Zahlenspiel 1/2005

Externe Kosten

Sechs Milliarden Euro in Sachsen

Die externen Kosten des Verkehrs werden oft thematisiert und selten präzise errechnet. Udo Becker, Professor für Verkehrsökologie an der Uni Dresden, hat für Sachsen einen genauen Atlas der Kostenverteilung erstellt. Ergebnis: Jeder Sachse vom Säugling bis zum Greis müsste 1500 Euro pro Jahr zahlen.

Schülerticket
Foto: Volker Lannert
36 Prozent der externen Kosten entstehen durch Unfälle.

 

Trotz Mineralölsteuer, Kfz-Steuer und steigender Bahnpreise – die Verkehrsteilnehmer tragen keineswegs alle Kosten, die sie durch Herumfahren verursachen. Deshalb fahren viele zu viel herum. „Unser Verkehrsverhalten könnte besser gesteuert werden“, sagt Udo Becker. „Die Krankenkassenbeiträge könnten sinken, wenn die Kraftstoffpreise steigen würden.“ Wenn Sprit teurer wäre, würden viele Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigt. Das sei an sich schon gesünder. Außerdem würde damit die Unfallgefahr deutlich sinken und die Luft- und Klimabelastung spürbar reduziert. „Es geht darum, dass derjenige für Schäden aufkommt, der sie auch verursacht, nicht die Allgemeinheit“, formuliert Becker das Ziel.

Die Mitarbeiter seines Lehrstuhls haben diese Kosten für den Freistaat Sachsen wissenschaftlich exakt ermittelt. Nach der Studie verursachte der Verkehr im Jahr 2001 insgesamt rund 6,5 Milliarden Euro externe Kosten. Zu dieser stattlichen Summe trägt statistisch gesehen jeder sächsiche Bürger jedes Jahr mit 1500 Euro bei. Bei Radfahrern und Fußgängern fallen allerdings fast keine ungedeckten Kosten an, beim Öffentlichen Verkehr machen Sie wenige Prozentpunkte aus, und der Löwenanteil liegt bei den externen Kosten des Straßenverkehrs.

Einen Teil dieser Kosten müssen alle schon heute bezahlen über höhere Krankenkassenbeiträge, höhere Versicherungsprämien oder höhere Steuern.

Mit knapp 2,5 Milliarden Euro sind die Unfallkosten der größte Posten. Die Bundesanstalt für Straßenwesen errechnet jedes Jahr die Folgekosten von Verletzungen und Todesfällen. Im Jahr 2001 hatte Sachsen 409 Tote, 6232 Schwer- und 17896 Leichtverletzte zu beklagen. Dieser Verlust – im volkswirtschaftlichen wie im menschlichen Sinne – geht zu 100 Prozent zu Lasten des Autoverkehrs. Die anderen Verkehrsträger fallen hier nicht ins Gewicht.

Der zweitwichtigste Posten sind die Kosten der Luftverschmutzung – zusammen gut 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Stickoxide in der sächsischen Luft stammen zur Hälfte aus Automotoren. Dieser Schadstoff bildet im Sommer zusammen mit dem Luftsauerstoff das Reizgas Ozon, und schädigt als Mitverursacher des sauren Regens die Natur. Außerdem sorgt der Autoverkehr für hohe Feinstaubkonzentrationen in der Atemluft. Partikel sind verantwortlich für eine ganze Reihe von Krebs- und Atemwegserkrankungen. Experten schätzen, dass in Deutschland pro Jahr weit über 10000 Menschen an den Folgen der Partikel sterben. Für die Schäden an der menschlichen Gesundheit wurden die medizinischen Behandlungskosten angesetzt. Ebenfalls nach dem Schadenskostenansatz berechnet wurden: Schneller alternde Gebäude, Ertragseinbußen in der Landwirtschaft und Waldschäden.

Mit rund 1,2 Milliarden Euro rangieren die Klimakosten auf Platz drei der externen Kostenträger. Die Klimaprognosen für Sachsen ergeben für das Jahr 2050 eine um drei Grad höhere Durchschnittstemperatur, im Frühling und Sommer eine deutlich längere Sonnenscheindauer und spürbar weniger Niederschläge. CO2 ist der Hauptverursacher menschengemachter Klimaveränderungen. „Wir haben hier die Kosten angesetzt, die zur Vermeidung der CO2-Emissionen aufgebracht werden müssten“, erklärt Becker die Berechnung. Das sei im Zweifel weniger, als tatsächlich gerechtfertigt wäre. „Wie der menschliche Faktor das Klima beeinflusst, lässt sich in seinen Extremen noch gar nicht erfassen“, gibt der Verkehrsökologe zu bedenken. Die Schäden beim Oder-Hochwasser im Jahr 2002 seien um ein Vielfaches höher gewesen. Szenarien der Rückversicherungen belegten jedenfalls eine erhebliche Zunahme extremer Wetterphänomene.

Den Königsweg zur Internalisierung der externen Kosten gibt es nicht. „Wir machen den Fehler, immer über Teillösungen zu streiten“, sagt Becker. „Dürfen Parkplätze teurer werden? Ist eine City-Maut wie in London unsozial? Hat eine CO2-Abgabe überhaupt eine Realisierungschance? Wir werden all diese Maßnahmen brauchen, um dem Verkehr gerecht seine wahren Kosten anzulasten.“

Michael Adler

Weitere Infos:
www.verkehrsoekologie.de

 

zurück zum Inhalt