Reise 6/2004

Interview

Das Meer vor der Haustür schützen

Angela Pieske ist bei der Meeresschutzorganisation Greenpeace Deutschland für den Bereich Ausstellungen zuständig. fairkehr sprach mit ihr über die Kooperation mit Sea Life.

Foto: Valeska Zepp
Seewölfe sind beliebte Speisefische. Weil sie so böse aussehen, kommen sie ohne Kopf auf den Teller.

fairkehr: Greenpeace ist in Deutschland Kooperationspartner von Sea Life. Wie kam diese Kooperation zustande?

Angela Pieske: 1996 hat Sea Life uns eine Kooperation angeboten, als sie an der Ostsee in Timmendorf ihr erstes Zentrum gebaut haben. Unsere Bedingungen waren klar: Wenn Greenpeace ein Aquarium unterstützt, dann dürfen nur heimische Fische gezeigt werden, keine tropischen. Außerdem sollten keine geschützten Arten in den Becken ausgestellt werden und auf gar keinen Fall Säugetiere, also Seehunde oder Wale. Darauf hat Sea Life sich eingelassen. Würden sie, wie in den britischen Zentren, Seehunde zeigen, würden wir als Kooperationspartner aussteigen.

fairkehr: Was spricht gegen tropische Fische?

Pieske: Uns ist es wichtig, dass die Menschen erkennen, welche Fische vor ihrer eigenen Haustüre leben, also in Nord- und Ostsee und im Nordatlantik. Die Besucher sollen sehen, wie schön die heimischen Arten sind. Es gibt ja auch bunte Fische in Nord- und Ostsee. Dass es dort sogar Haie und Rochen gibt, wissen viele gar nicht. Außerdem möchte Greenpeace Erwachsenen und vor allem Kindern bewusst machen, dass viele dieser Tiere durch Meeresverschmutzung und Fischereiindustrie bedroht sind und geschützt werden müssen.

fairkehr: Was erhoffen Sie sich von der Kooperation?

Pieske: Es gibt eine Menge Probleme in den heimischen Meeren. Kaum einer weiß zum Beispiel, dass in der Nordsee über 400 Öl- und Gasplattformen stehen. Über interessante interaktive Ausstellungen in den Sea Life Zentren versucht Greenpeace, den Menschen das Ökosystem Meer näher zu bringen und sie für die Probleme zu sensibilisieren.

fairkehr: Ein Motto im Naturschutz ist: Man kann nur schützen was man auch kennt. Im Sea Life lernt man die Meeresbewohner kennen. Was kann denn der Einzelne tun, um sie zu schützen?

Pieske: Viele bekannte Speisefische sind stark überfischt und gehören zu den gefährdeten Arten. Sie stehen aber nicht unter gesetzlichem Schutz, also unter Fangverbot, wie zum Beispiel der Dorsch. Solche Fische könnte man von seiner persönlichen Speisekarte streichen und damit einen Beitrag zum Erhalt dieser Art leisten. In Speyer zeigt Greenpeace eine Ausstellung zur Überfischung der Meere. Die Ausstellung geht auch auf das Thema Fischstäbchen ein. Wir sagen, welche Fische dafür verwendet werden, und dass zum Beispiel Alaska-Seelachs und Kabeljau schon überfischt sind. Darauf hin hören wir oft von Kindern als Reaktion: „Nee, die ess ich jetzt aber nicht mehr“

fairkehr: Gibt es gesetzlichen Bestimmungen zur Haltung von Meerestieren?

Pieske: Für die Haltung von Wildtieren in Zoos gibt es eine EU-Richtlinie, die aber nicht besagt, wie groß ein Aquarium für einen Hering sein muss. Da helfen nur Erfahrungswerte. Sea Life arbeitet international schon seit über 20 Jahren, und deren Aquaristen haben einen sehr guten Ruf, auch in der Fachwelt. Zusätzlich lässt Sea Life seine Aquarien von der International Zoo Veterenary Group überprüfen.

fairkehr: Welche Rolle spielen Aquarien für den Artenschutz?

Pieske: Aufklärung durch Aquarien ist wichtig. Sie können den Menschen zeigen, welche Fischarten überhaupt geschützt werden müssen. Sea Life macht dazu SOS-Aktionen und sammelt Unterschriften gegen den Fang von Schildkröten oder gegen Haiflossenverkauf. Das macht Sea Life nicht nur aus Werbezwecken, sondern durchaus als Beitrag zum Artenschutz. Sea Life ist auch bemüht Fische nachzuzüchten, um Wildfänge zu verringern. Bis zu 30 Prozent der Fische stammen mittlerweile aus Nachzuchten. Neben Katzenhaien, Forellenbarschen und Brassen haben sie es auch geschafft Seepferdchen nachzuzüchten, die auf der CITES-Liste der gefährdeten Arten stehen. So kann Sea Life diese geschützten Tiere trotzdem den Besuchern zeigen.

fairkehr: Welche weiteren Anforderungen stellt Greenpeace an die Aquarien?

Pieske: Wir haben zum Beispiel ökologische Baukriterien aufgestellt. Die Zentren verwenden PVC-freie Kabel und Fußböden, FCKW freie Kühlgeräte, zertifiziertes Holz und Recyclingpapier für ihre Prospekte. Außerdem arbeiten wir daran, dass in den Shops weniger Plastikspielzeug verkauft wird.

fairkehr: Die Sea Life Meereswelten wirken sehr inszeniert und kommerziell. Muss das sein?

Pieske: Ich glaube anders kommt man heute nicht mehr weit. Die Menschen möchten hauptsächlich unterhalten werden. Da gilt es, die Informationen geschickt zu verpacken. Man muss Kinder und Erwachsene animieren und in eine andere Welt locken, um ihnen dann ein paar Dinge zu erklären.

Interview: Valeska Zepp 

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