Politik 5/04

Motorrad

Dröhnender Nationalpark

Vor allem an Wochenenden knattern Tausende von Motorradfahrern durch den neuen Eifel-Nationalpark und vermitteln Ausflüglern das Gefühl, sich auf dem Nürburg-Ring zu befinden. Stiller Naturgenuss wird so erschwert, wenn nicht unmöglich.

Foto: www.marcusgloger.de

Henning Walter ist so begeistert von seinem neuen Nationalpark (NP), dass er darüber sogar poetisch wird und zu einem indischen Sprichwort greift: „Tourismus ist wie Feuer. Man kann die Suppe damit kochen, aber auch das Haus abbrennen.“ Wegen dieser Gefahr will sich der Leiter des Eifel-Nationalparks bemühen, die „leckere Suppe“, für die er das seit Jahresbeginn bestehende Schutzgebiet hält, „durch ein intelligentes Konzept zur Besucherlenkung naturverträglich genießbar zu machen“.

In die Terrine spucken ihm allerdings die vielen Motorradfahrer, die hauptsächlich an sonnigen Wochenenden mit ihren großenteils PS-starken Maschinen auch durch den Nationalpark brausen – zum Teil mit stark überhöhter Geschwindigkeit und hörbarer Lust am Gasgeben. Betroffen sind vor allem der Kermeter-Wald und das Gebiet des Rur-Stausees im Norden des Parks.

Die zuständige Polizei in Kreuzau schätzt die Zahl der in die Nordeifel einfahrenden „Biker“ nach stichprobenartigen Zählungen an drei Hauptzufahrtswegen auf einige Tausend; allein in der Mittagsstunde waren es einmal fünfhundert. Zwar verhalte sich „die Masse der Motorradfahrer von über 90 Prozent sehr rechtstreu“ und achte auch die Tempolimits, sagt der Kreuzauer Polizei-Chef Gerd Weckstein. Doch gebe es eben einige Prozent, „die besser zum Nürburgring fahren würden, um sich mal richtig auszutoben“. Und leider reichten 100 bis 200 Fahrer sehr wohl, um eine Region zu verlärmen.

Kurvenreiche Rundkurse

Das Geknatter stört nicht nur Wanderer und Kurzurlauber, die dem Dröhnen der Städte entfliehen möchten. „Auch meine Mitarbeiter, die ringsum wohnen, sagen, der Lärm sei unerträglich“, berichtet NP-Leiter Henning Walter. Weniger Probleme bereite der Geräuschpegel den Tieren. Wild gewöhne sich „ziemlich rasch“ daran – sofern es nicht mit den Motorrädern kollidiert, was durchaus vorkomme. Doch um schwer zu verunglücken, brauchen die Motorradfahrer keine querenden Rehe. Nicht umsonst ist an Wochenenden ein Notarztwagen in Heimbach stationiert, und nicht zufällig heißt es in der Eifel: „Die Organspender kommen!“, wenn die Motorrad-Armee heranrollt. Die Unfallzahlen seien allerdings durch Aufklärungs-Kampagnen und Kontrollen „seit mehreren Jahren rückläufig“, sagt der Polizist Gerd Weckstein. Und „Gott sei Dank gab es 2003 keinen tödlichen Unfall“.

Doch um die von allen Nationalpark-Gemeinden sehnlichst erwarteten Parkbesucher zu vergrätzen, reicht der weithin hörbare Lärm – und den verursachen neben den Rowdys auch besonnene Fahrer. Besonders beliebt ist der kurvenreiche Rundkurs von Heimbach über das – früher einmal stille – Trappistenkloster Mariawald hinauf auf den Kermeter-Rücken, dann über die L 15 hinab zur Rursee-Staumauer bei Schwammenauel und über Hasenfeld zurück nach Heimbach. „Das ist die Rennstrecke“, sagt Walter. Auf ihr sind die „Tiefflieger“ unterwegs, wie Gerd Weckstein die Raser nennt.

Etliche kommen, um sie gleich mehrfach entlang zu jagen – sehr zum Unmut auch von Volker Hoffmann, einem der geistigen Väter des Eifel-Nationalparks. Der Vize-Vorsitzende des Nationalpark-Fördervereins findet den Krach schlicht „furchtbar“ und ärgert sich über rücksichtslose Zweiradfahrer, die „wie die Idioten durch die Gegend brettern“.

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Brettern durch den Herbstwald: Motorradfahrer in der Eifel genießen die Lust am Gasgeben.

Derart drastisch dürfte Hans Günther Pütz den Sachverhalt nicht einmal dann beschreiben, wenn er ihn so sähe. Als Bürgermeister von Heimbach muss er unterschiedlichste Interessen im Blick behalten. Die Frage, ob die Motorradfahrer für Heimbach Last oder Segen seien, könne er „nach beiden Richtungen beantworten“. Sicher gebe es „gewisse Zielkonflikte“ zwischen dem Ansinnen des Nationalparks und den Vorlieben der Motorradfahrer. In einem aber gebe es „kein Vertun“, sagt der CDU-Politiker: „Der Motorrad-Tourismus ist für etliche Betriebe hier von entscheidender Bedeutung.“ Dabei ist auch ihm klar, dass sich die meisten Motorradfahrer nur wenige Stunden in der Region aufhalten. Zwei Bier, eine Pizza oder ein schnelles Schnitzel – viel mehr an Umsatz bleibt vor Ort nicht hängen. Für Motorrad-Kneipen wie „Gerdas Eifeltreff“ in Schwammenauel klingelt allerdings die Kasse.

Lust auf Kurven

Was aber tun gegen die Lust auf Kurven im Schutzgebiet? Streckenverbote für Motorräder sind sehr schwer und langwierig durchzusetzen, jedenfalls außerorts, und verlagern das Problem nur. Die Aufklärungsarbeit der Polizei ist hilfreich, aber mindert den Lärm nur wenig. Und dass irgendwo Blitzgeräte stehen und Temposündern auflauern, spricht sich unter Motorradfahrern ebenso schnell herum wie das zur Abschreckung gedachte Abstellen leerer Streifenwagen am Straßenrand. „Das haben die Fahrer doch beim zweiten Vorbeifahren raus, dass da kein Polizist drin sitzt“, sagt Henning Walter.

Als Nationalpark-Leiter kann er gegen den Krach wenig bis gar nichts ausrichten. Über den Nationalpark- und Wegeplan, der bis 2006 entstehen soll, werde man „keinerlei Einfluss“ auf öffentliche Straßen ausüben können. Walters Fazit: „Wir können im Augenblick gar nichts machen.“ Volker-Hoffmann vom Nationalpark-Förderverein hofft auf den Einfluss von Gremien wie dem frisch gegründeten Kommunalen Nationalparkausschuss, sofern dieser sich einmütig für verkehrsberuhigende Maßnahmen einsetzte.

Die Polizei hingegen setzt weiterhin darauf, „mittelfristig die Köpfe zu verändern“, wie Gerd Weckstein es nennt. Am 10. Juni hatte man auch die Mönche des Klosters Mariawald in die Besonnenheits-Kampagne eingespannt. Deren berühmte Erbsensuppe löffelt auch die Biker-Gemeinde gerne. „Wir versuchen, uns dem Motorrad-Problem von der religiös-ethischen Seite zu nähern“, sagt Weckstein. Es sei ein „Gesellschaftsproblem, dass Maschinen mit 200 PS eine Straßenzulassung kriegen“. Und so standen an Fronleichnam vor dem Kloster Info-Stände und pfiffige Plakate, um die Biker zur Vernunft zu mahnen. Auf einem Plakat war zu lesen: „Weißt du, wie sich Stille anhört?“ Ruhe indes dürfte das Letzte sein, was Motorradfahrer in der Nordeifel suchen.

Walter Schmidt

 

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