fairkehr: Welche Autofahrertypen bewegen sich auf Deutschlands Straßen?
Hilgers: Die Autofahrertypologie ist kalter Kaffee. Die meisten Autofahrer variieren ihren Fahrstil. Mal sind sie aggressiv, mal fließen sie friedlich mit.
fairkehr: Gilt das auch für Fahrer eines Geländewagens oder eines Porsches?
Hilgers: Bei extremen Autos mag es noch spezielle Verhaltensmuster der Fahrer geben. Aber die meisten Mainstream-Fahrzeuge erscheinen heutzutage in sogenannten Editions. Sie können dann die Sport-Edition, die Classic oder Elegance Ausgabe bestellen, sich unter 100 Farben Ihre ganz persönliche auswählen.
fairkehr: Das ganz persönliche Auto als Ausweis der Persönlichkeit.
Hilgers: Genau. Dabei will der Autobesitzer Individualität zur Schau stellen, aber auch wieder nicht zu sehr auffallen. Der Mensch schwankt zwischen Autonomie und Zugehörigkeitsbedürfnis.
fairkehr: Ein Spezialheft zum Geländeporsche Cayenne stellt eine absurde Beziehung zwischen dem Auto und einer Herde Auerochsen her. Will der Käufer mit dem Kauf eines Cayenne seine animalische Wildheit dokumentieren.
Hilgers: Eine Herde Auerochsen? Ich fürchte eher, wer auf so was reinfällt, erweist sich als Hornochse. Aber im Ernst: Natürlich geht es immer auch um Triebhaftigkeit, Wildheit und den Moschusgeruch des Mannes. Wer ein Auto nur als Mittel zum Zweck begreift, ignoriert die emotionale Seite der Mobilität. Es geht dem Käufer eines Geländewagens vor allem auch um die Illusion von Freiheit. Je mehr der Mensch eingebunden ist, desto mehr sucht er nach kleinen Fluchten. Dabei reicht bereits die vorgestellte Möglichkeit. Ich muss nicht ins Gelände, aber ich könnte jederzeit über Berg und Tal verschwinden.
fairkehr: Wer dagegen Gefährdung oder umweltschädliches Verhalten thematisiert gilt als Spielverderber und Freiheitsberauber?
Hilgers: So ist es häufig. Und er bewirkt durch seine vermeintliche Lustfeindlichkeit eher eine Bestätigung des Rasers oder Protzautofahrers.
fairkehr: Unsere Auto-Umweltliste müsste also auch mehr die Emotion betonen?
Hilgers: Würden Sie ein Kriterium Fahrspaß in die Bewertung einbauen und die Sieger auch mit Witz bewerben, könnten Sie viel mehr erreichen. Sie müssen das modellhaft vormachen – nicht zuletzt der Autoindustrie und ihren Werbefritzen.
fairkehr: Ist das Führungspersonal von Autofirmen und Werbeagenturen in dieser Hinsicht prinzipiell innovationsunfähig?
Hilgers: In ihrem Mobilitätsverhalten sind sich diese Leute ziemlich ähnlich. Von Autos reden die erst ab einem Audi A6 oder einer Mercedes E-Klasse. Die kleinen Fahrzeuge, die der VCD zu Umweltsiegern kürt, nehmen die Herren vor allem in ihre Produktpalette auf, um einen Umweltimagetransfer zu schaffen, nicht um wirklich Massen davon zu verkaufen.
fairkehr: Der Einstieg von VW in die Oberklasse will nicht recht gelingen. Der Phaeton wird mit dem Slogan „Ist das nur ein Automobil?“ beworben. Was könnte er Ihrer Meinung nach denn sonst sein?
Hilgers: Ein Protzmobil, das aussieht wie ein aufgeblasener Ochsenfrosch-Passat. Wer soll dafür mehr als 100000 Euro bezahlen? Das Auto ist eine Lachnummer.
Interview: Michael Adler
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