Titel 3/2005

Feinstaub

Winzig klein und brandgefährlich

Feinstaub macht krank. Dabei gilt das Motto: Je kleiner die Staubteilchen, desto schlimmer für die Gesundheit. Partikel setzen sich in der Lunge fest und schwächen das Herz-Kreislauf-System. Grund zur Panik besteht aber nicht.

Foto: Marcus Gloger

Jeder Atemzug füllt die Lungen mit einem halben Liter Luft. Durch Nase und Rachen, Luftröhre und Bronchien inhaliert der Mensch 10000 Liter Luft am Tag. Neben den Hauptbestandteilen, Sauerstoff und Stickstoff, gelangt dabei auch jede Menge Dreck in den Körper: Abgase wie Kohlenmonoxid oder Stickoxide, Viren, Bakterien und Staub.

Große Staubflocken, die sich gerne als Wollmäuse unterm Bett verkriechen gehören genauso dazu wie ultrafeine Partikel, die unsichtbar und mit 2,5 Mikrometern kleiner sind als rote Blutkörperchen. Wir filtern ihn aus der Luft wie Staubsauger aber trotzdem verstauben wir nicht von innen. Der Körper hat eigene Filtersysteme und Abwehrmechanismen. In der Nase, vielmehr den Nasenhärchen, bleiben kleine Partikel hängen und landen beim nächsten Niesen im Taschentuch. Aus den Bronchien können wir Partikel aushusten, und die Fresszellen des Immunsystems befördern sie wieder aus der Blutbahn.

Je mehr die Wissenschaftler im Staub wühlen, desto größer und unüberschaubarer wird der Mikrokosmos aus Partikeln unterschiedlichster Größe und Herkunft. Sand, Holz, Metall, Pollen oder Ruß: Feinstaub hat viele Ursprünge und ist besonders tückisch. Er kriecht durch jede Ritze und gelangt bis in die kleinsten Bereiche der Lunge, in die Lungenbläschen. Von dort aus diffundieren einige Teilchen sogar ins Blut und erreichen somit alle Organe. Die Forscher vermuten, dass ultrafeine Partikel über das vegetative Nervensystem direkt auf die Herzgefäße wirken können und Herzrhythmusstörungen verursachen, dass die Partikel die Bildung von Sauerstoffradikalen im Blut erhöhen oder die Leber schädigen – Genaues wissen sie noch nicht. „Wie der ultrafeine Staub im Blut wirkt, ist reine Spekulation. Darüber gibt es noch keine gesicherten Forschungsergebnisse. Aber dass er wirkt ist klar“, erklärt Annette Peters vom GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München.

Feinstaub entsteht vor allem bei Verbrennungsprozessen. Hauptverursacher sind Straßenverkehr, Industrieanlagen und Heizungen in Privathäusern. Zigarettenqualm und brennende Kerzen sorgen für hohe Feinstaubkonzentration in geschlossenen Räumen.

Dass Staub krank machen kann, ist nichts Neues. Die Folgen reichen von Allergien und Atemwegserkrankungen wie Bronchitis über Herz-Kreislauf-Beschwerden bis hin zum Herzinfarkt. „Betroffen ist jeder“, sagt Peters. Ganz besonders stehen die feinen Rußpartikel aus Dieselfahrzeugen in Verruf. Neben Lungenerkrankungen werden sie auch zunehmend für Herzinfarkte verantwortlich gemacht. „Eine Studie in den USA belegt, dass das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken in mit Feinstaub schwer belasteten Gebieten höher ist als in weniger stark belasteten. Dennoch darf man nicht vergessen, dass immer noch das Rauchen für 90 Prozent der Lungenkrebsfälle verantwortlich ist“, erläutert Peters. Aus ihrer Sicht sei das größte gesundheitliche Risiko die Belastung des Herz-Kreislauf-Systems. Studien des Münchner Forschungszentrums haben ergeben: Wer hohen Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt ist, also zum Beispiel in einem Verkehrsstau steckt, dessen Herzinfarktrisiko steigt um das Dreifache. „Für einen gesunden Menschen ist die Gefahr, nach einem Verkehrsstau einen Herzinfarkt zu erleiden, trotzdem gering. Aber für Menschen, die sowieso Herz-Kreislauf-Beschwerden haben, wächst das Risiko beachtlich“, sagt die Staubexpertin. Der Feinstaub, der sich in den Lungen festsetzt, kann kleine Entzündungsherde bilden. Wie bei Allergien läuft das Immunsystem Sturm. Herz und Kreislauf sind stark beansprucht. Feinstaub macht das Blut zähflüssiger und Partikel können sich an den Arterienwänden ablagern und die Adern verstopfen. In beiden Fällen bedeutet das mehr Arbeit fürs Herz und ein höheres Infarktrisiko.

Vitamine essen

Je mehr Feinstaub in der Luft ist, desto größer ist die Gefahr daran zu erkranken. „Aus medizinischer Sicht gibt es keinen Grenzwert für Feinstaub. Das Erkrankungsrisiko steigt linear mit der Anzahl der Partikel in der Luft“, berichtet Peters. Grund zur Panik bestehe trotzdem nicht, da in den letzten 20 Jahren die Feinstaubbelastung deutlich zurück gegangen sei. Aber es sei angebracht, die Feinstaubbelastung im innerstädtischen Bereich möglichst schnell weiter zu reduzieren. Die Einhaltung der derzeitigen EU-Grenzwerte ist ein erster Schritt. Den Partikelfilter für Dieselfahrzeuge hält Peters für eine unbedingt notwendige Maßnahme. „Vor allem weil er die ganze Bandbreite der gesundheitlich relevanten Partikel herausfiltert, selbst die ultrafeinen Partikel gelangen dann nicht mehr in die Atemluft“, erklärt die Forscherin.

Die Europäische Union verspricht sich viel von besserer Luft: Wenn die Grenzwerte eingehalten werden, diene das nicht nur der Gesundheit, sondern es entlaste auch die Kassen. Aktuelle Zahlen der EU-Studie „Clean Air For Europe (CAFE)“ belegen das. Im Jahr 2020 könnten 60 Prozent weniger Atemwegsmedikamente an Kinder ausgegeben werden, Atemwegserkrankungen wie Bronchitis oder Lungenentzündungen würden sich bei Kindern sogar um 70 Prozent verringern. Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg. Die Forscher müssen mehr über die Wirkungsmechanismen des Feinstaubs herausfinden und die Politiker dafür sorgen, dass so wenig wie möglich Staub in die Luft geblasen wird. Der Einzelne kann durchaus etwas tun: Häufiger das Auto stehen lassen, Dieselautos mit Filter ausstatten und neue Diesel gleich mit Filter kaufen. Annette Peters rät: „Viel Fahrrad fahren und Vitamine essen – wer generell gesund lebt, den belastet Feinstaub weniger.“

Valeska Zepp

 

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