Editorial 5/04
 

Drücken Sie die Eins

 
Foto: www.marcusgloger.de

FRAU DOTTERWEICHS RUF ist legendär — bei zahllosen Bahnkunden in ganz Deutschland. Ihr Ruf gründet darin, dass Sie sich mit fast allen Bahnverbindungen in Europa auskennt und mit allen Sondertarifen und Spezialangeboten noch dazu. Was aber mindestens genauso wichtig ist: Man kennt sie mit Namen, man erreicht sie telefonisch bei der Bahnagentur „Gleisnost” in Freiburg, und wenn sie mal nicht da ist, ruft sie zurück. Eine Selbstverständlichkeit? Mitnichten. Was früher Kundendienst hieß, heißt heute „Customer Service”, und was man früher Auskunft nannte, nennt man heute „Service-Hotline”. Das klingt irgendwie moderner, hat aber oft nichts mehr mit der ursprünglichen Bedeutung vom Dienst am Kunden zu tun. Call-Center sind an sich nichts Schlechtes, das Problem ist ihre räumliche Entwurzelung. Beispielsweise wählte ich kürzlich die Servicenummer von DB Regio. Ich wollte die Kölner Geschäftsstelle der DB direkt erreichen, konnte die Nummer aber nirgends finden. Eine freundliche Computerfrauenstimme sagte mir: „Wenn Sie Auskunft über regionale Fahrpläne möchten, drücken Sie die Eins.” Ich drückte die Eins. Es meldete sich nach längerem Klingeln eine echte mit Vorund Zunamen. Vorsichtig fragte ich nach der zentralen Nummer von DB Regio Rheinland. Diese Auskunft konnte sie mir nicht erteilen. Wie sollte sie auch. Erstens war es keine Fahrplanauskunft und zweitens war ich in Hannover bei der Fernverkehrs-Hotline gelandet. „Das wird automatisch weitergeschaltet, wenn bei Regio alle Leitungen belegt sind.”

Anderes Beispiel. Ein Paket erreichte mich an meiner heimatlichen Adresse nicht. Also rief ich die „Service- Hotline” des Paketdienstes UPS an. „Wenn Sie ein Paket verfolgen wollen, drücken Sie die Eins, wenn Sie Fragen zu einer Rechnung haben, drücken Sie die Zwei... ” Ich drückte die Eins. „Geben Sie bitte Ihre Trackingnummer ein.” Ich fand die 27-stellige Nummer und sprach langsam und deutlich. Da stürmte meine Tochter ins Zimmer und rief: „Ich bin Schneewittchen.” Das verstand die Hotline nicht. Ergebnis der Geschichte: Das Paket ist inzwischen bei mir angekommen — mit einem anderen Paketdienst. Wie anders wird Kundenorientierung bei Frau Dotterweich buchstabiert. Nur ein Beispiel: Vor zwei Jahren strandete ich mit meiner ganzen Familie wegen Streiks der italienischen Staatsbahnen in Neapel. Die nicht gebrauchte Reservierung für unseren Schlafwagen schickte ich nach erfolgreicher Rückreise zu Gleisnost. Frau Dotterweich regelte alles mit den Italienern und überwies mir den Betrag auf mein Konto. Kostenlos! Wenn Sie nun sofort Frau Dotterweich anrufen wollen, muss ich Sie enttäuschen. Seit wenigen Tagen ist sie im Mutterschutz. Ob ihr Arbeitsplatz noch da sein wird, wenn sie wiederkommen will, ist derzeit fraglich. Durch die aktuellen Kürzungen der Reisebüroprovisionen durch die DB AG sind Bahnagenturen mit einem derart umfassenden Service für die Kunden in ihrer
Existenz gefährdet.
Helfen Sie den Bahnagenturen!
Buchen Sie dort.

Michael Adler

 

Eine bewährte Auswahl
Gleisnost: (0761) 383031
Kopfbahnhof: (030) 23638310
Spindlersfeld: (030) 65472800
Gleis8: (0761) 2927888

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