Editorial 1/05
 

Die Weiter-So-Ideologie

 
Michael Adler
Foto: www.marcusgloger.de    

Richtig oder falsch? Der ÖPNV ist ein Subventionsgrab allererster Güte. Die Autoindustrie ist der Wirtschaftsmotor Nummer eins. Ein Flughafen bringt Wohlstand und Arbeitsplätze.
Diese „Wahrheiten“ stellen das Mantra herrschender Verkehrsideologen dar. Das gebetsmühlenartige Wiederholen dieser Glaubenssätze quer durch alle Eliten unserer Gesellschaft macht aus der gegebenen Verkehrspolitik ein quasi-religiöses Bekenntnis.
Wer gegen das Auto ist, untergräbt den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wer gegen einen Flughafen opponiert, zerstört Arbeitsplätze. Wer für den ÖPNV ist, muss sich der Geldverschwendung zeihen lassen. Und wer gar einer Förderung des Fuß- und Radverkehrs das Wort redet, ist und bleibt ein Phantast.
Mit der Wirklichkeit hat dies alles wenig zu tun. Nehmen wir das Beispiel Stuttgart. Im Haushalt der Landeshauptstadt hinterlässt der Verkehr eine Deckungslücke von rund 150 Millionen Euro. Der Löwenanteil daran, nämlich 84 Millionen, ist dem Autoverkehr geschuldet, „nur“ 55 Millionen dem ÖPNV. Fuß- und Radverkehr, die zusammen immerhin für ein Drittel aller Wege in Stuttgart gut sind, kosten lediglich 14 Millionen.
„In dieser Rechnung fehlen doch die Kfz-Steuer und die Mineralölsteuer“, werden die Weiter-So-Ideologen rufen.

Ist der Autofahrer also doch die „Melkkuh der Nation“? Mitnichten, auch dieser Glaubenssatz stimmt nicht. Professor Udo Becker von der Universität Dresden rechnet alleine für Sachsen einen Betrag von über sechs Milliarden Euro aus, den der Autoverkehr an externen Kosten- verursacht, aber bisher nicht bezahlt.
Klaus Vestner geht in seiner Dissertation über die Rahmenbedingungen im Personenfernverkehr noch einen Schritt weiter. Er belastet alle Verkehrsträger mit den jeweiligen Kosten für Straßen, Schienen und Flughäfen und mit den externen Kosten für Klimaschäden, Lärm oder Unfälle. Außerdem schafft er in seinem Zukunftsszenario gleiche steuerliche Rahmenbedingungen für Bahn, Bus, Auto und Flugzeug. Das Ergebnis ist eindeutig: Alle müssen mehr bezahlen. Das Auto muss allerdings am meisten mehr bezahlen, weil es bisher am wenigsten für seine Kosten aufkommt.
Wohlgemerkt: Die Kosten, die bisher nicht angelastet werden, werden trotzdem schon heute bezahlt. Von uns allen, durch höhere Krankenkassenbeiträge, höhere Lebens- und Unfallversicherungsbeiträge und nicht zuletzt durch höhere Steuern.
Bleibt der Segensbringer Flughafen. Leipzig musste für die gefeierte Ansiedlung des DHL-Logistikzentrums bisher über 400 Millionen Euro aufbringen, für garantierte 1200 Arbeitsplätze und versprochene 10000. Nicht gerade ein Schnäppchen.
Wie müsste ein vernünftiges Gesamtverkehrskonzept also aussehen? Eine massive Förderung von Rad-, Fuß- und öffentlichem Verkehr würde nachweislich Umwelt- und Unfallkosten in Milliardenhöhe sparen. Dies ist keine Ideologie.

Michael Adler

  zurück zum Inhalt