
besondere Eigenart der Stadt: Auch nachts bekommt man noch
frische Blumen. An der Stadtmauer verkaufen die Esten bis
tief in die Nacht Sträuße aus den eigenen
Gärten.
Baltikum Tourismuszentrale, Tel.: (030) 89009091,
www.visitestonia.com,
www.gobaltic.de
Kreuzfahrttipps
Vom 22. August bis zum 19. September 2005 gibt Silja
Line 20 Prozent Ermäßigung auf alle Städte-
und Rundreisen mit der Finnjet in den Kategorien Tourist I
bis Commodore. Die Ermäßigung gilt in diesem
Zeitraum auch auf alle Fährpassagen von Rostock nach
Tallinn, Helsinki und St. Petersburg. Wer die Zarenstadt
bereisen möchte, sollte daran denken, dass für
die Einreise nach Russland ein gültiger Reisepass,
eine Auslandskrankenversicherung sowie ein Visum
erforderlich sind.
Silja-Line, Tel.: (0451) 5899222,
www.siljaline.de
Weitere Fährgesellschaften:
- Stena Line, Tel.: (01805) 916666, www.stenaline.de
- Finnlines, Tel.: (0451) 1507443,
www.finnlines.de
- Viking Line, Tel.: (0451) 384630,
www.vikingline.de
- Superfast Ferries, Tel.: (0451) 88006166, www.superfast.com
- Scandlines, Tel.: (01805) 7226354637, www.scandlines.de
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