Reise 4/2005

Interview

Mut machen

Es sind die kleinen Erfolge, die die Menschen in einer strukturschwachen Region auf eine Zukunft hoffen lassen, meint Christian Baumgartner, der neue Generalsekretär der Naturfreunde Internationale.

Foto: Daniel Brunner

Idylle am Doubs: An vielen Stellen kann man den malerischen französisch-schweizerischen Grenzfluss auch mit dem Kanu befahren.

 

fairkehr: Herr Baumgartner, „Tradition entdecken – Natur erleben – Zukunft gestalten“, lautet das Motto der diesjährigen „Landschaft des Jahres“. Es ist seit 1989 die zehnte Auszeichnung für eine europäische Region. Hat das von den Naturfreunden verliehene Prädikat in den Regionen etwas Bleibendes hinterlassen?

Christian Baumgartner: Bei einigen sicher, etwa an der Odermündung. Dort gibt es heute einen funktionierenden Regionalentwicklungsverband, den wir mit unserer Aktion 1993 angestoßen haben. So würde ich es mir als Ergebnis einer jeden „Landschaft“ wünschen. Dort können die Projektpartner von damals wirklich weiter arbeiten.

fairkehr: Was wollen Sie als neuer Generalsekretär der Naturfreunde ändern, damit das Engagement der Menschen vor Ort über die Zeit der Aktion hinaus reicht?

Baumgartner: Es ist sinnvoll und für die Region wichtig, dass es mehr Kontakte zwischen den bisherigen und zukünftigen Landschaften gibt. Dass es zu einer Vernetzung kommt. Ich möchte das Instrument „Landschaft des Jahres“ qualitativ verbessern. Dazu müssen wir die Aktivitäten pro Landschaft verlängern. Zwei Jahre sind zu kurz, um Projekte so dauerhaft umzusetzen, dass es auch ohne unsere Präsenz weitergeht.

fairkehr: Was soll es einer künftigen „Landschaft“ bringen, wenn Daten aus einer Region herangezogen werden, die womöglich ganz andere Voraussetzungen hat?

Baumgartner: Gemeinsamer Fokus aller Regionen war stets der alternative, umweltverträgliche Tourismus. Im Jura etwa haben wir vorab einen Runden Tisch organisiert. Hier haben wir Tourismusverbände, Politiker, lokale Naturschutzgruppen, Sozial-, Kultur- und Umweltverbände mit Partnern aus früheren Regionen zusammengebracht. Ziel war es, dass diese Partner deren Erfahrungen für ihre Zwecke nutzen.

fairkehr: Bei den Proklamationen alle zwei Jahre hat man manchmal den Eindruck, als feierten die Naturfreunde zunächst einmal sich selbst und ihr Engagement. Hat Ihr Projekt ausschließlich symbolischen Charakter?

Baumgartner: Symbole sind wichtig. Ich verstehe unser Engagement als Mutmachen. Man braucht kleine Erfolge, um die Menschen in einer solchen Region bei der Stange zu halten. Und die Rückmeldungen etwa aus der letzten Region, dem Lebuser Land, sind durchweg positiv. Die Stimmung dort ist besser als vor ein paar Jahren. Das geht sicher nicht nur auf unsere Kappe, aber wir haben unser Mosaiksteinchen dazu beigetragen. Die Naturfreunde können in den Regionen ja auch nicht die Welt retten.

fairkehr: In der engeren Auswahl für die „Landschaft des Jahres“ 2007/2008 ist eine Region an der Grenze zwischen dem türkisch besetzten und dem griechischen Teil Zyperns. Haben die Menschen dort wegen der brisanten Situation nicht momentan andere Probleme als die Förderung eines sanften Tourismus?

Baumgartner: Unser Hauptfokus liegt ja nicht auf dem nachhaltigen Tourismus, sondern auf nachhaltiger Entwicklung. Gerade in Zypern sind Zukunftsperspektiven gefragt. Wenn es da an der Grenze zu Aktivitäten kommt, die für einen gewissen Zeitraum moderierte Prozesse in Gang bringen, trägt das dazu bei, Verständnis zu schaffen – was, aus ihrer Geschichte heraus, zu den Grundanliegen der Naturfreunde gehört. Vielleicht wird es weniger um Tourismus als um die Wasserversorgung gehen.

 

Foto: Uta Linnert

Dr. Christian Baumgartner (38) leitet als neuer Generalsekretär die Geschäfte der Naturfreunde Internationale (NFI) mit Sitz in Wien.

 

Interview: Uta Linnert
und Henk Raije

 

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