Für meine vierjährige Tochter Leonie ist die Frage von Leben und Tod geklärt: Ein Haus? Ist tot, bewegt sich ja nicht. Ein Auto? Lebt, weil sich das bewegt. Nimmt man noch den Erfahrungshorizont meiner zweijährigen Tochter Sophie, deren häufigstes Wort derzeit „selber“ oder „alleine“ ist, hinzu, hat man die ganze Faszination des Automobils ergründet. Der Psychoanalytiker Micha Hilgers (siehe auch Interview Seite 17) weist auf die umgangssprachliche Verkürzung des Automobils auf das Wort „Auto“ hin. „Auto“ kommt aus dem Griechischen und heißt „Selbst“. Die eigentliche Funktion des Fahrzeuges, das „beweglich sein“, verblasst hinter der Bedeutung des Selbsttuns.
Das Automobil ist also ein Lebewesen, dem man mit Emotionen begegnet, ein Freund und Gefährte gar und nicht zuletzt ein Ausdruck unseres Selbst, unserer Persönlichkeit. Eine Krücke für das Selbstbewusstsein mithin, ein Aushängeschild unserer Persönlichkeit: Seht her, so wie mein Auto, so bin ich selbst.
Im Prinzip ist damit das ganze Geheimnis der Automobilwerbung offengelegt. Vom treuen kleinen Freund bis zum animalischen wilden Freiheitsdrang werden Autos mit Emotionen belegt, die alle letztlich nur eine zentrale Botschaft vermitteln sollen: Kauf mich.
Weit über 1,6 Milliarden Euro gibt die Autoindustrie in Deutschland pro Jahr aus, um diese Botschaft an den Mann und die Frau zu bringen. In dem derzeit hart umkämpften Markt geht es dabei immer um die Betonung einer sogenannten Unique Selling Proposition (USP), eines Alleinstellungsmerkmals, das den Käufer für genau dieses eine beworbene Fahrzeug gewinnt. Das ist nicht ganz leicht. „Die Technik ist inzwischen bei allen so gut, da kann man nichts neues mehr anbieten“, schildert Joachim Freimuth das Werberdilemma. Freimuth kennt die Szene. Er arbeitete als Kreativer für große Agenturen und hat unter anderem den Toyota-Tier-Spot erfunden, bei dem die Affenfamilie am Ende grölt: „Nichts ist unmöglich“.
Es geht um Konkurrenzvorteile
„Im gesättigten Markt geht es ausschließlich um Konkurrenzvorteile“, erklärt er den Mangel an dauerhafter Corporate Identity. „Das geradezu marktschreierische Getöse der letzten Monate um Kreditzinsen beim Kauf einer bestimmten Marke, die Tankfüllungen zusätzlich, die Extrapakete sind reine Verkaufsförderungsmaßnahmen“.
Dennoch lassen sich einige Megatrends der letzten Jahre in der Autowerbung festmachen: Fahrspaß, gemeint sind damit meist rasante Beschleunigungswerte und hohe Endgeschwindigkeiten, darf in fast keiner Anzeige fehlen. Die „Spritzigkeit“ wird bei Kleinwagen betont, die „fulminante Leistungsentfaltung“ kennzeichnet einen Sportwagen, wie den BMW Z 4, die „souveräne, kultivierte Zugkraft des Triebwerkes“, das „jederzeit Sicherheitsreserven mobilisieren kann“ steht in der sogenannten „Premium-Klasse“ für Tempo und Spurtstärke.
Zweiter Trend: Vans, man könnte auch sagen Zwitter zwischen Pkw und Lieferwagen, haben Konjunktur. Glaubt man der Werbung, muss der moderneMensch mit seinem bewegten Lebensstil mal die Familie, mal die Surfbretter mit Freunden, dann das Mountainbike alleine transportieren. Alles muss in ein Auto passen. Lange Zeit war fast ausschließlich die Familie die Zielgruppe für Renault Espace, VW Sharan und Ford Galaxy. Meist fuhr in der Werbung eine vierköpfige Familie, Junge älter als das Mädchen, zum Wochenendausflug und alles musste mit. Inzwischen entdeckt die Automobilwerbung immer neue Verwendungsmöglichkeiten für den Mercedes Vaneo, den Opel Meriva („100 Prozent flexibel“) oder den VW Touran („mehr als ein Familienauto“).
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