Reise 1/2005

Camping ohne Auto

Eine Liebe fürs Leben

Ein kleiner Campingplatz im Hinterland der ligurischen Küste hat sein Stammpublikum gefunden. Von hier aus kann man die Dörfchen der „Cinque Terre“ mit dem Zug erreichen oder auf der „Via dell‘amore“ die wunderschöne Küste erwandern.

Fotos: Fred Mario Sutterer

„Die Brötchen sind da, steht endlich auf“, versucht ein kleiner Junge mit Gipsarm seine Eltern aus dem Zelt zu locken. Er bedient sich schon mal selbst aus der großen weißen Papiertüte und hüpft kauend davon. Auf jeder Terrasse des Olivenhains stehen ein bis zwei Kuppelzelte. Vor allen Zelten liegen die weißen Papiertüten mit frischen Brötchen vom Bäcker im Ort. Christiane Baldini, die den kleinen Campingplatz im Olivenhain mit ihrem Mann Bruno betreibt, war früh unterwegs. Während der Hauptsaison, wenn genügend Gäste da sind, holt sie Brötchen für alle und verteilt auf Wunsch auch die frisch gelegten Eier ihrer Hühner.

Noch steht die Sonne tief, aber der Himmel ist strahlend blau. Wenn die Eltern nicht langsam wach werden, wird es heute keine lange Wanderung in die Berge geben; dafür vielleicht einen Ausflug ans Meer. Der Junge geht zu dem kleinen Hühnergehege und füttert die Tiere mit Brötchenstücken.
Agriturismo-Betriebe heißen die familiären Oasen in Italien, die landwirtschaftliche und touristische Aktivitäten miteinander verbinden. Meist sind es Bauernhöfe, die im Nebenerwerb Zimmer vermieten oder ein Stück Land für zeltende Gäste zur Verfügung stellen. Bei Baldinis war die Entwicklung umgekehrt. Christiane, die Deutsche, die für ein paar Semester nach Milano gekommen war, und Bruno, der in der Region aufgewachsen ist, hatten erkannt, was der Region Cinque Terre an der ligurischen Küste fehlte: ein kleiner, naturbelassener Campingplatz für Naturliebhaber, Wanderer und Familien. So pachteten die Baldinis einen Olivenhain inklusive Wohnhaus. Das Wohnhaus unterteilten sie in drei Wohnungen, von denen sie eine mit ihren beiden Töchtern bewohnen und die anderen beiden an Gäste vermieten.

Zelten unter schattenspendenden Olievenbäumen: Auf den schmalen Terassen findet jeder seinen Lieblingsplatz

Dass sie Oliven ernten, Hühner halten, Obst und Gemüse anbauen und den Gästen Wein und Honig aus der Region anbieten, hat sich nach und nach ergeben. Viele Gäste kommen inzwischen immer wieder. Einmal hatte Christiane Baldini eine Kleinanzeige in der fairkehr. Urlaub ohne Auto in Cinque Terre war das Stichwort. „Das war kurz vor den Pfingstferien“, erinnert sich die Unternehmerin. „Pfingsten hatten wir hier lauter VCD-Mitglieder.”

Der Platz, der sich in Stufen den Hang hinaufzieht, hat nur Zeltplätze, keine Stellplätze für Wohnmobile. Da er außerdem am Ende einer kleinen Straße liegt, fahren hier keine Autos. Dass der Platz ideal für einen Campingurlaub ohne Auto ist, verdankt er vor allem dem guten Service. Wer sich rechtzeitig ankündigt, wird vom Bahnhof abgeholt. Was immer Haus und Hof hergeben, steht den Gästen leihweise oder zum Kauf zur Verfügung. Mineralwasser gibt es auf dem Platz zu kaufen. Der Supermarkt unten im Ort liefert bis vors Zelt, und nicht einmal das Zelt muss man mitbringen. Mehrere Haus-. und Kuppelzelte stehen für die bereit, die mit der Bahn anreisen. „Ich war vorher noch nie campen und wollte das eigentlich auch nicht“, erzählt eine Urlauberin. „Aber die Wohnungen waren die ganzen Ferien über belegt.“ Nach einer Woche im voll ausgestatteten Hauszelt fiel ihr der Umzug in die Ferienwohnung schwerer als gedacht. Im darauffolgenden Jahr buchte sie gleich das Zelt.

Alles unter der Sonne

Schöner als im Küstengetümmel ist es oben auf dem ruhigen Zeltplatz mit Blick aufs Meer. Auf der Terasse vor dem Haus treffen sich die Gäste auf ein Glas Wein.

Kochen, lesen, spielen, Wein trinken – alles unter freiem Himmel. Da fällt es leicht, mit den anderen Urlaubern in Kontakt zu kommen. Beim gemeinsamen Frühstück oder einem Glas Wein tauschen die Gäste Reiseführer und Wanderkarten, Ausflugs- und Restauranttipps.

Eine Viertelstunde ist es zu Fuß bis hinunter nach Moneglia, wo die meisten Restaurants und Läden zu finden sind. Ein schmaler Pfad führt durch den Gemüsegarten der Baldinis und dann an einem Bach entlang hinunter in die Altstadt. Es ist schon Mittag, als sich der kleine Junge mit seinen Eltern auf den Weg zum Strand macht. Wahrscheinlich werden sie im Schatten der großen Platanen auf der Strandpromenade erst einmal Fanta und Capuccino trinken und dann, wenn die Sonne tiefer steht, eine riesige Sandburg bauen.

Regine Gwinner

 

Cinque Terre

Moneglia liegt an der Bahnstrecke von La Spezia nach Genua, die direkt an der Küste verläuft und die berühmten fünf Fischerorte der Cinque Terre miteinander verbindet. Der Ort ist ideal als Ausgangspunkt für Wanderungen auf dem Cinque-Terre-Küstenwanderweg oder für Wanderungen im gebirgigen Hinterland. Er ist in ein dichtes Busnetz eingebunden, über das man schöne und – selbst zur Hochsaison – einsame Wanderwege in der ganzen Region erreicht. Außerdem bieten sich zahlreiche italienische Städte zwischen Pisa und Genua für einen Tagesausflug mit der Bahn an.

 

Den umfassenden Bahn- und Busfahrplan gibt es im lokalen Tourismusbüro.

Wer nicht nur wandern, sondern auch baden möchte, findet in Moneglia einen langen Sandstrand, der allerdings in den Ferienmonaten Juli und August sehr gut besucht ist.

Campingplatz „Le grigue“,
Tel.: 0039/0185/491742,
www.legrigue.it

 

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