Politik 4/04

ATMOSFAIR

Trostpflaster fürs Klima

Jeder ist für seinen eigenen Dreck verantwortlich. Deshalb bietet die Initiative atmosfair jetzt eine Möglichkeit klimaschädliche Emissionen, die beim Fliegen entstehen, freiwillig auszugleichen.

Illustration www.atmosfair.com      

Mittlerweile fliegt beinahe jeder zweite deutsche Auslandsurlauber zu seinem Reiseziel. Dienstreisen finden auch innerhalb Deutschlands mehr und mehr mit dem Flugzeug statt, ganz zu schweigen vom Ausflug zwischendurch im Billigflieger. Selbst überzeugte Klimaschützer aus Politik und Umweltverbänden fliegen immer häufiger zu ihren Terminen.

Jetzt können alle, die beruflich oder privat das Flugzeug benutzen müssen oder möchten, wenigstens ihre Klimasünden wiedergutmachen. atmosfair heißt das Zauberwort. Die Klimaschutzinitiative von GermanWatch, Forum anders reisen, 500 PPM und dem Bundesumweltministerium (fairkehr berichtete in 6/2003), ist seit Juni am Start und hat mit Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Klaus Töpfer, Chef des UN-Umweltprogramms, prominente Paten. Auf der Pressekonferenz zum Start von atmosfair begrüßte Trittin die Initiative, weil es ihr nicht darum gehe, den Menschen das Fliegen zu verleiden, sondern ein Angebot schaffe, die klimaschädlichen Folgen der eigenen Flugreise freiwillig zu kompensieren. Über die Internetseite www.atmosfair.com kann sich jeder informieren, wie viele Tonnen klimaschädliches CO2 durch seinen Flug entstehen. Der Emissionsrechner ermittelt die Geldsumme, die in Klimaprojekte fließen muss, um die gleiche Menge an Kohlendioxid einzusparen. Bei einem Flug von Frankfurt nach Mallorca verursacht jeder Passagier den Ausstoß von rund 560 Kilogramm Kohlendioxid. Fürs Klima müsste der Reisende zehn Euro extra zahlen – ein Betrag, den man im Urlaub ohne mit der Wimper zu zucken für Eis und Cocktails ausgibt. In die Berechung fließen nicht nur die Entfernung, sondern auch Flugzeugtyp und Warteschleifen ein. Die vom Emissionsrechner ermittelte Geldsumme kann der Kunde direkt über die Internetseite einzahlen oder mit einem Überweisungsträger bei der Bank. Per e-Mail oder Post erhält er ein Zertifikat über die Menge CO2, die mit dem Geld an anderer Stelle eingespart wird.

Trittin möchte bis Mitte nächsten Jahres alle fachlichen und haushaltsmäßigen Vorraussetzungen schaffen, um die Dienstflüge des Umweltministeriums und dessen nachgeordneten Behörden „im Sinne von atmosfair klimaneutral zu gestalten“. Ein Flug zwischen Bonn und Berlin kostet dann acht Euro extra – atmosfair empfiehlt für diese Strecke jedoch ausdrücklich die Bahn, die erheblich klimafreundlicher fährt.

Kochen mit Solarenergie

Momentan unterstützt die Klimaschutzinitiative zwei Projekte: Zehn Großküchen in Indien kochen künftig mit Solarenergie statt wie bisher mit Holz oder Diesel. Das bedeutet eine CO2-Einsparung von etwa 570 Tonnen pro Jahr. In Brasilien baut die Universität von Rio de Janeiro eine moderne Müllverbrennungsanlage, die aus Müll Strom erzeugt. 15000 Tonnen Kohlendioxid bleiben so jährlich der Atmosphäre erspart. Gleichzeitig wird so in Entwicklungsländern eine nachhaltige Entwicklung unterstützt. „In Entwicklungsländern kann pro eingesetztem Euro viel mehr CO2 eingespart werden als in Deutschland. Und dem Weltklima ist es egal wo das Kohlendioxid eingespart wird“, erklärt Dietrich Brockhagen, atmosfair-Projektleiter von GermanWatch.

Wer aber denkt, mit atmosfair zukünftig ganz ohne schlechtes Gewissen fliegen zu können, irrt. atmosfair schafft nur einen Ausgleich der Klimagase, aber der Flugverkehr macht darüber hinaus noch mehr Probleme. „Faktoren wie Lärm, Luftverschmutzung und Flächenverbrauch dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Dennoch ist es ein sinnvoller erster Schritt, an die Verantwortung des Verbrauchers zu appellieren und ihn aufzufordern, für die Klimaschäden, die er durchs Fliegen verursacht, selbst aufzukommen“, erklärt Helmar Pless, VCD-Flugverkehrsexperte. Erst gar nicht ins Flugzeug zu steigen, sei aber immer noch der bessere Beitrag zum Umweltschutz, wie auch ausdrücklich auf den Internetseite von atmosfair hingewiesen wird.

Valeska Zepp

Infos: www.atmosfair.com und Forum anders reisen, Tel.: (0761) 13776888, www.forumandersreisen.de

 

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