Magazin 4/2005

Zerstörerischer Nonsens

Seit 2003 ist die A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg politisch beschlossene Sache. Doch der Widerstand gegen den Bau wächst.

Fotos Photocase
Autobahnen zerschneiden die Landschaft, erzeugen Lärm und zerstören Lebensräume von Pflanzen und Tieren.

Dreißig Bürgerinitiativen haben sich mittlerweile im Dachverband „Keine! A 39“ zusammen geschlossen. Sie sind gegen den Bau der etwa 100 bis 120 Kilometer langen Autobahn. Das Betonband soll von Wolfsburg durch die Landkreise Gifhorn, Salzwedel und Uelzen nach Lüneburg führen und dort an die A 250 Richtung Hamburg anschließen. Im Mai stellte der vom Land Niedersachsen beauftragte Planungsträger, das Lüneburger Straßenbauamt, sieben mögliche Trassen vor, eine im Westen, sechs im Osten der Stadt. Und plötzlich regt sich Widerstand auch bei denjenigen, die vorher prinzipiell nichts gegen die A 39 einzuwenden hatten: bei den Vertretern der betroffenen Städte und Gemeinden. Nach dem Prinzip: Autobahn, meinetwegen, aber bitte nicht direkt vor meiner Haustür, beschwerte sich beispielsweise Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge darüber, dass ein mögliches Teilstück der A 39 auf der ohnehin schon viel befahrenen Ostumgehung (bis zu 40000 Autos täglich) verlaufen soll. Das sei den Anwohnern nicht zuzumuten. Stadt- und Kreisrat Lüneburg setzen sich nun dafür ein, dass auch im nordöstlichen Landkreis nach Trassenvarianten gesucht wird – wovon das Straßenbauamt abrät. „Es spricht zuviel gegen eine Nordost-Trasse, unter anderem Naturschutzbelange“, sagt Leiter Friedhelm Fischer.

Wie auch immer der Streitpunkt gelöst wird: Bis zum ersten Spatenstich werden auf jeden Fall noch etliche Jahre ins Land gehen. Zur Zeit prüft das Straßenbauamt die möglichen Varianten Teilstück für Teilstück und arbeitet bis voraussichtlich Ende des Jahres eine Vorzugstrasse heraus. Es folgen Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren. Baubeginn nach Aussage Fischers: allerfrühestens 2010 – wenn keine Klagen offen sind und die nötigen Gelder vom Bund zur Verfügung stehen.

Wichtigste Unterstützer des mindestens 800 Millionen Euro teuren Projekts: die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg und deren größter Beitragszahler Volkswagen, der seit Jahren auf eine durchgehende Autobahnstrecke nach Hamburg wartet. „Die A 39 schafft und sichert Arbeitsplätze“, lautet das Credo der Befürworter. Nach Aussage des Ökonomen Thomas Puls vom arbeitgebernahen Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft genügt jedoch eine verbesserte Erreichbarkeit allein seit den 70er Jahren nicht mehr, um neue Unternehmen in die Region zu locken.

Von den Umweltschäden ganz zu schweigen, die der Bau einer Schnellstraße mit sich bringt: Lärm, Abgase, Vernichtung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen. Eckehard Niemann, Sprecher des Dachverbands „Keine A 39“, hält die Autobahn für „zerstörerischen Nonsens“. Bund und Land Niedersachsen sollten lieber in den bedarfsgerechten – und zudem günstigeren – Ausbau vorhandener Infrastruktur investieren. „Die Gelder, die die A 39 verschlingen würde, müssten in die Sanierung des bestehenden Schienennetzes fließen“, fordert Michael Frömming vom VCD Niedersachsen. „Es kann nicht sein, dass in dem Korridor, in dem die Autobahn entstehen soll, Bahnlinien brach liegen.“ Der Elbeseitenkanal müsse ebenfalls verstärkt für den Güterverkehr genutzt werden. Es sei sinnlos, immer neue Fernstraßen zu bauen. „Die ziehen nur mehr Verkehr an“, sagt Frömming.

Für Angelika Mertens (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, ist die Frage von Sinn und Unsinn der A 39 allerdings längst geklärt. Auf einer Diskussionsveranstaltung in Lüneburg im vergangenen Sommer sagte sie: „Der Bund baut keine Straßen, die das Land nicht braucht.“

Kirsten Lange

Info: www.keine-A39.de
VCD-Niedersachsen, Michael Frömming, www.vcd.org/niedersachsen

 

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