Radfahren in Kroatien Von Insel zu Insel Glasklares Wasser und einsame Buchten, Cappucchino und Eis wie in Italien: Kroatien ist kein Geheimtipp mehr, aber längst nicht so überlaufen wie das berühmte Nachbarland. fairkehr-Redakteurin Valeska Zepp hat die vielleicht schönste Art Kroatiens Adria zu entdecken getestet und reiste mit Motorsegler und Rad von Insel zu Insel. |
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„Dobro jutro – guten Morgen! Habt ihr gut geschlafen?“ begrüßt Azra jeden Morgen nach dem Frühstück ihre Reisegruppe. „Dobro, dobro – gut, gut“, murmeln wenige zurück. Das Motorengeräusch der Plomin übertönt sie beinahe. Die Plomin ist eines der vielen Segelschiffe, die sich vor allem im Sommer in der Kvarner Bucht tummeln. Das Boot ist 27 Meter lang, sieben Meter breit, hat zwei Masten und einen Motor – gesegelt wird nur noch fürs Foto.
Der gestrige Kroatisch-Kurs zeigt noch keine große Wirkung bei den 24 deutschen Passagieren. Schiffskellnerin Ivana, die gerade die Tische abräumt, schaltet sich ein: „Hey, ich hab euch doch gesagt: Wer kein Kroatisch spricht, bekommt weder Kaffee noch Bier von mir.“ Ivana hat immer einen frechen Spruch auf den Lippen, aber die Urlauber lassen sich das von der 19-Jährigen mit den blonden Wikingerzöpfen gerne gefallen.
Reiseleiterin Azra ist 26. Sie stammt aus Sarajevo und zeigt seit zwei Jahren von April bis Oktober deutschen Urlaubern die Kroatische Inselwelt. Außer ihr und Ivana kümmern sich Kapitän Klaudio, Miro, der Maschinist, Jadro, der Koch – von dem Azra behauptet, er sage nicht viel, aber seine Gerichte sagten alles – und Radbegleiter Oliver um Schiff und Gäste. Die deutschen Urlauber unternehmen auf der Plomin keine gewöhnliche Schiffsreise. Sie machen Inselhüpfen, eine Mischung aus Fahrradurlaub und Kreuzfahrt. Zwei Dutzend Fahrräder stehen an Deck bereit. Die Zusammensetzung der Gruppe ist gemischt: Viele Paare sind dabei, eine Hand voll Alleinreisende – das Alter reicht von dreißig bis über sechzig. Ehrgeizige Vielfahrer sind darunter, die mit perfekter Ausrüstung den sportlichen Kick suchen, aber auch Alltagsradler, die noch nie längere Touren gefahren sind und gerne mal einen Nachmittag an Bord verbringen.
Über 1000 Inseln liegen verstreut in der kroatischen Adria, sechzig davon sind bewohnt. Mit Schiff und Fahrrad lassen sich die Inseln und das Meer dazwischen am besten erkunden. Ein typischer Tag beginnt nach dem Frühstück mit der Vormittagsetappe per Rad zum nächsten Hafen, wo das Schiff mit dem Mittagessen wartet. Dann die zweite Etappe am Nachmittag mit Badepause, wenn Wetter und Zeitplan es zulassen. Abends treffen sich die Radler zum Essen auf dem Schiff und dann gibt es Pivo (Bier) an Bord oder in einer der Hafenbars. Für Abwechslung sorgen die unterschiedlich anspruchsvollen Radtouren und die Inseln selbst. Cres, zum Beispiel, ist steil, zerklüftet und geprägt von der Macchia, eine durch Rohdung, Verbiss und Holzeinschlag entstandene Kulturlandschaft mit dichten Rosmarinbüschen, Wachholder und Erdbeerbäumen. Die Strecke von der Hauptstadt Cres bis zur Hafenstadt Ossor, wo die Inseln Losinj und Cres beinahe aneinander stoßen, ist ca. 35 Kilometer lang mit 340 Höhenmetern – für Reiseleiterin Azra die Königsetappe. „Ihr könnt den Weg gar nicht verfehlen. Es geht immer, immer geradeaus, über ein paar kleine Hügelchen und schon seid ihr am Hafen von Ossor“, erklärt sie der Gruppe und verteilt Karten mit der markierten Strecke. Jeder kann sein eigenes Tempo fahren, die Zeit ist großzügig bemessen. Fahrradguide Oliver ist bepackt mit Werk- und Flickzeug. Er fährt immer hinten und passt auf, dass alle mitkommen. „Kleine Hügelchen“ ist eine niedliche Untertreibung für das stetige auf und ab und die endlosen Steigungen. Auf halber Strecke beginnt es zu regnen. Der empfohlene Blick in die tiefe Schlucht zur Rechten, auf den Vraner See, der ein natürliches Süßwasserreservoir für Cres und Losinj ist und unter Naturschutz steht, fällt entsprechend kurz aus. Aber auch bei grauem Himmel leuchtet der See in der Ferne noch türkisgrün. Dass es gießt wie aus Eimern, daran ist Jugo schuld, ein feuchtwarmer Wind, der vom Meer kommend dunkle Regenwolken über den Inseln auftürmt. Selbst die Radler mit High-Tech-Kleidung kommen nass bis auf die Unterwäsche und mit aufgeweichten Händen am Schiff an. Schlechte Laune hat trotzdem niemand. Die anstrengende Etappe hat genügend Endorphine freigesetzt. Ivana kann sich beim Anblick der nassen Meute ein Lachen kaum verkneifen. Sie hat im Salon Tee und eine große Flasche Rum bereitgestellt. Aber zuerst müssen die triefenden Klamotten vom Leib. Miro, der Maschinist, nimmt nasse Schuhe in Empfang und stellt sie zum Trocknen in den Maschinenraum. Alle freuen sich auf eine heiße Dusche. Jede der Zweier-Kabinen hat ein eigenes kleines Bad. Die Brause ist einfach in die Decke geschraubt. Wer duscht, setzt das Bad samt Toilette und Waschbecken unter Wasser, aber die Wärme tut gut. Bora und Jugo Kapitän Klaudio verspricht für die nächsten Tage gutes Wetter. „Wenn der Bora, ein starker Wind vom Land, wie angekündigt kommt, schiebt er die Regenwolken zurück übers Meer. Morgen wacht ihr bestimmt unter blauem Himmel auf“, erklärt der Kapitän in gebrochenem Englisch das Inselwetter. Er behält recht: Der Kampf zwischen Jugo und Bora ist nach der stürmischen Nacht vorbei. In den nächsten Tagen, auf den Inseln Dugi Otok und Pag, sind kaum Wolken am Himmel. Perfektes Wetter zum Radfahren aber auch für einen faulen Lesenachmittag auf dem Sonnendeck oder für einen gewagten Sprung von Bord ins Meer zum Schwimmen oder Schnorcheln.
Auf Rab legt die Plomin im Dunkeln an. „Wer Lust hat, kann gleich noch eine kleine Stadtführung mitmachen“, ruft Azra nach dem Abendessen in die Runde. Eine Stadtführung im Dunkeln? Das klingt spannend, und so folgen ihr fast alle durch die schmalen Gässchen zu den vier angestrahlten Türmen von Rab, die nach den Jahreszeiten benannt sind, und lauschen den Berichten über die „schönste Stadt der Inselwelt“.
Für den nächsten Tag kündigt Azra einen Ausflug zur Südostküste Rabs an – eine Fahrt „ins Nichts“. Nach einem zähen Start über die Strandpromenade und ein paar „kleinen Hügelchen“ erreicht die Gruppe den letzten üppig bewachsenen Berg vor dem angekündigten „Nichts“. Auf der schnellen Abfahrt zum Meer verändert sich die Landschaft nach jeder Kurve: Zuerst verschwinden die Bäume und es stehen nur noch vereinzelt Sträucher und Hecken auf den Felsen. Nach der nächsten Kurve verschwinden auch diese. Nur noch Grasflecken sind wie blasses Konfetti über die steinige Landschaft verstreut. Unten am Wasser sind die Felsen schließlich weiß und nackt ohne einen einzigen Grashalm. Azra hat nicht zu viel versprochen: Hier ist wirklich nichts mehr außer Steinen und Meer. Jugo, Bora und die Wellen haben tiefe Kerben und Rillen in den weißen Kalkstein gefräst. Jetzt sieht die Küstenlinie so zerfurcht aus wie das Gebiss eines riesigen Wiederkäuers. Eine Schotterpiste führt hinunter bis zum knallroten Leuchtfeuer – dort soll es angeblich die schönsten Steine geben. „Endlich mal kein Asphalt unter den Reifen“, freut sich die Fraktion der Mountainbiker und saust los. Die Gefängnisinsel Am Nachmittag bekommen die Radfahrer auch die grüne, üppig bewachsene Seite von Rab zu sehen. Bis Lopar sind es nur 17 Kilometer – nach den Etappen der letzten Tage nur ein Katzensprung. Das schwimmende Hotel nimmt Kurs auf den nächsten Übernachtungshafen: eine ehemalige Gefängnisinsel für Frauen. Schon von weitem leuchtet „Tito“ von der Insel – ähnlich dem Hollywood-Schriftzug in L.A. Aus weißen Steinen gelegt steht der Name auf dem einzigen Berg der Insel. Azra erklärt später, dass die inhaftierten Frauen die schweren Steine auf den Berg tragen mussten. Die Gefängnisvergangenheit ist überall auf der winzigen Insel präsent: Verfallene Gebäude am Strand, Wachturmruinen und Mauerreste im Wald, ein pechschwarzes, vermodertes Hafenbecken. Unheimlich und bedrückend. Beim Erkunden der Gefängnisreste beginnen alle automatisch zu flüstern. Aber am großem Feuer und beim Essen am Strand verfliegen die düsteren Gedanken schnell. Die Urlauber bestellen bei Ivana Getränke: „Dva pivo, molim.“ Zwei Bier, bitte. Ivana strahlt: „Am Ende können es dann doch immer alle!“ Valeska Zepp
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