fairkehr:
Für welche Strecken benutzen Sie das Rad?
Winfried Hermann: Ich bin der typische Alltagsradler.
Ich fahre gerne zum Reichstag und versuche zwischen den
Terminen, wann immer es geht, das Rad zu benutzen.
Allerdings nutze ich alle anderen Verkehrsmittel
ebenso.
fairkehr: Wenn
alle so gerne Radfahren würden wie Sie,
bräuchte man keinen Nationalen Radverkehrsplan
mehr.
Winfried Hermann: Das stimmt so nicht. Man erlebt als
Radfahrer so viele schlechte Situationen, in denen man
am liebsten nicht mehr weiterfahren würde: kein
Platz auf dem zu engen Radweg, Schlaglöcher,
Autofahrer, die einen abdrängen – jede Menge
Mängel! So schlechte Bedingungen gibt es in keinem
anderen Bereich des Verkehrssektors. Der Nationale
Radverkehrsplan ist eine Herausforderung hier innerhalb
von zehn Jahren eine wesentliche Verbesserung zu
bekommen.
fairkehr: Waren
Sie als Parlamentarier an der Entstehung
beteiligt?
Winfried Hermann: Ja. Der Plan beruht auf einem
rot-grünen Antrag im Bundestag, der die Regierung
zur Ausarbeitung eines Masterplans verpflichtet hat.
Der Beschluss wurde im Sommer 2001 vom Bundestag mit
Unterstützung aller Parteien gefasst. Der damalige
Verkehrsminister Bodewig hat es dann in relativ kurzer
Zeit zur Radsaison 2002 geschafft, den Plan
vorzulegen.
fairkehr: War die
Ablösung von Bodewig ein Verlust für den
Radverkehr?
Winfried Hermann: Es gab ja viel Kritik an Bodewig.
Aber er hat sich für den Radverkehr stark gemacht.
Jetzt gibt es keinen Staatssekretär mehr, der
für das Thema zuständig ist, keinen Minister,
und der zuständige Referatsleiter wurde
wegbefördert.
fairkehr: Und
jetzt?
Winfried Hermann: Die Grünen werden zusammen mit
der SPD versuchen im Parlament einen Antrag zu stellen,
der dem Verkehrsministerium Beine macht.
fairkehr: Und das
macht man wie?
Winfried Hermann: Wir werden unsere alten Forderungen
neu auflegen: die Mitnahmepflicht für
Fahrräder bei der Bahn, die Aufhebung der
Benutzungspflicht von Radwegen in der
Straßenverkehrsordnung … Beim
Fernradwegennetz, dem sogenannten D-Routen-Netz, gibt
es auch keine Fortschritte. Das alles muss nochmal
beschlossen werden. Außerdem braucht das
Verkehrsministerium endlich ein eigenes Referat
für Radverkehr. Das muss natürlich der
Minister schaffen. Da hat das Parlament keinen Zugriff.
Allerdings kann man den Minister mit entsprechenden
Finanzierungshilfen dazu bringen, ein Referat
einzurichten. Man muss sich das einmal vorstellen:
selbst niedrig gegriffen laufen fünf bis zehn
Prozent des Verkehrs über Radverkehr. Dass in
einem Ministerium mit 1600 Beschäftigten
dafür kein Mitarbeiterstab zuständig ist, ist
indiskutabel und auch nicht mehr
zeitgemäß.
fairkehr: Was ist
gut am Radverkehrsplan?
Winfried Hermann: Einiges hat sich ja auch positiv
entwickelt. Es gibt inzwischen einen eigenen Titel
für Radwegebau und einen Titel für
Radverkehrspolitik.
fairkehr: 100
Millionen – sind das nicht Peanuts verglichen mit
den Summen, die für den Straßenbau ausgegeben
werden?
Winfried Hermann: Natürlich hätten wir
Grüne gerne mehr zur Verfügung gestellt.
Überraschend war dann allerdings, dass in den
ersten Jahren diese vergleichsweise geringe Summe von
den Ländern nicht einmal vollständig
abgerufen wurde, so dass wir davon für dieses Jahr
zwei Millionen Euro für die Umsetzungsarbeiten zum
Masterplan abzweigen konnten. Das ist auch zu wenig und
muss noch mehr werden. Wir brauchen einen groß
ausgeschriebenen Wettbewerb, der die
fahrradfreundlichste Stadt, den fahrradfreundlichsten
Kreis, die Verwaltung, die Betriebe etc. auszeichnet.
Für einen Wettbewerb, der nicht nur Preise
verteilt, sondern die ausgezeichneten Beispiele auch
bekannt macht, braucht man viel mehr Geld.
fairkehr: Wie
kann man Gemeinden motivieren, mehr für den
Radverkehr zu tun?
Winfried Hermann: Wir denken darüber nach, im
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz einen Mindestanteil
für die Radverkehrsförderung festzuschreiben,
damit diese Mittel für den Radverkehr abgerufen
werden. Radverkehr ist die preiswerteste Verkehrsform
überhaupt. Da kann man mit wenig Geld viel
erreichen.
fairkehr: Die
Zeit drängt, ein Fünftel der anvisierten zehn
Jahre sind schon gelaufen. Was muss jetzt schnell
umgesetzt werden?
Winfried Hermann: Wir brauchen erst einmal konkrete
Ziele mit Zwischenzielen auf den verschiedenen Ebenen.
Zum Beispiel, dass sich der Radverkehr, der zur Zeit im
Schnitt bei acht Prozent liegt, bis 2012 verdoppeln
soll. Das wäre mein „grüner“
Wunsch. Das ist ehrgeizig, aber zu schaffen, wie einige
Städte bereits bewiesen haben. Außerdem
plädiere ich für eine Offensive
„Preiswerte Radwege mit Pinselstrich“ auf
den Straßen. Und schließlich brauchen wir ein
Lückenschlussprogramm zur Verbesserungen des
deutschlandweiten Radwegenetzes.
Interview: Regine
Gwinner
|