Bundesimmissionsschutzgesetz Schlechte Luft – bald illegal Autoabgase machen krank – trotzdem steigen motorisierter Individual- und Güterverkehr kontinuierlich. Das Bundesimmissionsschutzgesetz bietet große Chancen für eine ökologische Verkehrspolitik.
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Wer in der Stadt lebt atmet täglich Schadstoffe ein, oft in hohen Konzentrationen. Viele Luftschadstoffe gefährden die Gesundheit und können sogar Krebs erzeugen. In Europa leben 75 Prozent aller Menschen in Städten. 30 bis 40 Prozent davon sind Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt, die die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation weit überschreiten. Allein in Österreich, der Schweiz und in Frankreich sterben jährlich 40000 Menschen an den Folgen schlechter Stadtluft. Um die Immissionsbelastung der Luft europaweit zu verringern, hat die EU-Kommission 1999 eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht: die EU-Rahmenrichtline zur Verbesserung der Luftqualität. Vier Tochterrichtlinien legen Grenzwerte für Luftschadstoffe fest, die sich am Schutz der menschlichen Gesundheit orientieren. Die EU fordert darüber hinaus, die Öffentlichkeit regelmäßig über den Grad der Luftbelastung zu informieren. Der Bund hat die Richtlinien mit der siebten Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BimSchG) 2002 in nationales Recht überführt. In Deutschen Städten sorgen vor allem Stickoxide und Feinstäube wie Rußpartikel für dicke Luft. Hauptverursacher dieser Immissionen ist der Straßenverkehr. Die erste der vier Tochterrichtlinien beschäftigt sich mit verkehrsrelevanten Immissionen: Stickoxide, Partikel (PM10), Schwefeldioxid, und Blei. Ab 2005 müssen die Grenzwerte für Partikel eingehalten werden, die für Stickoxide ab 2010. Dabei geht es zum einen um Jahresmittelwerte und zum anderen um Tagesmittelwerte, die höchstens 35 mal im Jahr überschritten werden dürfen.
Ein Netz von Messstationen überwacht mittlerweile die Luftqualität. Bis Ende letzten Jahres mussten Länder und Städte der EU melden, in welchen Bereichen es Probleme gibt. Bis Ende diesen Jahres müssen sie für diese „Problemzonen“ Luftreinhaltepläne erstellen, um die Grenzwerte künftig einzuhalten. Betroffen sind zwischen 70 und 120 Kommunen. Dort herrscht meist Hilflosigkeit, wie die Pläne auszusehen haben. Maßnahmen wie allgemeine Tempolimits oder Bestrebungen, den Straßenverkehr generell zu reduzieren, werden oft gegen die starke Automobil- und Wirtschaftslobby nicht durchgesetzt. Fahrverbote vermeiden Augsburg wird, vermutlich als erste deutsche Stadt, im kommenden August seinen Luftreinhalteplan vorlegen. Auch in der bayerischen Stadt ist der motorisierte Verkehr eine wesentliche Ursache für die Feinstaubbelastung. „Wir haben einen umfassenden Maßnahmenkatalog erstellt, der sich überwiegend auf den Straßenverkehr bezieht“, erklärt Thomas Schaller, Umweltreferent der Stadt Augsburg und ehemaliger VCD-Vorsitzender. Der Luftreinhalteplan enthält Maßnahmen, die alternative Angebote zum Autoverkehr fördern aber auch solche, die die Attraktivität des Autoverkehrs einschränken. Er ist in zwei Stufen angelegt. Die Erste enthält Maßnahmen wie zum Beispiel den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs mit zwei neuen Straßenbahnlinien oder der Einrichtung eines Güterverkehrzentrums zur Verlagerung der Güter auf die Schiene. Die zweite Stufe, die drastischere Maßnahmen wie Fahrverbote oder Straßennutzungsgebühren fordert, kommt nur zum Tragen, wenn mit der Ersten die vorgeschriebenen Grenzwerte nicht eingehalten werden können. In Hessen ist man längst nicht so weit. Das Land und die betroffenen Kommunen befinden sich noch im Abstimmungsprozess über geeignete Maßnahmen. „Wir versuchen selbstverständlich die Reinhaltepläne pünktlich abzuliefern. Aber garantieren kann ich das nicht“, sagt August Thormann, Leiter des Referats Immissionsschutz in Hessen. Konkrete Vorschläge hat Thormann nicht. Es gebe so viele Möglichkeiten, die müsse man erst einmal überprüfen. Vor allem weil die Meßwerte stark von der Wetterlage abhingen. Was Thormann schon sicher weiß ist, dass Fahrverbote höchstens als „letztes Mittel“ in Frage kommen. „Wir können ja nicht die Freiheit der Menschen einschränken“, erklärt der Immissionsschutzbeauftragte. Das Bedürfnis Auto zu fahren steht also über dem nach menschlicher Gesundheit? Carsten Westerholt, VCD-Vorstandsmitglied findet „eine solch defensive Haltung unverantwortlich für Mensch und Umwelt“. „Dagegen sollten sich die Bürger wehren. Zudem müssen sich Bund und Länder für langfristig wirksame Maßnahmen einsetzen“, fordert Westerholt. Schon bei der Fahrzeugbeschaffung sollten ökologische Aspekte eine Rolle spielen – auch bei den Fahrzeugen öffentlicher Verkehrsmittel. „Der ÖPNV muss Teil der Lösung und nicht des Problems sein. Der Einsatz umweltfreundlicher Fahrzeuge, wie Erdgasbusse oder Dieselbusse mit Partikelfilter, ist unbedingt notwendig und spart langfristig sogar Geld“, erklärt Michael Müller, ÖPNV-Experte des VCD. Durch den andauernden Druck des breit angelegten Aktionsbündnisses „Kein Diesel ohne Filter“, unter maßgeblicher Beteiligung des VCD, kommt die Bundesregierung jetzt in Bewegung und setzt sich für eine baldige verpflichtende Einführung von Partikelfiltern für alle Neufahrzeuge ein. Auf die Immissionsbelastung in deutschen Städten 2005 wird das aber keine große Auswirkung haben. Die Bundesländer müssen im nächsten Jahr alle Grenzwertüberschreitungen für Feinstäube sowohl der Öffentlichkeit bekannt machen, als auch nach Brüssel melden. Werden die Grenzwerte nicht eingehalten, drohen hohe EU-Bußgelder. Bis es dazu kommt, verstreichen allerdings Jahre. Inwiefern die betroffenen Bürger die Möglichkeit haben, ihr Recht auf saubere Luft gegenüber dem Bundesland einzuklagen, ist in Juristenkreisen noch nicht zu Ende diskutiert. Dass zwischen Luftverschmutzung und Verkehrsdichte ein direkter Zusammenhang besteht, ist längst kein Geheimnis mehr. „Die Verbesserung der Kraftstoffqualität und strenge Anforderungen an die Fahrzeugemissionen alleine reichen nicht aus, um für eine bessere Luftqualität zu sorgen – ständig wachsender Personen- und Güterverkehr machen die Erfolge technischer Maßnamen zunichte“, erklärt VCD-Vorstand Westerholt. Als Hilfestellung für Städte, die nachhaltig etwas für Gesundheit und Umwelt tun wollen, hat der VCD zehn kommunale Handlungsfelder gegen verkehrsbedingte Luftverschmutzung aufgestellt, darunter Tempolimits, Car-Sharing und Verbesserungen des öffentlichen Verkehrs. „Diese Maßnahmen entsprechen den klassischen Strategien der umweltfreundlichen Verkehrspolitik – Strategien für die sich der VCD schon seit Jahrzehnten einsetzt“, so Westerholt. Valeska Zepp Weiterlesen und aktiv werden
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