fairkehr: In Anbetracht aller Pannen bei der Planung des Flughafens Berlin-Brandenburg-International (BBI) – wird er überhaupt realisiert?
Cramer: Ich denke, ja. Berlin hat jährlich 13 Millionen Flugpassagiere und wickelt die auf drei Flughäfen ab. In London werden auf fünf Flughäfen 130 Millionen Fluggäste abgefertigt. Verglichen mit London bräuchten wir nur einen halben Flughafen. Wir sind luftverkehrliche Provinz. Das liegt an der geringen Industriedichte in der Region und an der mit 5 Millionen geringen Bevölkerungszahl. Zudem sind wir umgeben von konkurrierenden Flughäfen: Halle/Leipzig, Dresden, Hannover, Bremen und Hamburg – nicht zu vergessen auch Warschau.
fairkehr: Das Planfeststellungsverfahren für BBI am Standort Schönefeld musste im Frühjahr wegen erheblicher Mängel teilweise neu aufgerollt werden. Scheitert das Projekt an Dilettantismus?
Cramer: Ich hoffe nicht. Die Verzögerungen sind vor allem durch den missglückten Privatisierungsversuch verursacht. Das einzig Positive an der bisherigen Pannengeschichte ist, dass man die Planfeststellung von der Privatisierung getrennt hat. Die Planfeststellung läuft, wir erwarten den Beschluss im nächsten Jahr, gegen den sicher geklagt wird. Ich rechne mit Auflagen beim Lärm- und beim Umweltschutz. Insbesondere die Bodenkontamination ist bedenklich. Allerdings werden die Altlasten nur dann unverzüglich saniert, wenn der Flughafen dort gebaut wird.
fairkehr: Der Flughafen sollte ursprünglich 2007 in Betrieb gehen. Inzwischen ist von 2010 die Rede.
Cramer: In Berlin stimmt kein Termin, die sind alle politisch vorgegeben. Ich glaube aber nicht, dass es so lange wie in München dauern wird – dreißig Jahre. Und: Berlin ist ja nicht abgekoppelt vom Flugverkehr, hier gibt es bereits eine funktionierende Infrastruktur. Es geht darum, aus finanziellen, ökonomischen und ökologischen Gründen aus drei Flughäfen einen zu machen.
fairkehr: Seit einiger Zeit gibt es eine von der Landesregierung Sachsen-Anhalt gestützte Initiative, in Stendal einen Großflughafen für die Region unter Einschluss von Berlin-Brandenburg zu bauen. Welche Chancen geben Sie diesem Projekt?
Cramer: Es ist logisch, dass der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt einen Flughafen fordert, weil er sich einen Standortvorteil verspricht. Aber die frühere und die jetzige Landesregierung haben betont, dass das nur im Konsens mit Berlin und Brandenburg geht. Konkurrenz nützt nichts, wie man am Beispiel Leipzigs sehen kann. Dort wurde der Flughafen ausgebaut, der nun nicht ausgelastet ist. Und Oberbürgermeister Tiefensee schlägt vor, dass Leipzig an Stelle von Schönefeld ausgebaut und Tegel offen bleiben soll. Im Moment wartet man in Leipzig wie in Stendal darauf, dass das Projekt BBI scheitert. Aber sie vergessen, dass in Tegel ein funktionierender Flughafen existiert, auf dem elf Millionen Flugpassagiere jährlich abgefertigt werden. Die kommen hauptsächlich aus Berlin-Brandenburg und nutzen zu 60 Prozent Kurzstreckenflüge unter 600 Kilometern.
fairkehr: Umweltschützer fordern seit langem, keine Flugverbindungen unter 500 Kilometern anzubieten.
Cramer: Zwischen Berlin und Hannover findet kaum noch Flugverkehr statt, seit die Bahnfahrtzeit auf 1,5 Stunden verkürzt ist. Ähnliches passiert mit Berlin– Hamburg, wenn die Bahnstrecke mit 230 Stundenkilometern befahrbar ist. Frankfurt ist schwieriger, weil dort sehr viel Umsteigeverkehr stattfindet. Da sind die Fluggesellschaften gefordert, verstärkt Kombitickets anzubieten, um die Zubringer-Flüge auf die Bahn zu verlagern. Das Preissystem macht allerdings viel kaputt, insbesondere die Subventionierung des umweltschädlichen Flugverkehrs.
fairkehr: Es gibt einen Trend, immer mehr kleine Flugplätze auszubauen – sei es Hahn bei Frankfurt oder Neuhardenberg in Brandenburg, wo Ryanair demnächst starten will. Wie soll diese Entwicklung gesteuert werden?
Cramer: Kleine Flughäfen, wo wenig geflogen wird, sind extrem teuer. Meistens sind das Werbeaktionen, um mit Dumpingpreisen ins Geschäft zu kommen. Manchmal lohnt es sich, manchmal nicht. Ich gehe davon aus, dass es schwerer für kleine Flughäfen wird, wenn der Flugverkehr auf einen Standort konzentriert ist. Unabhängig davon haben Berlin und Brandenburg vereinbart, keine Konkurrenz zum geplanten Single-Airport zuzulassen.
Interview: Gudrun Giese
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