Die Urft windet sich träge durch die Nordeifel. Auwälder säumen ihre Ufer, die Bäume spiegeln sich in der glatten Oberfläche und verleihen dem Wasser eine flaschengrüne Farbe. Vom Bahnhof des Naturerlebnisdorfes Nettersheim ist es nicht weit bis zur Urft. Ein Radweg führt am plätschernden Flüßchen entlang durch kleine Eifeldörfer vorbei an Wiesen und Feldern. Dazwischen gibt es hin und wieder rasante Abfahrten über Stock und Stein. In einer Stunde erreicht man Gemünd, die letzte Gelegenheit, etwas zu essen und zu trinken bevor es in die Wildnis geht, zum künftigen Nationalpark – mitten durch das militärische Sperrgebiet Vogelsang. Nach über 50 Jahren ist der Weg durch den Truppenübungsplatz der belgischen Streitkräfte wieder für Fußgänger und Radfahrer passierbar, bisher allerdings nur an Wochenenden und Feiertagen. Schon wenige Kilometer hinter Gemünd hält die Urft inne, verbreitert sich, ist mehr See als Fluß. Ehrfürchtig bestaunt der Radfahrer die Landschaft: links der breite grüne Fluß, rechts steile Schieferfelsen, darüber Wald. Am Wegrand blüht leuchtend gelber Ginster. Ab und zu kommen Radfahrer und Wanderer vorbei, sonst ist es still.
Hier wird der Nationalpark Eifel entstehen. Vier Worte reichen aus, um das Prinzip eines Nationalparks zu beschreiben: „Natur, Natur sein lassen“. Die Nationalparkverordnung braucht tausende. Dazu kommen Gutachten, Anträge, Berichte – Millionen Worte für eine einfache Anweisung: sich nicht in die Natur einzumischen. Der Nationalpark Eifel wird es in vielen Dingen leichter haben als seine Vorreiter. Die Flächen gehören Bund und Land, so gibt es keine Nutzungskonflikte mit Privatbesitzern. Durch die militärische Nutzung ist das Gebiet in weiten Teilen seit Jahrzehnten sich selbst überlassen. „In manchen Bereichen müssen wir etwas nachhelfen und Bucheckern säen, damit sich die Buchen gegen die Fichten durchsetzten können – aber in 30 Jahren wächst der Wald vor sich hin – mit allen Konsequenzen“, erklärt Michael Lammertz, Förster und Leiter der Kommunikations- und Marketingabteilung des zukünftigen Nationalparkamtes.
Allein die Urft bereitet manchen Kopfzerbrechen: Ihre Auwälder sind zwar selten gewordene, schützenswerte Ökosysteme, aber leider ist die Urft nicht von alleine so still wie ein See. Sie endet an einer Talsperre. Zusammen mit der Rurtalsperre versorgt sie die Region rund um Aachen mit Wasser und Strom. Die Talsperre einzureißen und die Urft wieder zu dem Fluss werden zu lassen, der sie einst war, ist undenkbar: Die Landschaft lebt von dem Blick auf den Urftsee und die Region lebt von seinem Wasser und braucht den Strom. Als klar war, dass der Truppenübungsplatz aufgelöst werden sollte, drängte sich die Frage auf, ob die umliegenden Wälder „nationalparkwürdig“ sind. Staatssekretär Thomas Griese beauftragte das zuständige Landesamt (LÖBF) mit dieser Frage. Bald nahm die Idee vom Eifel-Nationalpark konkrete Formen an. „Von Anfang an war klar: Das muss ‘unser Nationalpark’ werden, mit dem sich die Einheimischen identifizieren können“, erklärt Lammertz, der selbst aus der Eifel stammt. Das Forstamt Schleiden verwaltet das über 9000 Hektar große Schutzgebiet und ist darauf bedacht, alle Stimmen zu hören: von Bürgern, Umweltschützern, Touristikern, dem Förderverein Nationalpark Eifel und den Politikern.
Das Besondere am Eifel-Nationalpark: Die Wälder sind Lebensraum für Rotwild und eines der letzten Rückzugsgebiete für Wildkatzen. In den Felsen haben sich unzählige Mauereidechsen eingenistet. Man sieht sie erst auf den zweiten Blick, so gut sind sie getarnt.
Am Ausgang des Sperrgebietes führt der Radweg entweder zur Talsperre oder durch den Kermeter – ein bereits geschützter Buchenwald, der auch zum Nationalpark gehören wird. Von der Talsperre fahren am Wochenende Busse zurück nach Gemünd. Der Weg durch den Kermeter führt in Serpentinen steil bergauf. Aus dem Wald strömt der Duft von Waldmeister. Am höchsten Punkt trifft der Radweg schließlich auf eine größere Straße. Motorräder knattern vorbei. Zu laut, zu schnell, zu gefährlich. Zum Glück zeigt die Wanderkarte einen Weg durch den Wald, fast bis nach Heimbach, zum nächsten Bahnhof. Es geht fast immer bergab – eine wohlverdiente Belohnung, die nur noch von einem kühlen Bier in Heimbach zu toppen ist.
Valeska Zepp
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