Politik 3/2005Neues aus SkandinavienVom Drahtesel zum GoldeselRadfahren ist gesund. Neue Studien zeigen, wie eine bessere Volksgesundheit durch mehr Fahrradfahrer auch in Kosten-Nutzen-Analysen beim Ausbau von Verkehrsinfrastruktur positiv zu Buche schlägt. Norwegen zieht daraus die Konsequenzen und investiert 300 Millionen Euro in den Radverkehr.
In allen europäischen Ländern nimmt sowohl der Flug- als auch der Straßenverkehr von Jahr zu Jahr zu. Der motorisierte Verkehr ist stärker als je zuvor. Gleichzeitig erweist sich die körperliche Untätigkeit der Europäer als wachsender Risikofaktor für die menschliche Gesundheit. Der moderne Lebensstil – dominiert durch im Sitzen ausgeführte Tätigkeiten am Computer, beim Autofahren und Fernsehen – erhöht das Risiko für unterschiedlichste Krankheiten. Radfahren dagegen sorgt auf ideale Weise für körperliche Fitness und mehr Gesundheit und lässt sich einfach in den modernen Lebensstil integrieren. Radfahren ist Geld wertNeuere Studien aus Skandinavien zeigen, dass sich die positiven Gesundheitseffekte des Radfahrens auch quantifizieren lassen. Nach einer sorgfältigen Schätzung bringt Radfahren einen Netto-Gesundheitsnutzen von 0,15 Euro pro Kilometer. Ein finnisches Verkehrsplanungshandbuch beziffert den Gesundheitszuwachs durch jeden neuen Fahrradnutzer mit 1200 Euro pro Jahr. Erstmals wird hier der Gesundheitsnutzen des Radfahrens in eine offizielle Veröffentlichung von Kosten-Nutzen-Analysen für Verkehrsprojekte einbezogen. Fahren nach einem erfolgreich umgesetzten Radverkehrsprojekt mehr Menschen mit dem Fahrrad, kann die nachgewiesene Verbesserung der Gesundheit der Teilnehmer als Positiveffekt dem Nutzen des Projektes zugerechnet werden. Die finnische Bewertung stützt ihre Berechnungen auf eine norwegische Kosten-Nutzen-Analyse. Drei Städte in Norwegen hatten sie nach der Errichtung von Rad- und Gehwegen in ihren Kommunen durchgeführt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die analysierten Projekte ein deutlich besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen als herkömmliche Straßenbauprojekte. Diese Ergebnisse nutzten die Norweger als wichtigstes Argument und Grundlage eines wegweisenden Fahrradplans. Dieser ist integraler Bestandteil des Norwegischen Verkehrplans für die Dekade 2006 bis 2015. Demnach plant die Regierung, in den nächsten zehn Jahren mehr als 300 Millionen Euro in Fahrradinfrastruktur zu investieren – nicht wenig für ein Land mit nur 4,6 Millionen Einwohnern.
Doch nicht nur neue Radverkehrsinfrastruktur fördert die Fahrradnutzung. Die Erfahrung vieler Städte zeigt, dass Radfahren einfacher und sicherer wird, sobald sich Geschwindigkeit und Aufkommen des Pkw-Verkehrs verringern. Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sind daher oft eine preiswerte Alternative zum Ausbau neuer Radwege. Das Risiko für Fahrradfahrer, im Straßenverkehr zu verunglücken, nimmt ab, sobald in einer Stadt der Radverkehr zunimmt. Einige Städte weisen sogar einen merklichen Anstieg des Radverkehrs bei gleichzeitigem Rückgang der Anzahl der Verletzten auf. Kampagnen haben ErfolgDie dänische Stadt Odense (185000 Einwohner) hat mit einem Vier-Jahres-Projekt einen Anstieg des Radverkehrs um 20 Prozent erreicht. Die zentralen Maßnahmen waren Informations- und Werbekampagnen zum Thema Radfahren: Eltern konnten Fahrradanhänger testen, um ihre Kinder damit in den Kindergarten zu bringen, Schulkinder lernten, ihre Wege mit dem Rad zurückzulegen, Kampagnen zum Thema „Mit dem Rad zur Arbeit“ wurden initiiert, Radfestivals gefeiert, hochwertige Fahrradabstellanlagen aufgestelllt und Ampelschaltungen auf die Bedürfnisse von Radfahrern abgestimmt. Bei der Auswertung des vierjährigen Projektes stellte Odense fest, dass sich die durchgeführten Maßnahmen alleine über die Einsparungen der Stadt aufgrund verringerter Krankenstände finanziert hatten. Nicht zuletzt ist für die Fahrradnutzung förderlich, dass der Autoverkehr die Städte in zunehmendem Maße verstopft. Wer viel unterwegs ist, lernt beim Fahrradfahren, wie viel schneller Radfahrer am Ziel sind. Neben Maßnahmen zur Gesundheitsförderung wird dies in vielen Strategiepapieren als Grund zur Förderung des Radverkehrs genannt – und ist vermutlich einer der maßgeblichen Gründe dafür, dass immer mehr Menschen das Fahrrad tatsächlich zur Fortbewegung in den Städten verwenden. Thomas Krag Der Autor ist Verkehrsberater, lebt in
Kopenhagen, und beschäftigt sich seit 1975 mit dem Thema
Fahrradförderung.
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