Durch Dresdens Neustadt
Nicht nur Edeltourismus und Vorzeigeviertel profitierten vom Sanieren nach der Flut: An der Fassade des
Stadtteilhauses im Szene- und Kneipenviertel Äußere Neustadt sieht man noch, wie hoch das Wasser
im vergangenen Jahr gestanden hat. Der mehrstöckige Altbau liegt direkt am Ufer des Flüsschens
Prießnitz, das damals – wie so viele andere Rinnsale – plötzlich um mehrere Meter
stieg und alles in seiner Umgebung mit Wasser und Schlamm überflutete. Die Kneipe im Souterrain war
schnell wieder gesäubert und geöffnet, auch die gemauerte „Freitreppe“, die vom
idyllischen Biergarten aus zum Flussbett hinunter führt. „Eine ironische Anspielung auf die
großen Freitreppen am anderen Elbufer, auf denen die Schlossherren aus ihren Lustschlössern
hinunter zum Fluss schreiten“, sagt Michael Böttger vom Dresdner StattReisen-Veranstalter
Igeltour. „Hier kann man im Sommer wunderschön mit einem Glas Wein sitzen und den Abend
genießen.“ Böttger zeigt seinen Gästen ein Dresden jenseits des Massentourismus.
Alltagskultur, jüdische Geschichte und Gegenwart, Straßenbahntouren, Stadtführungen auf den
Spuren berühmter Persönlichkeiten oder Literaturspaziergänge gehören zum Programm von
Igeltour.
Wer mit Böttger durch die Dresdner Neustadt schlendert, erlebt eine abwechslungsreiche Mischung
aus Alltagsanekdoten, historischen Stätten, persönlichen Begegnungen, großen
Sehenswürdigkeiten und kleinen Einblicken ins Leben des Viertels. „Hier werden die meisten
Neustädter geboren“, sagt der StattReisen-Mitarbeiter und zeigt auf das Diakonissenkrankenhaus
des Viertels. Dann erzählt er, wie im vergangenen August das Wasser stieg und Hunderte von Patienten
schnellstens verlegt werden mussten und wie innerhalb kürzester Zeit ein endloser Konvoi von
Krankentransportern aus dem Dresdner Umland vorfuhr und die Menschen aufnahm.
Auf der anderen Straßenseite fahren eher Touristenbusse im Konvoi vor, um ihren Gästen eines
der inoffiziellen Dresdner Wahrzeichen vorzuführen: den Milchladen „Pfund’s
Molkerei“, in dem mehr als 3500 handbemalte Jugendstilfliesen von Villeroy &Boch Wände und
Decken schmücken. Massentourismus hin oder her – die Buttermilch, die man sich aus großen
Kannen selbst zapfen kann, schmeckt selbst im Trubel köstlich. Nicht weit von der Molkerei liegt
– ganz unspektakulär zwischen den Häusern – der alte jüdische Friedhof
Dresdens, der Krieg, Zerstörung und schließlich auch noch das Hochwasser unbeschädigt
überstanden hat.
Bekannt ist die Neustadt vor allem wegen ihrer über 200 Cafés und Kneipen und den vielen
kleinen ungewöhnlichen Läden, Galerien und Werkstätten. Böttgers Führung macht
nicht vor dem Schaufenster halt. Um die Vielseitigkeit seines Viertels zu zeigen, führt er seine
Kunden auch in die Läden und lässt ihnen Zeit, mit den Besitzern zu reden. Ein kleiner Verein
betreibt einen Architektur-Buchladen. Ein paar Meter weiter findet sich eine Galerie für esoterische
Kunstwerke. Günstige Hostels sprießen aus dem Boden und bieten Kneipengängern direkt vor
Ort eine günstige Übernachtungsmöglichkeit. Zwischen zwei Kneipen öffnet sich
unauffällig der Eingang zu den aufwändig designten Dresdner Kunsthöfen. Kleine Passagen
führen von Hof zu Hof. Die Kunsthöfe beherbergen Cafés, Kneipen, kleine Läden,
Werkstätten und Wohnungen. Im „Hof der Tiere“ tragen riesige, geschälte
Baumstämme geflochtene Körbe, die als Balkons dienen. Eine Herde steinerner Wildschweine lagert
lebensecht am Fuß eines solchen Stammes. Vögel und Fische schmücken den Brunnen, der das
Zentrum des kleinen Hofs bildet. Stein- und Stahlskultpturen, Naturmaterialien, Fresken, Mosaike und
Wasserspiele machen jeden Hof zum eigenständigen Kunstwerk.
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