Titel 5/2004

Interview

Die Richtung stimmt

Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, über den Service bei der Bahn.

Foto: BMVEL-Archiv                
Renate Künast macht sich stark für eine Schlichtungsstelle Mobilität.

fairkehr: Die Bahn fährt den persönlichen Service am Kunden immer mehr zurück und verlagert den Ticketverkauf auf Internet und Automaten – ist das verbraucherfreundlich?

Künast: Die Bahn sollte sich das sehr gut überlegen. Eine drastische Reduzierung von Kundencentern bringt die Gefahr mit sich, dass der Service sich verschlechtert und die Attraktivität der Bahn insgesamt leidet. Das darf nicht passieren. Individuelle Beratung über die Zugverbindungen und die unterschiedlichen Preise der Angebote sind notwendig. Ein Automat kann nicht die bequemste und preisgünstigste Verbindung für die jeweiligen individuellen Situationen heraussuchen.

fairkehr: Zusätzlich streicht die Bahn Provisionen bei Reisebüros und Bahn-agenturen. Wer kümmert sich um Verbraucher, die keinen Internetanschluss haben, zum Beispiel ältere Menschen?

Künast: Ich mische mich in die Verträge der Bahn AG mit den Reisebüros nicht ein. Aber: Wenn es für die Fahrgäste zu schwer wird, Fahrkarten und eine gute Beratung zu bekommen, dann wird die Bahn sogar treue Kunden verlieren.

fairkehr: Beim Kauf eines Fahrscheins geht der Verbraucher einen Vertrag mit der Bahn ein, hatte aber bisher keinen Anspruch auf Garantie oder Entschädigung bei Verspätungen oder Zugausfall. Seit dem 1. Oktober hat die Bahn dies mit ihrer Kundencharta für den Fernverkehr geändert. Wird dem Kunden damit ausreichend geholfen?

Künast: Ich denke, dass die Bahn AG hier einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat. Die Kunden erhalten jetzt bei Verspätungen ab 60 Minuten und Ausfall von Zügen einen einklagbaren vertraglichen Anspruch auf Entschädigung. Damit sind sie nicht mehr auf die Kulanz der Bahn angewiesen, die oft nach dem Motto lief, wer sich am lautesten beschwert, der erhält aus Kulanzgründen einen Gutschein.

fairkehr: Wenn ein Intercity nicht erreicht wird, weil der Regionalzug oder der Bus Verspätung hatte, gilt der Rechtsanspruch nicht. Wann kommt eine gesetzliche Regelung für die gesamte Reisekette?

Künast: Wir werden sehen, wie die Praxis sein wird. Die Bahn AG ist nach ihren neuen AGB zwar nur verpflichtet, Entschädigung bei Verspätungen in der Fernverkehrskette zu leisten. Ich setze aber darauf, dass die Bahn in bestimmten Fällen weiterhin Kulanzregeln praktiziert. Was die Verspätungen bei Bus oder Regionalzügen betrifft, gibt es noch Diskussionsbedarf. Einzelne Nahverkehrsunternehmen überlegen, nun endlich von sich aus Pünktlichkeitsgarantien abzugeben und bei Verspätungen Entschädigung zu zahlen. Wenn das Schule macht, muss der Staat nicht mit einem Gesetz ran.

fairkehr: Was müssen Unternehmen im Öffentlichen Verkehr Ihrer Meinung nach für das Geld der Kunden leisten?

Künast: Attraktive Angebote zu fairen Preisen. Die Anbieter von öffentlichem Verkehr müssen die Kunden als Vertragspartner ernst nehmen und ein kundenfreundliches Preis- und Auskunftssystem praktizieren.

fairkehr: Teil der Kundencharta ist eine verkehrsträgerübergreifende Schlichtungsstelle Mobilität. Wann kommt sie und was darf der Verbraucher erwarten?

Künast: Die Schlichtungsstelle Mobilität soll zeitnah zur Umsetzung der DB Kundencharta ihre Arbeit aufnehmen. Ich hoffe, es klappt zum 1. November 2004. Die Schlichtungsstelle soll dann eingreifen, wenn die Kunden und Unternehmen sich über Streitfälle nicht einigen konnten.

Die Schlichtungsstelle Mobilität kann drei Ziele erreichen: Hilfe für Kunden im Einzelfall, Verbesserung der Kundenzufriedenheit im allgemeinen und die Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Fernverkehrs insgesamt, sei es Bahn, Bus oder Flugzeug.

Interview: Valeska Zepp und Uta Linnert

 

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