Schon die Anreise mit der Fähre von Kiel nach Oslo ist ein königliches Erlebnis. Allerdings
sind die ersten hoch herrschaftlichen Vertreter weniger aus Fleisch und blauem Blut, sondern aus Stahl und
Eisen. Wahlweise sticht die „M/S Kronprins Harald“ oder die „Princess Ragnhild“ in
See, um über Kattegat und Oslofjord direkt in Norwegens Kapitale einzulaufen. Mittags um zwei nehmen
die Fähren der Color Line vom Kieler Norwegenkai aus Kurs auf Oslo, um 19 Kreuzfahrt-Stunden
später dort anzulegen. Besonders das gemächliche Schippern durch den Oslofjord am frühen
Morgen ist ein königliches Vergnügen, wenn die bunt getünchten Holzhäuser an den Ufern
und auf den kleinen Inseln und Holmen auftauchen. Es versteht sich fast von selbst, dass die
„Königs“ eine eigene Insel im Fjord ihr Eigen nennen.
Jubel nach dem Ja-Wort
Das erste optische Kronjuwel der norwegischen Hauptstadt ist allerdings bürgerlicher Art: Das
klobig-kubistische Rathaus direkt am Hafen gilt nach wie vor als das bekannteste Wahrzeichen der Stadt.
Hier wird alljährlich der Friedensnobelpreis verliehen. Zur rechten Hand thront über dem
Hafenbecken die historische Festung Akershus aus dem 13. Jahrhundert, die den großen Stadtbrand von
1624 überstand.
Direkt hinter dem Rådhus schlendert der eingefleischte Royalist am authentischsten über die
Rådhusgate (Rathausstraße), die Kongens gate (Königsstraße) und die Prinsens gate
(Prinzenstraße) zum Hauptbahnhof. Die Oslo Sentralstasjon ist ein guter Ausgangspunkt für einen
königlichen Bummel, denn von hier nimmt die Karl Johan, die Vorzeige-Meile der Stadt, ihren Ausgang.
Die ersten 200 Meter des Prachtboulevards sind allerdings weniger repräsentativ und somit kein wahres
Vergnügen, es sei denn, man kann dem Straßenverkauf von Souvenirs und Hamburger-Bratereien etwas
abgewinnen und möchte für umgerechnet etwa sieben Euro einen der teuersten BigMacs der Welt
essen. In Höhe des Stortorget, dem „Großen Markt“, ändert sich die
Atmosphäre schlagartig. Freunde des europäischen Hochadels bekommen feuchte Hände, denn
hier steht der Dom, in dem sich Mette-Marit und Haakon so ergreifend ihr Ja-Wort gaben. Zehntausende,
rot-weiß-blaue Fähnchen schwingende Landsleute drängten sich damals auf dem Stortorget, um
dem Thronfolger-Paar auf dessen Fahrt zum königlichen Schloss zuzujubeln. Dabei sind die
Nordmänner und -frauen keinesfalls skurrile und fanatische Royalisten, doch die seit jeher
praktizierte Volksnähe der Königsfamilie macht ihre Vertreter bei den Nachfahren der Wikinger so
beliebt.
Volksnahe Königsfamilie
Der Weg, den die frisch Vermählten seinerzeit nahmen, biegt wieder auf die Karl Johan gate ein.
Auf ihrem Scheitelpunkt angekommen, erkennen wir gut einen Kilometer vor uns das Königliche Schloss.
Hier endet zwar die Fußgängerzone, aber keineswegs der Stadtrundgang. Es geht vorbei am
Parlament Stortinget, am traditionsreichen Grand Café, am Nationaltheater und der
Universität.
Die letzten 200 Meter hinauf zum Schloss flanieren wir dann wieder autofrei. Wer wissen will, ob
Mette-Marit oder ein anderes Mitglied der Familie zu Hause ist, schaut hoch zum Dach. Weht die Fahne mit
dem goldenen Tiger auf rotem Grund über der Residenz, so bestünde die Möglichkeit zum
königlichen Kaffeeklatsch. Doch da ist die Königliche Garde vor, die ähnlich akkurat wie
ihre britischen Pendants – aber ohne Bärenfell auf dem Kopf – Wache schiebt. Einen Besuch
im Schlosspark verwehren die adrett Uniformierten aber nicht. Hier kann jeder seine Picknickdecke
ausbreiten ohne des Feldes verwiesen zu werden – besagte praktizierte Volksnähe der
Königsfamilie eben.
|