Gut fürs Klima Flugemissionen ausgleichen Flughäfen wie Köln/Bonn oder Stuttgart werden mit EU-Mitteln weiter ausgebaut und schaffen Raum für ein wachsendes Billigflugangebot. Fliegen mutiert zum Volkssport. Dabei ist schon lange erwiesen, dass Flugemissionen dem Klima schaden. Wer nicht aufs Fliegen verzichten will oder kann und trotzdem dem Klima helfen möchte, erfährt hier was hinter der Aktion „klimabewusst fliegen“ steckt.
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Foto: Volker Lannert | |||||||
Fliegen schadet dem Klima und keinen interessiert es. Die Politiker nicht, sonst stünden Maßnahmen wie die europaweite Besteuerung von Kerosin, komplette Mehrwertsteuer auf alle Flugtickets oder verpflichtende Emissionsabgaben weiter oben auf der To-Do-Liste. Die Fluggesellschaften nicht, sie locken mit Sonderangeboten immer mehr Menschen in ihre Flieger. Und den Verbraucher kann es auch nicht interessieren, sonst wären die Billig Airlines nicht so erfolgreich. Und mal ehrlich: Wer sagt zu Flügen für null Euro, wie Ryanair sie von Zeit zu Zeit anbietet, noch Nein? Das ökologische Bewusstsein wird immer häufiger über Bord geworfen, wenn die Alternativen zum Flugzeug um ein Vielfaches teurer sind. Die Umweltverbände sind sich deshalb einig: Fliegen muss teurer werden! „Ansonsten steuern wir immer schneller auf die Klimakatastrophe zu, statt ihr entgegen zu wirken“, sagt Helmar Pless, Flugverkehrsexperte des VCD. Ökologische Verantwortung Entgegen des Geiz-ist-geil-Trends startet das Bundesumweltministerium gemeinsam mit Germanwatch und forum anders reisen e.V., dem Unternehmerverband für nachhaltigen Tourismus, im Jahr 2004 die Initiative „klimabewusst fliegen“ und appelliert an die ökologische Verantwortung eines Jeden. Künftig sollen Flugreisende eine freiwillige Emissionsabgabe zahlen und mit dem Geld Projekte fördern, die ihrerseits CO2 einsparen. Die Projektverantwortlichen möchten aber keinen modernen Ablasshandel initiieren und den Menschen „Fliegen ohne schlechtes Gewissen“ ermöglichen, sondern Umweltschutz betreiben. „Der Ablasshandel-Vorwurf kommt in Diskussionsrunden natürlich schnell auf den Tisch“, erklärt Dietrich Brockhagen von Germanwatch, wissenschaftlicher Leiter des ehrgeizigen Projektes. Aber: „Wir werben ja nicht wie LTU mit »fliegen für den Regenwald«, sondern möchten den Kunden über die Schäden, die Flugemissionen anrichten, aufklären und ein Bewusstsein für Alternativen schaffen wie beispielsweise Reisen mit Bus und Bahn oder Telefonkonferenzen statt Geschäftsreisen“, betont der Wissenschaftler. Germanwatch erarbeitet die Komponenten, die für das Instrument „freiwillige Emissionsabgaben“ notwendig sind. Dazu gehört die Entwicklung eines Emissionsrechners sowie die Suche nach geeigneten Ausgleichsprojekten und einem Partner in der Reisebranche, der die Idee praktisch umsetzt. Die Entwicklung des Emissionsrechners, mit dem jeder übers Internet abfragen kann, wie viele Tonnen CO2 er bei seiner Flugreise verbraucht, ist auf dem Weg, ein erfahrener Projektpartner im Bereich nachhaltiger Tourismus mit dem forum anders reisen gefunden. Die letzte Hürde, die die Aktion „klimabewusst fliegen“ noch nehmen muss, ist Ausgleichsprojekte zu finden. Der Zertifizierungsvorgang ist kompliziert, langwierig und teuer. „Aber absolut notwendig, wenn man seriös arbeiten will“, so Brockhagen. Das sieht Rolf Pfeiffer, Geschäftsführer des forum anders reisen, genauso: „Wenn unsere Kunden freiwillig ihre Flugemissionen ausgleichen, dann müssen wir gewährleisten, dass das auch wirklich passiert. Die Projekte, in die wir investieren, müssen transparent und überprüfbar sein.“ Weniger Bier, mehr Umwelt Transparenter also als beim Regenwald Projekt von Krombacher und LTU? Wo der Verdacht besteht, dass ein Flug der Umwelt mehr schadet als der gerettete Quadratmeter Regenwald wieder wett machen kann. „Die Aktion ist doch nichts als eine Marketingaktion, zugegeben eine geniale“, sagt Pfeiffer, „die Deutschen trinken und fliegen so viel sie wollen und tun ganz nebenbei etwas für die Umwelt – ohne Abstriche! Krombacher und LTU verschaffen sich ein positives Umweltimage und mit Herrn Jauch als Vermittler kommt das auch beim Volk an. Der Umwelt tut man damit keinen nennenswerten Gefallen.“ Regelmäßige Kontrolle und Auswertung sind notwendig, um genau festzuhalten wie viel Umweltschutz in einem Projekt steckt. Das Kyoto-Protokoll, entstanden auf dem Klimagipfel 1997, regelt die Zertifizierung von Emissionsausgleichsprojekten. Zusätzlich entwickelten Vertreter der weltweiten Umweltorganisationen den sogenannten Gold-Standard. Nach diesem anspruchsvollen Standard werden die Projekte ausgewählt. „Der Gold-Standard regelt beispielsweise, dass nur in den Bau kleiner Wasserwerke, unter der Beteiligung der Bewohner vor Ort, investiert wird und nicht in Riesenstaudämme, die ökologisch problematisch sind“, erklärt der Wissenschaftler. Die Projekte sollen regenerative Energiegewinnung in den Entwicklungsländern ermöglichen oder in energiesparende Straßenbeleuchtung oder Wärmedämmung von Häusern und Bürogebäuden investieren. „Wir brauchen solide Projekte, mit denen wir »klimabewusst fliegen« zu einem Gütesiegel wie Bioland entwickeln können“, sagt Brockhagen. Die Zertifizierung soll sicherstellen, dass die Projekte wirklich umgesetzt werden und tatsächlich CO2 einsparen. Für die Prüfung sind weltweit nur eine Hand voll Institutionen zuständig, zum Beispiel der TÜV-Süddeutschland. Germanwatch und forum anders reisen möchten bis Anfang 2004 wenigstens ein Projekt finden, das den Ansprüchen genügt. Sie erwarten, dass 10000 Kunden mitmachen – das sind ca. 20 Prozent der Kunden, die über das forum anders reisen ihre Flugreise buchen – und pro Flugstrecke 10 bis 20 Euro bei Europa- oder 50 Euro und mehr bei Langstreckenflügen bezahlen. Pfeifer ist „vor allem wegen der derzeitigen Wirtschaftslage“ gespannt, wie die Aktion anläuft. Gespannt sein kann man, ob die Aktion überhaupt bekannt wird – bisher seien, so Pfeiffer, leider nur wenige Mittel für die Bewerbung des Projektes vorgesehen. Der VCD begrüßt die Initiative. „Es ist ein guter Anfang“, erklärt Geschäftsführer René Waßmer. „Verpflichtende Maßnahmen darf man darüber aber nicht vergessen. Die freiwillige Emissionsabgabe ist nur eine B-Lösung, solange die Politik schläft. Die A-Lösung wäre eine verpflichtende Emissionsabgabe für alle Flugreisen – in der Hoffnung, dass dann seltener geflogen wird.“ Valeska Zepp |
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