Verknüpfung von Theorie und Praxis
In der Fahrschule herrscht immer noch das „Karusselprinzip“. Die
Teilnahme am 14 Lerneinheiten umfassenden Theorieunterricht ist zwar inzwischen
obligatorisch, der Einstieg der Fahrschüler in den Theoriezyklus aber
völlig zufällig. Bei der Anmeldung lädt der Fahrlehrer zur nächsten
Theoriestunde ein. Da sind vielleicht gerade die Regeln für die Autobahn
dran, parallel dazu übt der Fahrschüler in der ersten Fahrstunde
aber den Umgang mit Kupplung, Bremse und Gas. Eine Verzahnung von Theorie und
Praxis – Selbstverständlichkeit in fast allen Ausbildungen – fordern
Erziehungswissenschaftler seit vielen Jahren vergeblich: Eine Gruppe von Schülern
beginnt und durchläuft gleichzeitig eine Ausbildung, die Theorie bezieht
sich auf die Praxis, bereitet sie vor und analysiert die Lernfortschritte.
Es müsste also die Autobahn in dem Zeitraum Thema sein, in dem der Fahrschüler
seine Pflichtstunden auf der Autobahn absolviert.
„Unmöglich“, entgegnen die Fahrschulinhaber. „wenn
wir dem Fahrschüler sagen, er soll in vier Wochen wiederkommen, wenn der
neue Theoriezyklus beginnt, dann geht der doch zur Konkurrenz.“ Das Totschlagargument
des kommerziellen Drucks gegen die Pädagogik ist angesichts einer nach
wie vor hohen Unfallhäufigkeit bei Fahranfängern nicht zu akzeptieren.
Die Gesellschaft kann sich nicht länger eine zweitklassige Ausbildung
leisten, nur weil die Ein-Mann-Fahrschule organisatorisch überfordert
ist, eine didaktisch anspruchsvolle Gruppenfahrausbildung zu leisten.
Aber der Kunde Fahrschüler hat für die ca. 1500 Euro, die eine Fahrausbildung
heute kostet, Anspruch auf Qualität. Immerhin kam in diesem Jahr auf Einladung
der Fraktionen der Regierungsparteien eine Expertenrunde im Bundestag zusammen,
die über notwendige Gesetzesänderungen für eine verbesserte
Fahr- und Fahrlehrerausbildung diskutierte. Das heutige Recht schützt
die Kleinfahrschule, behindert aber fortschrittliche Fahrlehrer, die fordern,
endlich sinnvolle Kooperationen zu ermöglichen, dass zum Beispiel mehrere
Fahrschulen Lerngruppen zusammenstellen und sich hochwertigere Räumlichkeiten
und technische Ausstattung teilen können.
Fahrlehrerausbildung muss auf den Prüfstand
Bisher reichen ein Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung
als Eingangsvoraussetzung. Fahrlehrer werden in lediglich fünf Monaten
an einer privaten Ausbildungsstätte auf ihre Tätigkeit vorbereitet.
Zwar haben in den letzten Jahren Unterrichtsgestaltung und Psychologie an Raum
in der Ausbildung gewonnen, aber Fahrlehrer bekommen in der Kurzausbildung
nicht das notwendige Rüstzeug für die anspruchsvolle pädagogische
Berufstätigkeit. Seit 1999 schließt sich für die jungen Fahrlehrer
ein Praktikum von viereinhalb Monaten Dauer in einer Ausbildungsfahrschule
an. Angeleitet werden sie von Kollegen, die dafür eine dreitägige
Fortbildung absolviert haben. Kein dreitägiger Kurs kann mangelhaft ausgebildete
Fahrlehrer zu kompetenten Ausbildern von jungen Kollegen qualifizieren.
Hier zeigt sich beispielhaft das Dilemma: Fahrlehrerausbildung und Fahrausbildung
wurden nie grundlegend reformiert. Hier wurden für Fahrschüler ein
paar Pflichtfahrten mehr eingeführt, dort ein paar Tage Fortbildung für
den Ausbilder oder das Praktikum für junge Fahrlehrer vorgeschrieben.
Angesichts weiterhin hoher Unfallzahlen bei jungen Autofahrern sind auch heute
wieder einige weiterführende Maßnahmen in der Diskussion, etwa die
Verknüpfung von Schule und Fahrschule, das begleitete Fahren mit 17 Jahren
oder eine für alle Fahrschüler obligatorische zweite Phase der Fahrausbildung
nach einigen Monaten Fahrpraxis. Alle Maßnahmen sind pädagogisch
höchst interessant, aber sie sind auch Reparaturmaßnahmen als Antwort
auf die unzureichende Fahrschule. –
Die Verbesserung der Fahrausbildung, die alle Fahrschüler durchlaufen,
muss höchste Priorität haben. Die Voraussetzung für guten Unterricht
sind gute Lehrer und deren zeitgemäße Ausbildung zum Mobilitätslehrer.
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