Editorial 2/05
 

…koste es, was es wolle

 
Michael Adler
Foto: www.marcusgloger.de    

Fahrverbote, City-Maut, Straßensperrungen – den gemeinen deutschen Politiker schaudert bei diesen Worten. Seit dem 1. Januar 2005 werden diese Folterinstrumente für den Autofahrer als reale Politikoptionen gehandelt. Grund: Die neu geltenden Grenzwerte für Atemluft können sonst nicht eingehalten werden. Nur an 35 Tagen im Jahr darf der Grenzwert von 50 Mikrogramm krankmachendem Feinstaub pro Kubikmeter Luft überschritten werden. München hatte Mitte März bereits 34 Tage erreicht. Ende 2005 werden über 100 deutsche Städte gegen die EU-Luftreinhalterichtlinie verstoßen haben. Hektische Betriebsamkeit setzt deshalb in Deutschlands Rathäusern ein.
Allein, es fehlt der Plan. Obwohl die Grenzwerte seit 1999 feststehen, hat sich gerade mal eine Handvoll Kommunen mit Luftreinhalteplänen beschäftigt. Chancen, die Luft zu verbessern, wurden meist vertan. Zu teuer, nicht bewiesen, brauchen wir nicht. Man kennt die Abwehrfloskeln. Bisher sparen wir Ausgaben, koste es, was es wolle. Die Blockierer von gestern lernen nicht dazu. Einziger Konsens: Verkehrsbeschränkungen sind des Teufels. Ein unermesslicher wirtschaftlicher Schaden sei die Folge. Mit Verlaub: Welcher Schaden entsteht durch 65000 Tote pro Jahr, die die Europäische Union den Luftschadstoffen allein in Deutschland zuschreibt?

Um es gleich zu sagen: Mit dem Rußfilter allein ist es nicht getan. Brüssel regelt auch die Grenzwerte für Stickoxide und setzt der Lärmbelastung der Bürger Grenzen. Langzeitstudien haben bewiesen, dass hohe Stickoxidkonzentrationen das Lungenwachstum von Kindern behindern. Der Stickoxidgrenzwert kommt aber erst 2010. Koste es, was es wolle. Außerdem trat am 16. Februar das Kyoto-Protokoll in Kraft. 141 Länder erklären sich darin bereit, die CO2-Emissionen weltweit zu reduzieren. China hat im letzten Herbst einen ab 2008 gültigen CO2-Grenzwert für Pkw festgelegt, den der Großteil der deutschen Autotypen nicht schafft. Ist der menschliche Einfluss auf das Klima eigentlich bewiesen? Warten wir noch ab, koste es, was es wolle.
Und was tun die Spitzen der deutschen Politik beim sogenannten Jobgipfel? Sie greifen zu einem ganz alten Hut. Ein Zwei- Milliarden- Verkehrsprojekte- Beschleunigungsprogramm soll Arbeit schaffen. Beton-Verkehrsminister Stolpe will Autobahnen bauen und so 30000 Arbeitsplätze pro Milliarde Euro sichern. Hier wird sinnlos Geld ausgegeben. Koste es, was es wolle.
Ein zukunftsgerichtetes Reformprojekt sähe anders aus. Würde das Geld für bessere Luft, weniger Lärm und CO2 in den Kommunen ausgegeben, könnten 2000 Städte je eine Million Euro erhalten und müssten damit je 30 Arbeitsplätze sichern. Ein realistisches Ziel mit nachhaltigen Effekten in Sachen Gesundheit, Umweltschutz und regionaler Wirtschaftsförderung.
Soll keiner in fünf Jahren behaupten, er hätte von allem nichts gewusst. Die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Politik liegen auf dem Tisch. Der VCD vertritt diese Politik seit bald 20 Jahren.

Michael Adler

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