Energiekonzept de Luxe
Der Eingangsbereich der Winterwelt erinnert an ein großes Einkaufszentum in alpenländischem Gewand. Die Planer haben an alles gedacht: Der Snow-Shop verkauft das ganze Jahr über Skiausrüstung. Urlaub draußen im Schnee bietet der hauseigene Reiseveranstalter. Zum Skifahren geht es eine Treppe abwärts durch einen großen Umkleidebereich mit Verleih und Spinden wie im Schwimmbad. „Anfängerin?“ fragt die junge Frau an der Theke, hinter der sich Skier, Jacken, Hosen, Schuhe und Snowboards in allen Größen und Varianten endlos aneinanderreihen. Ab Kinderkleidergröße 116 und bis Schuhgröße 50 findet hier jeder das passende Equipment. Mit wenigen Handgriffen sucht die Mitarbeiterin alles zusammen und stellt die Bindung der Skier ein. Mütze und Handschuhe bringen die Kunden selbst mit.
Über Drehschranken kontrollieren die Veranstalter, wie viele Menschen auf der Piste sind. Bis zu 500 Wintersportler können sich gleichzeitig in der Halle aufhalten, ohne dass es zu langen Wartezeiten an den Liften kommt. Jetzt, Freitag Mittag, ist es relativ leer. Um die 100 Ski-und Snowboardfahrer tummeln sich im Schnee. Das digitale Thermometer zeigt minus 4,2 Grad an. Eiskalt ist die Luft und so trocken, dass die Haut gleich spannt. In der Halle riecht es flüchtig nach Plastik. „Fühlen Sie mal! Das ist echter Pulverschnee. Er wird ausschließlich aus Wasser gemacht, das in der tiefgekühlten Luft kristalisiert“, erklärt Pressereferentin Tanja Behnke. Die feinen Eiskristalle schmelzen sofort in der Hand.
Dicht unter der hohen Hallendecke schlängeln sich dicke und dünne Rohre aus Metall – ein kompliziertes Lüftungs- und Wassersystem. „Die kleinen schwarzen Kästen zwischen den Rohren, das sind unsere Schneekanonen“, sagt Behnke und blickt stolz nach oben. Das Unternehmen „Allrounder“ hat sich sein Beschneiungssystem patentieren lassen und verkauft das Konzept mittlerweile weltweit. Auch unter der Piste verbirgt sich viel Technik: 300 Kilometer Kühlschleifen sorgen für eine konstante Temperatur, damit der Schnee schön liegen bleibt und seine Form behält. „Unsere Halle ist so gut isoliert, dass der Schnee im Falle eines Stromausfalls erst nach zwei Monaten abschmelzen würde“, erklärt Behnke. Der Energieverbrauch liege, dank dieses geschlossenen Systems, weit unter dem eines Freibades. Den Strom kaufen die Hallenbetreiber beim TÜV-zertifizierten Stromlabel AlpEnergie ein. Er stamme zu 100 Prozent aus modernen Wasserkraftanlagen in den Alpen, sagt die Pressesprecherin.
Verglichen mit Abfahrten in den Alpen ist das hier natürlich nichts, aber in der Halle sehen 110 Höhenmeter ziemlich hoch aus. Ganz oben hat der Hang immerhin 28 Prozent Gefälle und entspricht einer blau markierten Piste. Snowboarder fliegen über einen Hügel am Fuße der Piste und probieren tolle Kunststücke aus. Sie verrenken sich, dass einem schon beim Zuschauen alles weh tut. Gleich wird sich zeigen, ob Skifahren wirklich, wie Schwimmen oder Fahrradfahren, unverlernbar ist. Ganz links ist der Bereich für Anfänger, eine Piste, so groß wie ein geräumiges Wohnzimmer, mit kaum erkennbarer Steigung. Dort anzufangen kommt nicht in Frage – auch nicht nach 15 Jahren Abstinenz. Sogar die allerkleinsten Kinder sausen mit bunten Helmen den großen Hang hinunter.
Der Tellerlift auf der linken Hallenseite fährt bis zur Mitte. Ein mulmiges Gefühl macht sich breit. Aber schon bei der ersten Abfahrt ist klar: Verlernen kann man das Skifahren wirklich nicht. Die ersten Schwünge gelingen zwar nur im Schneckentempo dafür aber ohne Sturz. Kurven fahren und Bremsen klappt prima. Die neuen Carving-Ski helfen. Nach drei Fahrten ab Mittelstation geht es ganz nach oben. Einmal hoch und runter dauert im Schnitt fünf Minuten, wenn der Vierersessellift auf der rechten Hallenseite nicht stecken bleibt.
Après Ski wie in Tirol
Surrende Seile und schaukelnde Sessel lassen Urlaubsgefühle aufkommen. Buckelpiste, Schanzen und Slalomstangen bieten Abwechslung, aber irgendwann macht sich doch der Wunsch nach längeren Abfahrten breit. „Vorsicht! Ich fahre ein bisschen wild“, brüllt ein Mann um die 40 in Jeans und Regenjacke und schafft es noch eben in die Lifteinfahrt. Auf der Fahrt nach oben erzählt er, dass er vorher noch nie Ski gefahren sei. Seine Dortmunder Firma habe ihm den Tag in der Winterwelt geschenkt. „Macht Spaß, und ich komme bestimmt noch mal wieder“, sagt er, springt aus dem Lift und stürzt sich den Hang hinunter. Viele Anfänger lernen in der „Allrounder Winterworld“ Ski fahren, bevor es in die Berge geht, und für einen Tag Schneevergnügen zwischendurch reicht die Abfahrt allemal.
Um sieben Uhr abends beginnt der günstige Mondscheintarif. Die Leute stehen im Umkleidebereich Schlange, um vor der Party noch ein paar Abfahrten zu machen. In der Stiegel Alm sitzt man schon beim Après-Ski. DJ Charly legt den „Anton aus Tirol“ auf. Den meisten scheint es zu gefallen. „Mit Partybussen kommen am Wochenende fast zweitausend Menschen pro Abend, die meisten aber nur zum feiern“, sagt Frau Behnke. Der Eintritt zur Party ist frei. Die Bilanz des Ski-Tages: Lust auf mehr und das nächste Mal gerne unter freiem Himmel mit weiter Sicht auf hohe Berge. Valeska Zepp |