Titel 1/2005

Verschwendung bei Verkehrsprojekten

Toll Collect ist überall

In seinem Film „Planlos in die Zukunft“ zeigt Autor Günter Ederer­ deutlich, wie kurzfristig bei der Planung milliardenschwerer Verkehrsprojekte gedacht wird.

Foto: www.marcusglogler.de

Das muss man sich leisten können: viel investieren ohne Gesamt­konzept.

Einzelinteressen, Männerfreundschaften und ein gehöriges Maß an Realtiätsverlust bestimmen das Milliardengeschäft mit dem Verkehr in Deutschland. Mit Toll Collect und dem kostspieligen Versagen bei der Einführung der Lkw-Maut hat die Öffentlichkeit erstmals einen Eindruck davon bekommen, wie locker dem Staat der Euro für Prestigeprojekte sitzt und wie unbesorgt er mit deren Scheitern umgeht.

„Toll Collect ist überall“, lautet die These des Journalisten und Filmautors Günter Ederer. Sein Film „Planlos in die Zukunft”, zeigt, wie riesige Milliardenprojekte im Verkehrsbereich entschieden und umgesetzt werden. Zum Beispiel der geplante Großflughafen für Berlin, Schönefeld-Süd: Obwohl alle in Auftrag gegebenen Gutachten zum Ergebnis kamen, der Standort Schönefeld sei für die Einrichtung eines Großflughafens nicht geeignet, hält die Landesregierung von Brandenburg an dem Projekt fest. Den ehemaligen russischen Militärflughafen Sperenberg, der 30 Kilometer von Berlin entfernt mitten in einem großen Waldgebiet liegt und den fast alle Gutachter für optimal hielten, ignoriert die Landesregierung. Da auf dem riesigen ehemaligen Sperrgebiet keine Ortschaften liegen, wäre kaum ein Mensch vom Fluglärm betroffen. Das Areal ist bereits in öffentlicher Hand. Ankäufe und Umsiedlungen gäbe es keine. Ederers Fazit: Die Nähe zum Politikerbüro hat bei dieser Milliardenentscheidung eine größere Rolle gespielt als Kosten oder der Schutz der Bevölkerung.

Auch die DB AG, die zu 100 Prozent in der Hand des Bundes ist, kommt im Film nicht gut weg. Ederer hinterfragt den Sinn der deutschen Hochgeschwindigkeitsstrecken, die weltweit nicht den Geschwindigkeits-, sondern den Kostenrekord halten. Während die Franzosen, um schnellere Verbindungszeiten zwischen ihren Großstädten zu erreichen, konsequent schnelle Non-Stopp-Strecken für den Personenverkehr bauten, stückeln die deutschen Bahner Alt- an Neustrecken, bauen politisch motivierte Regionalbahnhöfe ein und minimieren damit die Durchschnittsgeschwindigkeit. Frankfurt–Köln, für 300 km/h-Züge gebaut, kommt dank der zahlreichen Haltepunkte im Schnitt nur auf 140 km/h.

Ein besonderes Trauerspiel sind die bayerischen Hochgeschwindigkeitstrassen von Nürnberg nach München und von Nürnberg nach Erfurt. Nur politische Interessen können laut Ederer so viel Fehlplanung erklären. Für 3,25 Milliarden Euro erkaufte die Bahn auf der 2006 fertig werdenden Strecke von Nürnberg nach München eine Beschleunigung von wenigen Minuten. Ob die Strecke von Nürnberg nach Erfurt durch den Thüringer Wald jemals fertig wird, steht noch in den Sternen. 500 Millionen sind zwar schon verbaut, aber das reichte bisher nur von Nürnberg bis ins Ilmtal. Dort enden imposante Brückenbauten zur Zeit im Nichts. Weiterbau wegen Geldmangels unbestimmt. Voraussichtliche Fertigstellung der Strecke: 2030.

Insg. 20 Mio Euro/Kilometer, die teuerste denkbare Bauvariante für Güter- und Personenzüge, die sich in den Tunnels aber nicht begegnen dürfen – aus Sicherheitsgründen.

Das Video „Planlos in die Zukunft“ von Günter Ederer ist erhältlich beim Hessischen­ Rundfunk unter Tel.: (0180) 5008600, www.hr-video.de

 

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