Titel 1/2005

Steuerpolitik

Umsteuern

Der VCD unterstützt die Forderung nach einer Reform der Grundsteuer für eine nachhaltige Verkehrs- und Siedlungspolitik.

foto: www.marcusgloger.de

Wenn die Gemeinde neue Siedlungsflächen auf der grünen Wiese zu günstigen Preisen ausweist, erhöht sich damit zwangläufig der Pendlerverkehr Richtung Innenstadt.

Spätestens wenn das zweite Kind unterwegs ist und die Innenstadtwohnung aus allen Nähten platzt, träumt die deutsche Familie vom Eigenheim. Seit Jahrzehnten fördert der Staat den Hausbau mit Steuererleichterungen, Subventionen und Straßenbau. Wer eng kalkuliert und allein nach Preis entscheidet, baut am günstigsten am Rand der Stadtregion: Hier sind nicht nur die Grundstückspreise niedriger, auch die Grunderwerbssteuer ist nicht teurer als in der Innenstadt.

Die Kosten für die autogerechte Erschließung des Neubaugebietes, für Versorgungsleitungen, das Abwassersystem und den öffentichen Nahverkehr, die weit über den Erschließungsbeitrag hinausreichen, den die Hauseigentümer selbst aufbringen müssen, tragen Kommune, Kreis, Land und alle Verbraucher. Der Staat subventioniert die weiten Arbeitswege durch die Kilometerpauschale. Diese Politik hat mit enormem finanziellen Einsatz Erbauer von Eigenheimen in die Peripherien der Städte gelockt und die Zersiedlung der Landschaft dadurch immer weiter vorangetrieben. Dieser Trend hat sich nur wenig abgeschwächt, obwohl zunehmend in Innenstädten Brachflächen zur Verfügung stehen.

Um diesem Kreislauf weiterer Zersiedlung zu durchbrechen fordert Dieter Apel, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des VCD, die eingeführte ökologische Steuerreform weiterzuführen und weiterzuentwickeln. Der Staat müsse den Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen stufenweise mit angemessenen, ökologisch wahren Preisen versehen und im Gegenzug die Lohnnebenkosten senken.

Als erste Notbremse schlägt der ehemalige Stadt- und Verkehrsplaner beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) eine Änderung der Grunderwerbssteuer vor. Diese Steuer sollte beim Erwerb von Immobilien im Innenstadtbereich oder bei der Bebauung von Brachflächen im Siedlungsbestand wegfallen, die Inanspruchnahme neuer Siedlungsflächen auf der grünen Wiese müsste dagegen mit einer höheren, auf die Grundstücksgröße bemessene Abgabe belegt werden. Eine solche Flächenverbrauchssteuer wäre geeignet, die hohen Kosten der Erschließung wenigstens teilweise den Verursachern anzulasten und den Drang zu billigem Bauland an der Rändern der Städte abzuschwächen.

Weite Wege, hohe Kosten:
Die Bürger zahlen die Zeche.

Nach Apels Berechnungen sind die volkswirtschaftichen Kosten für die technische Siedlungsinfrastruktur wie Straßen, Schienen, Wege und Versorgungsleitungen in den locker bebauten Vororten drei- bis viermal so hoch wie im Inneren der Stadt, wo die Wege kurz sind und die Menschen sich bevorzugt zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen. Die Kosten für den ÖPNV sind in der urbanen Lage nur halb so teuer wie eine Versorgung des ansonsten autoorientierten Umlandes.

„In Zeiten knapper Kassen und sinkender staatlicher Zuschüsse für den ÖPNV muss eine öko-soziale Gemeinde-Finanzreform hohe politische Dringlichkeit haben“, sagt Dieter Apel. Als positives Steuerungsinstrument nennt der Verkehrsplaner desweitern die Reform der Grundsteuer. Diese sollte sich nach der Größe des Grundstücks berechnen und neu zu bestimmende Bodenrichtwerte, die z.T. bereits vorliegen, zugrunde legen: Einfamilienhausbewohner auf großen Grundstücken im Stadtumland zahlten dann mehr als Hausbewohner in der dichtbebauten Innenstadt. Apel fordert, die Grundsteuer zu einer leistungsfähigen originären Kommunalsteuer zu gestalten, wie es in den meisten europäischen Ländern der Fall sei. Mehreinnahmen könnten zur Mitfinanzierug des ÖPNV herangezogen werden und Einbußen an Lohn- und Einkommenssteuern eventuell ausgleichen. Untersuchungen des Difu haben laut Apel ergeben, dass selbst bei einer Verdopplung des Gesamtaufkommens Bewohner von Mietwohnungen in der Stadt, auf deren Miete die Grundsteuer umgelegt werden darf, nicht stärker belastet würden als heute. Eine solche bodenflächen- und bodenwertbezogene Grundsteuer wäre deshalb nicht nur ökologisch richtig sondern auch sozial verträglich.

Das bestehende Finanzsystem in Deutschland führt zu ökologisch bedenklichen Fehlsteuerungen in der Verkehrs- und Siedlungspolitik. Der VCD unterstützt deshalb ausdrücklich die von Dieter Apel und dem wissenschaflichen Beirat vorgeschlagenen Veränderungen bei der Grunderwerb- und der Grundsteuer. Außerdem plädiert der VCD für die Abschaffung der bisher nicht an einen Standort gebundenen Eigenheimzulage und für die ersatzlose Abschaffung der Entfernungspauschale.

In seiner politischen Arbeit und mit vielen seiner Kampagnen setzt sich der VCD für eine Verbessserung der Lebensbedingungen von Menschen in der Stadt ein. Würden die Städte den Autoverkehr zähmen, wirksame Verkehrsberuhigung durchführen und damit das Wohnumfeld von Kindern verbessern, kämen viele junge Familien vielleicht gar nicht erst auf die Idee, von der Stadt und ihren kurzen Wegen Abschied zu nehmen und sich auf die grüne Wiese verbannen zu lassen.

Uta Linnert

 

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