Politik 5/04

Halbzeitbilanz

Wie grün ist Rot-Grün?

Knapp zwei Jahre nach der Verabschiedung des zweiten rot-grünen Koalitionsvertrags zieht der VCD in der Verkehrspolitik eine enttäuschende Bilanz: Der versprochene Kurswechsel zur nachhaltigen Mobilität kommt nicht in Gang. Das Ende der jahrzehntelangen Fixierung auf das Auto ist ebenso wenig in Sicht wie mehr Kostenwahrheit im Verkehr.

Foto: www.Marcusgloger.de             
Im neuen Bundesverkehrswegeplan wurden die Gelder für das Schienennetz weiter gekürzt.

Unnötigen Verkehr vermeiden und möglichst viele Fahrten und Transporte auf umweltschonende Verkehrsmittel verlagern – das ist aus Sicht des VCD Kern einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik. Der rot-grüne Abschied von dieser Art der Verkehrswende wird besonders in der Infra­strukturpolitik deutlich. So wurden im neuen Bundesverkehrswegeplan die Investitionsmittel für den Straßenbau auf Rekordniveau geschraubt, die Liste aller Bauvorhaben reicht mindestens bis ins Jahr 2030. Planten CDU und FDP 1992 noch mehr Geld für die Schiene als für die Straße ein, schafft die Koalition aus Bündnis 90/ Die Grünen und SPD diese „Chancengleichheit“ bei den Investitionen nur noch mit einseitigen Rechentricks zu Lasten der Schiene. Bei Licht betrachtet steht nach derzeitiger Planung für das Schienennetz im Jahr 2008 nur noch halb so viel Geld zur Verfügung wie für Bundesfernstraßen. Diese sollen jährlich über vier Milliarden Euro erhalten. Mittelfristig könnte so nicht einmal mehr das bestehende Schienennetz saniert und erhalten werden.

Immerhin weist der Bundesverkehrswegeplan unter Rot-Grün auch Verbesserungen auf. So soll die Sanierung von Verkehrswegen Vorrang vor Neu- und Ausbau haben. Große Flusskanalisierungen an Elbe und Donau wird es nicht mehr geben. Und bei vielen Vorhaben griff eine Umweltprüfung, die im Einzelfall den Neu- bzw. Ausbau verhinderte. Doch dem stehen gravierende Mängel gegenüber. Es werden weiterhin Naturschutzgebiete durch neue Straßen zerschnitten – und das schon für voraussichtlich 2000 Kraftfahrzeuge pro Tag. Autobahnen werden neu gebaut, wo der Ausbau paralleler Bundesstraßen oder einer Bahnstrecke völlig ausreichend wäre. Viele Ortsumfahrungen sind geplant, die selbst nach Untersuchungen des Verkehrsministeriums überhaupt keine oder nur geringe Entlastungswirkungen haben. Das Ergebnis dieser Politik: zunehmende Flächenversieglung, Anstieg der klimaschädlichen Treibhausgase bis 2015 um mindestens elf Prozent (Zahlen der Bundesregierung), einseitige Förderung des Straßenverkehrs, leere Staatskassen.

Kostenwahrheit in weiter Ferne

Wichtigstes Projekt unter Rot-Grün für mehr Kostenwahrheit im Güterverkehr ist die Einführung der Lkw-Maut. Ihr bisheriges Scheitern ist gemeinhin bekannt. Ob der Start Anfang 2005 klappt, bleibt fraglich. Die Schuld für dieses Desaster liegt jedoch nicht allein bei der Bundesregierung. So war es abermals die deutsche Industrie, die versagte – ähnlich wie schon bei defekten ICE-Zügen, nicht funktionierender Neigetechnik oder Straßenbahnen mit Sollbruchstellen. Doch im Koalitionsvertrag von 2002 gibt es weitere gute Ansätze. So soll der Flugverkehr künftig stärker besteuert werden, der Mehrwertsteuersatz im Fernverkehr der Bahn sinken. Allerdings scheitert ersteres bislang an der passiven Haltung des Verkehrsministeriums und dem Widerstand der Opposition, letzteres am Veto des Finanzministers.

Es gibt einzelne Lichtblicke in der Verkehrspolitik: SPD und Grüne haben die steuerliche Förderung des Rußpartikelfilters für Diesel-Pkw beschlossen, es gibt erstmals Rechte für Fahrgäste im Fernverkehr der Bahn und der Bundestag hat die Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung für Flüge in andere EU-Länder beschlossen.

Insgesamt wird die Verkehrs­politik den eigenen Ansprüchen der rot-grünen Regierung jedoch nicht gerecht. Besonders ärgerlich: Das „weiter so“ wird plötzlich als nachhaltig, intelligent und modern verkauft. Doch gibt es politische Alternativen? Zumindest in naher Zukunft wohl kaum. Die Hoffnung, dass eine CDU-geführte Bundesregierung womöglich eine bessere Verkehrspolitik machen würde, hat sich spätestens mit der Präsentation ihres verkehrspolitischen Programms im Juli als völlig unbegründet erwiesen.

Michael Gehrmann,
Bundesvorsitzender des VCD

 

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