Titel 3/2005

Feinstaub

„Gesünder wären gar keine Autos“

Michal Krzyzanowski ist Leiter des Europäischen Zentrums für Umwelt und Gesundheit der WHO in Bonn. Er fordert eine andere Verkehrsorganisation, in deren Zentrum die Gesundheit des Menschen steht.

 

Foto: Picture-Alliance

Die Großstädte sind klar als
Feinstaub-Hot-Spots zu erkennen.

fairkehr: Seit Anfang des Jahres herrscht in Deutschland die Feinstaub-Angst. Ist die Angst vor gesundheitlichen Schäden berechtigt?
Krzyzanowski: Durchaus. Feinstaub verursacht Erkrankungen der Atemwege, kann die Lungenentwicklung bei Kindern beeinträchtigen und verschlimmert Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zum vorzeitigen Sterben.

fairkehr: Sie haben für Deutschland einen durchschnittlichen Lebenszeitverlust von 10,2 Monaten durch Feinstaub errechnet. Der EU-Durchschnitt liegt bei 8,6 Monaten. Warum ist die Situation in Deutschland schlimmer?
Krzyzanowski: Die gesundheitlichen Wirkungen gehen auf ein komplexes Ursachenbündel zurück. Die Emissionen stammen zum Großteil aus der Industrie und dem Verkehr. Hinzu kommen klimatische und geografische Rahmenbedingungen. Im dicht besiedelten Deutschland fahren viele Autos herum, proportional auch sehr viele ungefilterte Dieselfahrzeuge. Daraus ergeben sich höhere Schadstoffkonzentrationen dort, wo viele Menschen leben.

fairkehr: Welcher Anteil der gefährlichen Feinstäube stammt aus dem Verkehr? Löst der Partikelfilter das Problem?
Krzyzanowski: Ungefähr ein Drittel der Partikelemissionen stammt aus dem Straßenverkehr, in eng bebauten Ballungsräumen kann der Anteil punktuell höher sein. Partikelfilter mindern den Ausstoß am einzelnen Auspuff signifikant. Es wird allerdings Jahre dauern, bis die ganze Lkw- und Pkw-Flotte gefiltert sein wird. In der Zwischenzeit wird ein Teil der Emissionsminderung durch die Verkehrszunahme kompensiert. Auch Sperrungen sorgen nur punktuell für Entspannung, wahrscheinlich um den Preis der Schadstofferhöhung an anderen Stellen.

fairkehr: Ab 2010 wird auch der Stickoxid-Anteil in der Atemluft über einen Grenzwert limitiert. Ist dieser Stoff genauso gefährlich wie Feinstaub?
Krzyzanowski: Vor allem NO2 ist ein ernstzunehmender Schadstoff. Studien belegen auch bei hohen NO2-Konzentrationen Probleme bei der Lungenentwicklung von Kindern. Bei sommerlichen Wetterlagen reagiert Stickoxid mit dem Luftsauerstoff zu Ozon und führt zu den bekannten Atemwegsreizungen.

fairkehr: Gibt es hierfür auch wirksame Filter?
Krzyzanowski: Ja, die gibt es. Und es wäre sehr sinnvoll, nicht auch bei diesem Schadstoff abzuwarten, bis die Grenzwerte in Kraft sind. In weiten Teilen der USA müssen bereits 2007 deutlich schärfere Stickoxidgrenzwerte eingehalten werden. Es gibt also keinen technischen Grund in Europa länger zu warten.

fairkehr: Reichen die in der Luftreinhalterichtlinie festgelegten Grenzwerte aus, um die Gesundheit der Menschen zu schützen?
Krzyzanowski: Aus Sicht der WHO sind diese Grenzwerte ein politischer Kompromiss. Es gibt keinen Wert, unterhalb dessen Feinstaub harmlos wäre. Aus gesundheitlicher Sicht wäre das Ziel Null vom Menschen zusätzlich verursachte Partikelemissionen.

fairkehr: Die bisher diskutierten Maßnahmen reichen also nicht aus?
Krzyzanowski: Es gibt Pläne, mit einem Maßnahmenbündel aus technischen Verbesserungen und politischen Veränderungen in den Bereichen Verkehr, Industrie und Heizung der privaten Haushalte die derzeitigen Emissionen um bis zu 75 Prozent zu reduzieren. All das soll man natürlich tun. Aber, um es noch einmal am Verkehr deutlich zu machen: Gesünder als Dieselautos sind gefilterte Dieselautos, noch gesünder sind gar keine Autos. Wir werden Verkehr anders organisieren müssen – mit mehr Zufußgehen, mit mehr Rad fahren und mehr öffentlichem Verkehr.

Interview: Michael Adler

 

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