Nationaler Radverkehrsplan 2002–2012 Das Fahrrad braucht Hilfe Im April wird der Nationale Radverkehrsplan zwei Jahre alt. Da die Bundesregierung es bisher konsequent vermieden hat, das Projekt mit messbaren Zielen, einem Zeitplan und einem eigenen Haushalt auszustatten, blieb der gutgemeinte Förderplan für den Radverkehr bisher folgenlos.
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Im organigramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen sucht man den Radverkehr vergeblich. Keiner zuständig? Das wäre fatal, denn die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen: Im Sommer 2001 hat das Parlament einen Nationalen Radverkehrsplan nach Beispiel des niederländischen „Masterplan Fiets“ beschlossen. Es beauftragte das Verkehrsministerium, innerhalb von zehn Jahren den Radverkehr zu revolutionieren und die Deutschen zu überzeugten Radlern zu machen. Das ist bisher nicht gelungen – und keiner wundert sich. Denn der vom Verkehrsministerium im April 2002 veröffentlichte „Nationale Radverkehrsplan FahrRad“ ist genauso richtig wie unkonkret. Er drückt sich vor genauen Zielvorgaben und vor Terminen für deren Umsetzung. „Der Nationale Radverkehrsplan, wie er bisher vorliegt, ist in erster Linie ein Bericht der Bundesregierung und kein Plan“, sagt die Verkehrsplanerin Juliane Krause, die die Veröffentlichung mit erarbeitet hat. Das soll sich nun schleunigst ändern: Mit drei Planerkollegen wird die Radverkehrsexpertin, die auch den VCD wissenschaftlich berät, bis Mai ein Strategiekonzept zum Radverkehrsplan erstellen. „Das soll dann auch klare Ziel- und Zeitvorgaben enthalten“, verspricht Krause. Hier könnte der VCD helfen: Er stellte in seinem „Masterplan Fahrrad“ bereits im Jahr 2000 konkrete Forderungen für den Radverkehr auf. Halbherzig dabei Nun ist es höchste Zeit für die
Bundesregierung nachzubessern, denn seit 2002 tickt die
Uhr für den Radverkehrsplan – bisher
allerdings ohne spürbare Folgen für die
Radfahrer. Noch ist es zwar zu früh, um messbare
Erfolge einzufordern. Aber selbst wenn man nach bereits
ergriffenen Maßnahmen sucht, bleibt das Ergebnis
dürftig. Vergeblich sucht man nach einer Stabsstelle Radverkehr im Bundesministerium für Verkehr. Ihre Arbeit machen – für den Bund weitgehend kostenneutral – die sogenannten „Unterarbeitskreise zum Bund-Länder-Arbeitskreis Radverkehr“. Das sind fünf Arbeitsgruppen, die der Bund einrichtete, um möglichst viele Behördenvertreter und Interessengruppen in den Entwicklungsprozess einzubinden. Viele vielbeschäftigte Menschen – Bürgermeister, Mitarbeiter aus Bundes- und Länderministerien, Verbändevertreter, Verkehrsplaner, Touristiker etc. – nahmen sich die Zeit, wiederholt zu den Themen „Ordnungsrahmen“, „Finanzierung“, „Koordinierung“, „Tourismus“ und „Kommunikation“ zu tagen. Nach einem guten Jahr kamen alle Arbeitskreise zum gleichen Ergebnis: Ohne Geld ist der Radverkehr nicht zu fördern. Der Arbeitskreis Kommunikation stellte schnell ein erhebliches Informations- und Kommunikationsdefizit auf allen Ebenen in Sachen Radverkehr fest – und verbrachte aus Mangel an Geld die folgenden Sitzungen mit dem Verfassen von Infobriefen. Der Arbeitskreis Fahrradtourismus scheiterte letztendlich daran, dass er nicht so genau wusste, worüber er redete: Es fehlte ihm schlicht an den Mitteln, um die nötigen Studien in Auftrag zu geben. Der Arbeitskreis Finanzen hatte den Auftrag, die Kosten des Mammutprojektes zu ermitteln, Geldquellen zur Finanzierung aufzutun und Fördermöglichkeiten zusammenzustellen – all das möglichst ohne den Bund zu belasten. Das Fazit auch hier: Es fehlt nicht nur an Geld für handfeste Infrastrukturmaßnahmen, sondern auch an Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit, Studien, Forschungsprojekten, Wettbewerben, Personal und vielem mehr. Ohne eine Anschubfinanzierung durch den Bund ist ein so weitreichendes Projekt nicht zu starten. „Wir haben hier ein übermächtiges Strukturproblem“, sagt VCD-Vorstandsmitglied Monika Ganseforth. „Der Straßenbau bindet unvergleichlich mehr Mittel und Stellen als der Radverkehr. Er verfügt über eigene Abteilungen und ist hierarchisch in allen Institutionen weit oben angebunden. Dagegen wirkt der Radverkehr immer wie ein nicht unbedingt nötiges Zusatzgeschäft.“ Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) klagt über mangelnde Information in den Verkehrsministerien: „Von den Referaten im Verkehrsministerium wissen nur die wenigsten überhaupt, worum es im Nationalen Radverkehrsplan eigentlich geht“, sagt Wilhelm Hörmann, Verkehrsreferent beim ADFC. Daher fordert der ADFC unter anderem ein ministeriumsinternes Marketing für den Fahrradplan. „Ich fände es wünschenswert, dass ein Teil der für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung gestellten Mittel für die interne Fortbildung in den Bundes- und Länderministerien genutzt wird“, sagt auch VCD-Vorstand Ganseforth. „Da ist die Bedeutung des Radverkehrs viel zu wenig bekannt.“ Ganseforth weiß, wie wichtig überzeugte Vorreiter für die Umsetzung des Radverkehrsplans sind: „Ich habe den Plan von parlamentarischer Seite aus erarbeitet und weiß noch gut, was für ein Kampf das war“, sagt die ehemalige SPD-Abgeordnete. „Inzwischen sind viele von denen, die sich damals für den Radverkehr eingesetzt haben, nicht mehr da. Ich befürchte, dass ein solches Thema ohne starke Identifikationsfiguren schnell wieder in Vergessenheit gerät.“ Ein wichtiges Beispiel für Monika Ganseforth: „Bremen ist fahrradfreundlich, weil Henning Scherf überzeugter Radfahrer ist. Das Thema muss von oben überzeugend gewollt sein, damit es sich durchsetzt.“ Außerdem setzt die VCD-Vorstandsfrau ganz auf Öffentlichkeitsarbeit und Druck von der Basis. Viel Mobilität für wenig Geld Die Basis – das sind Verbände wie VCD und ADFC, aber auch die notorisch verschuldeten Kommunen, für die im Radverkehr eine besondere Chance liegt. „Es ist absolut zutreffend, dass wer in den Radverkehr investiert, für wenig Geld viel Mobilität bekommt“, sagt Carsten Hansen, Referatsleiter für Wirtschaft, Verkehr und Tourismus beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. „Aber mit der Investition in den Radweg allein ist es nicht getan. Es folgen die laufenden Kosten für Pflege, Unterhalt, Wegweisung und so weiter.“ Grundsätzlich hält Hansen den Nationalen Radverkehrsplan für eine gute Sache – mit einer kleinen Einschränkung: „Der vorliegende Plan macht ein kleines bisschen den Eindruck, dass Bund und Länder aufgeschrieben haben, was die Kommunen zu leisten haben. Das muss noch kooperativer werden. Es ist in Ordnung, dass Bund und Länder den gesetzlichen Rahmen schaffen. Sie müssen aber daran denken, dass die Kommunen ihn anwenden und umsetzen müssen.“ Hier sieht Hansen ein grundsätzliches Problem: „Der Bund kann wünschenswerte Vorgaben formulieren. Die Kommunen müssen in der Praxis entscheiden, ob das Wünschenswerte auch machbar ist – in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Interessengruppen.“ Da ist sie wieder, die Basis, die den Radverkehr vor Ort auch wollen muss. Als die Stadt Bonn, eine der „fahrradfreundlichen Städte Nordrhein-Westfalens“, ihre Fahrradinfrastruktur innerhalb kürzester Zeit massiv verbesserte – hin und wieder auch auf Kosten des Autoverkehrs – tobte ein Sturm der Empörung durch die lokale Presse. Radverkehr wurde zum zentralen Thema des Kommunalwahlkampfes und war scheinbar entscheidend für die Abwahl des rot-grünen Stadtparlaments. Zumindest in diesem Fall war Radverkehr keine Frage des Geldes. „Viele Kommunen betreiben den Radwegebau trotz leerer Kassen weiter, weil es politischer Wille ist“, beobachtet Ernst Salein, Referatsleiter im Verkehrsministerium von Nordrhein-Westfalen. „Gerade bei leeren Kassen bringen die Kommunen noch eher den Eigenanteil für ein Radverkehrsprojekt auf als für ein fünfmal so teures Straßenbauprojekt“, sagt er. Wer Radverkehr fördert, bekommt aber nicht nur mehr Verkehr für weniger Geld: „Investition in den Radverkehr ist auch eine ganz direkte lokale Wirtschaftsförderung“, sagt Ernst Salein. „Das sind Projekte, die auch für kleine Baufirmen – wie es sie vor Ort gibt – geeignet sind. Bei den großen Straßenbauprojekten, für die es zehn Planierraupen braucht, müssen große Firmen von auswärts anrücken und die kleinen vor Ort gehen pleite.“ Die Fördermittel, die zur Zeit für Radverkehrsinfrastruktur bereitstehen, sind zwar verglichen mit dem gesamten Verkehrshaushalt der Bundesregierung lächerlich gering, dennoch werden sie bisher nicht voll ausgeschöpft. Wenn das Geld aus den 1,7 Milliarden kommen soll, die im Gemeindeverkehrsfinanzierungs-Topf (GVFG) für Verkehrsprojekte – von der Umgehungsstraße über die Straßenbahnlinie bis hin zum Radweg – zur Verfügung stehen, muss die Gemeinde das Projekt beim Verkehrsministerium ihres Landes beantragen. Hier konkurriert dann eventuell das Radverkehrskonzept mit Straßenbauprojekten, die mehr Renommee versprechen. „Das ist aber in der Realität kein Problem“, sagt Ernst Salein, der diese Mittel in NRW verwaltet. „2004 bekommen wir etwa 150 Millionen Fördermittel aus GVFG-Mitteln. Unter 10 Prozent davon verbrauchen wir für die 34 Radverkehrsprojekte. Radverkehr ist verglichen mit anderen Maßnahmen einfach günstig.“ Auf Druck der Länder erleichterte der Gesetzgeber inzwischen die Förderung für den Fahrradwegebau aus GVFG-Mitteln. Nun dürfen die Gemeinden nicht mehr nur Fahrradwege direkt an Bundesstraßen aus diesem Topf finanzieren, sondern auch Radwege von überregionaler Bedeutung, die abseits der Bundesstraße liegen. „Das GVFG ist nicht mehr nur für den motorisierten Verkehr da“, fasst Ernst Salein diesen Erfolg zusammen. Natürlich weiß Salein auch um die Geldknappheit vieler Kommunen und um die Schwierigkeiten bei den aus GVFG-Mitteln finanzierten Verkehrsprojekten den Eigenanteil von bis zu 25 Prozent aufzubringen. In NRW beobachtet er jedoch keinen Rückgang bei den Radverkehrsanträgen: „Die Kommunen, die mit dem GVFG umgehen können, fahren nach wie vor gut damit“, sagt er. Die Basis aktivieren Etwa 50 Millionen Euro Fördermittel pro Jahr
gibt NRW seit 1978 für den Radverkehr aus –
Tendenz leicht sinkend. Wieviel das für ein
einziges Bundesland ist, versteht man, wenn man die
Summe mit den Fahrradfördertöpfen der
Bundesregierung vergleicht. Für 2002 verdoppelte
der Bund im Rahmen des Radverkehrsplans die Mittel
für den Radwegebau entlang der Bundesstraßen
auf 100 Millionen. 80 Prozent davon wurden abgerufen.
2003 waren es immerhin bereits 95 Prozent. Zwei der
verbleibenden 5 Millionen wird der Bund nun für
sogenannte „weiche“ Maßnahmen rund um
den Radverkehr umwidmen. Auf einen
Brainstorming-Workshop, zu dem Umweltbundesamt und
Verkehrsministerium Firmen und Verbände luden,
folgte eine Flut von Förderanträgen –
für Kongresse, Wettbewerbe, Studien und viele
andere nötige Aktionen. Hier würde sie gerne
aktiv, die Basis, die mit geringsten Budgets
Beachtliches auf die Beine stellt. Regine Gwinner |
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