Die Vermutung liegt nahe, das alles sei ein Trainingsprogramm zur Steigerung der Globalisierungsfähigkeit. Von wegen Hotline! Oder heißt das deshalb so, weil man bei dieser vertonten Warterei nur allzu leicht ins Schwitzen kommt?
Hier läuft was schief. Unterstellt wird, dass Anrufer nicht warten können und sich ohne Ablenkungsprogramm dieser Welt hilflos ausgeliefert erfahren. Aber was ist eigentlich am Warten so schlimm, dass man es akustisch verschleiern müsste? Man könnte ja zum Beispiel während des Wartens eine Glosse über die verlorengegangenen Fähigkeiten, warten zu können schreiben. Davon jedoch wird man per fremdbestimmter fürsorglicher Belagerung abgehalten. Vielleicht besteht der Zweck des musikalischen Terrors ja gerade darin zu verhindern, dass man eine Glosse übers Warten schreibt. Wahrscheinlicher ist jedoch die These, dass sich eine Gesellschaft, die sich nur allzu gerne „Dienstleistungsgesellschaft“ nennt, an jedem Ort und zu jeder Zeit, verpflichtet fühlt, irgendeinen Service anzubieten. Wenn die nachgefragte Dienstleistung nicht sogleich verfügbar ist, dann verschleiert man diesen Sachverhalt indem man eine andere, nicht angeforderte, liefert. Eine solcherart belästigende Dienstleistungsgesellschaft ist nichts anderes als eine totalitäre Aktivitätsgesellschaft. In dieser muss immer etwas los sein, weil man sonst merkt, dass in ihr nichts los ist. Hastiges Warten wird akzeptiert, Warten pur nicht!
Karl Valentin hätte in seiner Warteschleife wahrscheinlich folgenden Text programmiert: „Du bleibst dran – und zwar sofort.“ Das wäre ehrlich. Eine Alternative zum heute üblichen verkümmerten Unterhaltungsprogramm, das man nicht bestellt hat.
Kh. A. Geißler aus „Wart’ mal schnell“ Minima Temporalia, Hirzel Verlag, Stuttgart 2002 (S. 205/206)
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