Service 3/2005

Fahrtechnik

Übung macht den Biker

Runter von der Straße und ab ins Gelände: Die richtige Technik macht das steile Bergauf und Bergab auf holprigem Untergrund beherrschbar. Bei einem Fahrtechnikseminar lernen Einsteiger und Könner, wie sie Kraft sparen, Sicherheit gewinnen und noch mehr Spaß am Mountainbiken bekommen können.

Foto: MTB Academy

Jetzt nicht bremsen! Geduldig erklären die Trainer immer wieder, worauf es bei den einzelnen Übungen ankommt.

Ein junger Mann fährt vorbei, zieht lässig das Vorderrad hoch und radelt auf dem Hinterrad balancierend weiter. Sein Freund testet mit ein paar Sprüngen die Federung seines Rads. Geschützt durch Integralhelme und massige Schulter- und Rückenprotektoren sind die beiden mit zahlreichen anderen Bikern auf dem Weg zum Sessellift, der sie vom Parkplatz des Bikeparks Geiskopf aus auf die Höhen des Bayerischen Waldes bringen soll.

Auf der unteren Plattform des Parkplatzes, etwas vom Trubel entfernt, übt eine Anfängergruppe der Münchner MTB-Academy die Grundtechniken des Mountainbikens. Immer wieder folgen die Augen der Teilnehmer bewundernd den vorbeiziehenden Könnern. Ob sie nach drei intensiven Trainingstagen auch so auf dem Hinterrad daherradeln können? Trainer Philipp Foltz winkt ab: „Das ist nur zum Angeben vor der Eisdiele“, sagt er, „ohne Bedeutung für die Sicherheit. Darum üben wir das hier nicht.“

Größtmöglichen Spaß bei größtmöglicher Sicherheit: Stefan Herrmann, dem Gründer und Leiter der Münchner MTB-Academy ist das ein besonderes Anliegen. „Viele Mountainbiker denken, ich habe einen großen Helm und viel Federweg, was brauche ich da eine Fahrtechnik-Schulung“, sagt der Extremsportler, der selbst viele Jahre lang Profirennen gefahren ist und die Risiken kennt.

Rad fahren neu lernen

Wie gefährlich diese Einstellung ist, weiß einer der Teilnehmer aus eigener Erfahrung. Nach einem schweren Sturz mit mehreren Brüchen und schweren Prellungen musste er ein ganzes Jahr pausieren, bis er sich wieder aufs Rad wagte. „Dann habe ich diesen Kurs gebucht, damit mir sowas nicht nochmal passiert“, erzählt der Familienvater, der trotz langer Vorerfahrung sicherheitshalber erst einmal bei der Einsteigergruppe mitfährt. Die vier Männer und fünf Frauen zwischen 20 und 50 stehen im Kreis um den Trainer herum und warten auf Anweisung. „Das Rad kennen lernen, ein besseres Gleichgewichtsgefühl bekommen und ein paar grundlegende Techniken einüben“, sind laut Philipp Foltz die Ziele des ersten Tages. Das klingt überschaubar. Geübt wird auf den riesigen Parkflächen am Fuße des Geiskopfes. Der Berg und die breitschultrigen Space Invader rücken in den Hintergrund. Die Aufregung legt sich. Konzentriert geht es an die ersten Aufgaben.

Es ist nicht ganz wie Fahrrad fahren lernen, aber so ähnlich. Zuerst kommt einmal der Sattel aus dem Weg. Er wird so tief gestellt, dass das Rad sich im Sitzen fährt wie ein Kinderrad. „Wir brauchen keinen Sattel, wir machen alles im Stehen“, erklärt Philipp. Kleine Gänge? Braucht man auch nicht. „Wenn wir im Stehen fahren, haben wir in einem zu kleinen Gang nicht genug Widerstand, um das Fahrrad kontrollieren zu können“, sagt der Trainer und macht erst einmal die Grundhaltung vor. Er holt Schwung, stellt sich in die Pedale und zeigt, wie das Gewicht über dem Rad verteilt sein soll. Das sieht schon mal gut aus und dürfte nicht allzu schwer nachzumachen sein.

Aber der Teufel steckt im Detail. Einer nach dem anderen fährt in dem, was er für die Grundhaltung hält, am Trainer vorbei. „Gewicht weiter nach vorn, halte die Pedale parallel, Ellenbogen mehr nach außen, Po nicht so weit nach hinten, Beine durchstrecken, Finger an die Bremse …“ Aber es bleibt schwer, an alles gleichzeitig zu denken. „Wir haben noch viel Zeit zum Üben“, tröstet Philipp und zeigt bei der nächsten Übung, dass wir die garantiert auch brauchen werden. Es geht um das Spiel mit dem Gleichgewicht. Zuerst darf man sich noch an einen Baum anlehnen. Dann wird ohne Abstützen weitergeübt. Philipp führt vor: Er fährt an, stellt sich in die Pedale, bremst bis zum Stillstand herunter, schlägt den Lenker leicht ein – und steht. Da wackelt nichts.

Foto: MTB Academy

Das sieht doch schon gut aus! Trainer Philipp analysiert mit der Einsteigergruppe per Videoaufnahme die ersten Erfolge.

 

Philipp zeichnet ein vier mal vier Meter großes Quadrat auf den staubigen Grund des Parkplatzes. „Das ist euer Spielfeld. Versucht mal, euch alle darin zu bewegen, ohne abzusteigen“, ruft er seiner Gruppe zu. Während die neun beim Üben immer wieder aus den Pedalen kippen, erklärt er, warum ein gutes Gleichgewicht auch bei minimalster Geschwindigkeit so wichtig ist: „Je langsamer ihr fahren könnt, umso mehr Zeit habt ihr, Hindernisse wahrzunehmen und den besten Weg zu suchen.“

Auf der nächsthöheren Stufe des Parkplatzes beschäftigen sich die fortgeschritteneren Kursteilnehmer mit ähnlichen Aufgaben. Schwerelos und unangestrengt wirkt es, wenn sie sich aufs Vorder- oder Hinterrad stellen, dabei die Richtung wechseln, kleine Sprünge machen oder bewegungslos stehen bleiben. „Wir üben anfangs immer mit allen Teilnehmern die Grundtechniken: richtige Haltung, Kurvenfahren, Bremsen und so weiter“, erklärt Academy-Gründer Stefan Herrmann die Trockenübungen. „Wer schnell den Berg runterfahren kann, muss kein guter Fahrer sein. Wenn er schon am Limit fährt, kann er Fehler nicht korrigieren. Dann kommt es zum Unfall.“

Mit Mofa am Nürburgring

Dieses sorgfältige und fundierte Vorbereiten bringt dem erfahrenen Sportlehrer die richtige Kundschaft: „Wir haben angenehme Kunden, Menschen, die sich bewusst sind, dass sie Fehler machen, die an sich arbeiten wollen und sich auch etwas zeigen lassen.“

Während die Fortgeschrittenen schon mal ins BMX-Gelände wechseln, üben die Einsteiger den „Bunny hop“. Eine Pfütze dient als Hindernis. Erst soll das vordere, dann das hintere Rad mit leichtem Anheben darübergelupft werden. „So kommt man über Hindernisse, ohne durchs Hängenbleiben Kraft zu verlieren“, erklärt Philipp.

Am zweiten Tag geht es auf den Berg. Am Lift hat sich eine Schlange gebildet. So muss sich ein Mofafahrer auf dem Nürburgring fühlen: Zwischen den behelmten und protektorenbewehrten Space Invadern mit ihren Spezialgefährten kommt sich der Alltagsradler klein und verletzlich vor. Hier im Bikepark trainieren die, die sonst in keinem Wald gerne gesehen sind: zum Beispiel die Downhill-Spezialisten, die sich mit Höchstgeschwindigkeit steile Hänge hinunterstürzen. Ein Helfer befestigt die Räder am Liftsessel, und Fahrer und Rad schweben nach oben, dem Bikepark entgegen.

Oben verzweigen sich die Wege: Die Downhill-Freaks verschwinden rechts im Gebüsch. Links beginnt die einfachere Strecke für die Freerider. Kein Stein, keine Stufe, kein Schotterstück, an dem man nicht üben könnte. Nach und nach wird das Gelände berechenbarer: Steilstücke wirken weniger bedrohlich, Kurven weniger steil. Und wenn es dann gelingt, das Vorderrad lässig über einen im Wege liegenden Stein zu heben, reicht das als Erfolgserlebnis allemal – auch wenn das Hinterrad immer noch am Hindernis hängen bleibt.

Regine Gwinner

Mehr Infos zur MTB-Academy und die Termine der nächsten Bikecamps unter www.mtb-academy.de oder bei Stefan Herrmann, Tel.: (089) 74997128.

 

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