Reise 4/2004AmsterdamAuf den Spuren der ClubberEs gäbe so viel Neues zu entdecken … Aber manche Städte haben es einem einfach angetan. Paris oder Amsterdam sind solche Städte, die man immer wieder besuchen muss – auch wenn man sie schon kennt und die Sehenswürdigkeiten längst besichtigt hat. Restaurants, Kneipen, Ausstellungen, Festivals oder Konzerte bieten neue Zugänge zum besonderen Flair einer Stadt. fairkehr stellt Trends und Termine vor, für die sich eine Stadtreise im Herbst lohnt. Außerdem: Ein Kurzbesuch im irischen Cork, der Kulturhauptstadt 2005.
„Irgendwas mit Thunfisch soll man hier bestellen“, an mehr kann sich Gunnar momentan nicht erinnern. Er weiß, dass die Kneipe ein Geheimtipp ist – so geheim, dass Fotografieren absolut unerwünscht ist – und dass von den leckeren Häppchen, die man hier zum Aperitif reicht, die Tapas mit Thunfisch einen besonderen Ruf genießen. Aber auch wenn man ohne Empfehlung und aufs Geradewohl im „De Suite“ gelandet wäre: Das besondere Flair der Kneipe wäre einem kaum entgangen. Die Stilmischung umfasst mit Cord bezogene 70er Jahre-Sitzgarnituren mit passender Stehlampe, Caféhaustische und Kneipenmobiliar, aber auch eine große gedeckte Banquettafel mit gestärkter Tischdecke, Kristall und edlem Porzelan. Die Stimmung schwankt zwischen gediegenem Restaurant und katholischer Teestube – vollkommen uncool und sehr entspannt. „Clubben“ ist angesagt in Amsterdam. Clubben, das heißt: mit Freunden von Kneipe zu Kneipe ziehen, immer auf der Suche nach den neuesten und originellsten Lokalen. Die niederländische Ausgehmetropole hat wieder einmal einen neuen Trend. Nach den Lounges, die in den vergangenen Jahren Amsterdam im Sturm eroberten, entstehen nun an allen Ecken neue Clubs. Mund-zu-Mund-Propaganda weist den Weg und entscheidet innerhalb weniger Tage darüber, ob eine neue Szene-Kneipe Abend für Abend ausverkauft ist oder von der Liste der interessanten Orte gestrichen wird. Welche Faktoren ausschlaggebend sind für Erfolg oder Misserfolg ist schwer zu bestimmen. „In Amsterdam ist man nicht cool“, sagt Bregte Viergever, „man ist jung, experimentell, leger und offen.“ Die Historikerin liebt die Ungezwungenheit ihrer Stadt und führt seit vielen Jahren Touristen durch die Alternativszene Amsterdams. Abgeschottete Clubs, exklusive Veranstaltungen oder zu schickes Auftreten gelten als snobistisch, arriviert und uninteressant. Wer einmal Kultstatus erreicht hat, möchte ihn nicht durch zuviel Öffentlichkeit verspielen. Keine Reisebusse, keine Touristengruppen, keine große Reklame, sonst ist es vorbei mit dem Geheimtippcharakter, und der Kneipier oder Manager muss sich wieder etwas Neues einfallen lassen – beispielsweise ein Schiff chartern, ein Abrissgebäude besetzen oder einen Sandstrand aufschütten mit Beachvolleyball-Anlage und Cocktailbar. Die Gratwanderung ist schwierig: Die erfolgreichsten Clubs sind die, die noch als Geheimtipp gelten, obwohl sie schon in aller Munde sind und Abend für Abend aus allen Nähten platzen. Daher ist die Halbwertszeit der Amsterdamer In-Clubs kurz. „Fünf Jahre maximal“ existiere ein guter Club, sagt Bregte. Dann suchen die Betreiber neue Locations und Ideen. In-Club im Abrisshochhaus
Das „eleven“ ist die optimale Inszenierung des vorübergehend Attraktiven. Zwei Jahre lang darf der Betreiber die 11. Etage des ehemaligen Posthochhauses auf der Insel nutzen – im Sommer 2006 wird das Gebäude abgerissen. Entsprechend provisorisch ist die Dekoration: lange Holztische und Bänke. Von der Decke hängen kreative Leuchter aus nackten Glühbirnen und Blumenuntersetzern. Die kahlen Wände werden als Projektionsflächen benutzt. Nichts lenkt ab von der Hauptattraktion – der Glasfront, die sich rund um den riesigen Raum erstreckt und einen gigantischen Blick über ganz Amsterdam bietet. Durch eine einfache garagentorartige Trennwand ist die Halle in Restaurant und Discothek unterteilt. Je später der Abend, um so lauter werden die Beats – das Restaurant wird zum Nachtclub. Am Tag der offiziellen Eröffnung bleibt kein Platz frei. Das „11“ hat den Sprung zum In-Lokal geschafft. Das Erfolgsrezept: einfaches, gutes Essen in schnörkellosem Ambiente, für jeden erschwinglich und für jeden offen. Cinema Paradiso
„Wir haben eröffnet und das Lokal war vom ersten Abend an voll“, sagt auch der Geschäftsführer des „Cinema Paradiso“. In einem ehemaligen Kinosaal hat er eine abgetrennte Bar und eine großzügige Brasserie eingerichtet. Wände und Deckenbeleuchtung erinnern noch ans plüschige 60er Jahre Kino. Wer die vielen Vorspeisen des Hauses genießen möchte, muss reservieren oder geduldig in der benachbarten Bar warten, bis ein Tisch frei wird. Bleibt abzuwarten, ob sich das Paradiso in ein paar Jahren überlebt oder ob der Charme des alten Kinosaals immer wieder neue Generationen von „Clubbern“ anspricht. Das Café „De Taart van m’n Tante“ hat den Vergänglichkeitstest längst überstanden. Es ist bei Einheimischen genauso beliebt wie bei Touristen, bei Studenten ebenso wie bei alten Kaffeetanten. Tortenliebhaber reisen von weither an, denn alle Kuchen und Torten in der Vitrine sind liebevoll gefertigte Einzelstücke. Auch hier macht der Stilbruch den Reiz aus. Nichts erinnert ans klassische Oma-Café. Die bunt zusammengewürfelte Einrichtung sieht aus wie vom Sperrmüll. Wachstuchtischdecken in allen Farben und Mustern schmücken die Tische. Auch die Torten oszillieren zwischen klassischem Schokobraun und Lebensmittelfarbenbunt und schmecken nicht immer so wie das Aussehen es erwarten ließe. Um 18 Uhr schließt das Café – ein guter Zeitpunkt, um sich aufs Rad zu schwingen und nach so viel süßem Genuss eine Runde entlang der Grachten zu drehen – vorbei an Straßencafés, Kneipen und Bars, die schon wieder auf die ersten Clubber warten. Regine Gwinner Mehr Ausgehtipps unter:
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