Hauptstadtflughafen Auf Geisterkurs Der Baubeginn eines neuen Flughafens für die Hauptstadtregion Berlin rückt immer mehr in die Ferne.
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Foto: Lufthansa/werner Krüger | |||
Gross sollte der neue Hauptstadt-Airport werden, sehr groß. Soviel stand fest, als Anfang der 90er Jahre die Planung eines neuen Flughafens für Berlin begann. Die neue Rolle als Kapitale sollte schließlich gleich bei der Landung spürbar sein. Über 40 Millionen Flugpassagiere jährlich malten die damals für Verkehr zuständigen Landespolitiker Herwig Haase (CDU Berlin) und Joachim Wolff (SPD Brandenburg) an den Himmel über Berlin. Viel Geld für die Planung Dabei gibt es seit 1996 einen Konsensbeschluss über den Standort eines einzelnen, neuen Flughafens für die Region. Nach jahrelanger Suche hatten sich seinerzeit Berliner und brandenburgische Landesregierung mit dem Bund auf den Standort geeinigt, der im Raumordnungsverfahren die schlechtesten Bewertungen erhalten hatte: ein Areal neben dem bestehenden Flughafen Schönefeld. Mehr als sieben Jahre nach dieser Entscheidung ist die angekündigte Privatisierung des Projektes endgültig gescheitert und folgerichtig auch kein einziger Spatenstich für den auf den Namen „Berlin-Brandenburg International“ (BBI) getauften Flughafen erfolgt. „Die Planfeststellungsunterlagen stecken voller Fehler. Die brandenburgische Landesregierung versuchte in diesem Frühjahr mühselig nachzubessern. Schwerwiegend ist die fehlende Prüfung von Standortalternativen“, sagt Kristian-Peter Stange vom Bürgerverein Berlin-Brandenburg. Der Bürgerverein organisiert seit 1996 erfolgreich den Protest der Anrainer gegen den künftigen Airport. Mehr als 100000 Betroffene aus Berlin und Brandenburg brachten mit Hilfe des Vereins bisher über 260000 Einwendungen gegen die Planfeststellung ein. „Im Moment weiß keiner mehr, wer überhaupt was für einen Flughafen mit welchem Geld bauen soll“, bemerkt Stange süffisant. Die Fülle und Schwere der bisher aufgetretenen verfahrensrechtlichen Fehler ließen einen baldigen gerichtsfesten Planfeststellungsbeschluss immer unwahrscheinlicher werden. Areal mit Altlasten Aber es ticken mehr als nur planungsrechtliche Zeitbomben in diesem Projekt: Das auserwählte Areal für den neuen Flughafen steckt voller Altlasten. Dioxin aus Flugzeugtoiletten gelangte zu DDR-Zeiten in den Boden und möglicherweise ins Grundwasser. Damit nicht genug: Auch Munitionsrückstände und unerforschte Bunkeranlagen aus dem 2. Weltkrieg seien auf dem Gelände in erheblicher Menge zu finden, sagt Kristian-Peter Stange. Das gehe aus zahlreichen Dokumenten hervor. Fest steht, dass für den Standort des künftigen Flughafens BBI keine Munitionsfreistellungsbescheinigung vorliegt. Das bestätigt auch BBI-Sprecher Burkhard Kieker. In den Anhörungsverfahren zur Planfeststellung und in der aktuellen Auseinandersetzung um den Airport werden diese Probleme freilich durch Berliner und Brandenburger Politiker heruntergespielt. Doch der Standort hat auch unverdächtigere Befürworter. Zum Beispiel Dr. Karl-Otto Schallaböck vom Wuppertal-Institut und Mitglied des wissenschafltichen Beirats des VCD. „Um tatsächlich die beiden innerstädtischen Flughäfen geschlossen zu bekommen“, sagt er, „muss der neue Flughafen in Schönefeld angesiedelt sein.“ Bei jeder Berlin-ferneren Lösung bliebe am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit doch der Flughafen Tegel offen – und damit weiter ein Umwelt- und Sicherheitsrisiko für mehr als 300000 Berliner im Umfeld dieses Flughafens. Berlin-ferne Lösungen als Alternative zu Schönefeld gibt es durchaus: Da wäre einmal die Planung eines komplett neuen Flughafens bei Stendal, betrieben von der „Airail AG“, einem Unternehmen mittelständischer Bau- und Planungsfirmen, unterstützt sowohl von der früheren SPD- wie der jetzigen CDU-geführten Landesregierung in Sachsen-Anhalt. Im November 2003 ist der Antrag auf Einleitung des Planfeststellungsverfahrens gestellt worden. Allerdings weiß man auch im Kabinett von Ministerpräsident Böhmer, dass ein internationales Luftdrehkreuz bei Stendal nur bei Akzeptanz durch die Berliner und Brandenburger Fluggäste Chancen hätte. |
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„Illusorisch“ sei das, meint der Berliner Abgeordnete und Verkehrsexperte Michael Cramer (Bündnis 90/Grüne). „Damit würde die Chance verspielt, die Berliner Innenstadt-Flughäfen Tegel und Tempelhof zu schließen.“ (s. auch Interview). Betrieb nicht vor 2010 Die zweite Berlin-ferne Alternative ist der Flughafen Leipzig-Halle. Der müsste nicht völlig neu gebaut, aber doch erheblich erweitert werden. Mitte der neunziger Jahre wurden hier bereits neue Terminals fertiggestellt, Anfang 2000 ein neuer Tower in Betrieb genommen und Ende Juni dieses Jahres ein Zentralterminal mit Bahnhof, Check-In und Parkhaus eröffnet. Die Flughafen Leipzig/Halle GmbH gibt die aktuelle Abfertigungskapazität mit 4,5 Millionen Passagieren pro Jahr an; abgewickelt werden derzeit lediglich knapp zwei Millionen Fluggäste (2002). Bei einer adäquaten Erweiterung der Anlage für 20 oder mehr Millionen Passagiere wie in Schönefeld geplant, würden aber vermutlich auch der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) und andere Ausbaubefürworter Ärger mit der Anwohnerschaft bekommen. Dass die Erweiterung hier schneller über die Bühne ginge als der Neubau in Schönefeld bleibt so nur eine Vermutung. Bis dahin könnte sich allerdings längst der Flughafen der polnischen Hauptstadt Warschau zum wirklichen Drehkreuz für Osteuropa entwickelt haben. Und in Berlin bliebe einmal mehr alles beim Alten. Gudrun Giese
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