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Frachtschiffe
Kein Engel an Deck Vor
der spanischen Atlantikküste zerbrach der Öltanker
Prestige und sank – mit schwerwiegenden Folgen. Eine
solche Katastrophe kann sich jederzeit auch vor deutschen Küsten
ereignen, denn auch auf Nord- und Ostsee sind täglich tickende
Umweltbomben unterwegs. Doch selbst wenn kein großes Unglück
passiert: Die ökologischen Belastungen durch den Schiffsverkehr
sind enorm. Konkrete Schritte zum Schutz der Meere und für
mehr Sicherheit auf See sind dringend geboten.
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Seeschiffe setzen große
Mengen Luftschadstoffe, Treibhausgase und ozonschädigende
Substanzen in die Atmosphäre frei. Diese Stoffe verschwinden
nicht einfach im Meer und machen auch nicht an Landesgrenzen halt,
sondern schlagen sich an den Küsten, in den Häfen und
an Land nieder und verursachen dort Umweltprobleme. |
Flachmeere wie die Nordsee sind die biologischen Schatzkammern
der Ozeane. Das gilt besonders für das Wattenmeer. Es ist
Kinderstube für viele Fische des Nordatlantiks und
aufgrund des hohen Nahrungsangebotes zugleich Rast- und Brutraum
für Millionen Wat- und Wasservögel. Die deutsche Nordseeküste
mit ihren vorgelagerten Wattengebieten würde von einer Ölkatastrophe
besonders nachhaltig beeinflusst, weil an einer flachen, sandigen
Küste eine weitaus größere Fläche verölt
als bei einer Steilküste. Außerdem wird an flachen
Küsten die Wellenenergie gebremst, so dass die Auswaschwirkung
der Brandung schwächer ausgeprägt ist. Da aufgrund
der Gezeiten immer wieder weite Gebiete trocken fallen, kann
das Öl in den Untergrund einsickern oder vom Sand überdeckt
werden. Der biologische und chemische Abbau des Öls wird
stark verlangsamt.
Auch die Ostsee ist ein äußerst sensibles Ökosystem, insbesondere
der Golf von Finnland und die Gewässer vor Deutschland. Doch mitten durch
die Anzuchtgebiete von Ringel- und Kegelrobben und durch die Rast- und
Brutgebiete von Zugvögeln führt eine der meistbefahrenen Schiffsstraßen
Europas, die Kadetrinne. Sie liegt zwischen der deutschen Halbinsel Darß und
der dänischen Insel Falster und gilt wegen ihrer geringen Breite und Tiefe
als gefährliches Fahrwasser. Rund 63000 Schiffe passieren jährlich
dieses Nadelöhr. Greenpeace warnt schon seit langem vor der Gefahr durch Öltanker,
die in wachsender Anzahl und in der Regel ohne Lotsen an Bord die engen und
schwierigen Routen der Ostsee befahren. Rund 40 Millionen Tonnen Öl werden
pro Jahr auf der Ostsee transportiert. Tendenz steigend, denn das russische Ölgeschäft
boomt.
Zur Jahreswende 2002/2003 hat Greenpeace vier Wochen lang den
Ostsee-Engpass beobachtet und festgestellt, dass die Durchfahrt
uralter Einhüllentanker
an der Tagesordnung ist. Auf den Weltmeeren schippern nach Greenpeace-Recherchen
zurzeit gut 3400 Chemie- und Öltanker, die über 20 Jahre alt sind
und nur eine Außenwand haben.
Bis 2015 sollen die gefährlichen Einhüllentanker nach dem Willen
der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO (International
Maritime Organization) weitgehend aus den Weltmeeren verschwunden
sein. Diese Schiffstypen sollen durch Doppelhüllentanker ersetzt werden,
die bei leichten Kollisionen und Grundberührungen deutlich größeren
Schutz vor Umweltverschmutzungen bieten. Seit 1996 müssen bereits alle
neuen Öltanker als Doppelhüllenschiffe gebaut werden. |
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Foto: greenpeace |
Schärfere Regeln sind
notwendig
Der Schutz des Ökosystems Meer ist im wesentlichen eine
internationale Aufgabe, denn die Ozeane machen, ebenso wie das
Klima, nicht vor nationalen Grenzen Halt. Die von der IMO, einer
Unterorganisation der Vereinten Nationen, entwickelten Gesetzesinitiativen
für mehr Sicherheit im Seeverkehr stoßen jedoch in
der weltweiten Anwendung an Grenzen. Die große Mehrheit
der Schiffe ist aus kommerziellen Gründen in so genannten
Billigflaggenstaaten wie Panama, Liberia oder den Bahamas
registriert, die tendenziell ein geringes Interesse an hohen
Sicherheits- und Umweltstandards haben. Aufgrund ihrer Flottengröße
bzw. ihres hohen Tonnageanteils können solche Staaten starken
Einfluss innerhalb der IMO nehmen, um Beschlüsse der rund
160 Mitgliedstaaten zu verwässern oder zu blockieren. „Solange
die IMO den Billigflaggen weiterhin erlaubt, das Tagesgeschäft
zu dominieren, werden Öltanker wie die Prestige auch künftig
eine Gefahr für die Meeresumwelt und für die Sicherheit
von Seeleuten darstellen“, kritisiert die Aktionskonferenz
Nordsee (AKN). Die AKN ist Mitglied der von ihr mitgegründeten
Föderation „Seas at Risk“ (SAR), ein Zusammenschluss
von Umweltorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen,
die national und international für den Meeresschutz arbeiten.
Das Tankerunglück vor der spanischen Küste hat gezeigt, wie unzureichend
beste-hende Regelungen sind und wie notwendig eine Verschärfung dieser
Regeln ist. Die europäischen Verkehrsminister haben sich deshalb im Dezember
2002 auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket verständigt. Ihre zentrale
Forderung: Risikoschiffe sind ab sofort in EU-Gewässern verboten. Das
Problem: Die entsprechenden EU-Verordnungen müssen erst noch
formuliert und verabschiedet werden. Ein geschlossenes und druckvolles Auftreten
Europas könnte nach Auffassung von Greenpeace-Schiffsexperte Christian
Bussau Signalwirkung auch auf Länder außerhalb der EU haben.
Um deutsche Küsten nach Möglichkeit
vor einer Ölpest wie in
Galicien zu bewahren, hat die Bundesregierung eine Reihe von konkreten Schritten
initiiert. Dazu zählt das Havariekommando in Cuxhaven als Zentrale des
Bundes und der Küstenländer, das im Januar diesen Jahres seine Arbeit
aufgenommen hat: Im Fall eines schweren Unfalls auf See werden hier alle notwendigen
Einsätze zur Menschenrettung, Bergung, Schadstoffunfall-
oder Brandbekämpfung koordiniert. Dazu zählt auch der Aufbau
eines Notschleppkonzepts: Im Falle einer Havarie sollen Hochseeschlepper und
Schadstoffbekämpfungsschiffe innerhalb von höchstens zwei
Stunden an der gesamten deutschen Nord- und Ostseeküste Hilfe leisten
können. Gleichzeitig hat das Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ein 8-Punkte-Programm für mehr Sicherheit
auf See entwickelt, das wesentliche Forderungen von Umweltschutzorganisationen
aufgreift (siehe Kasten unten). |
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Foto: Jens Koehler/ddp
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Blauer Engel an Bord
Aber nicht nur Tankerunglücke wie vor Galizien, sondern
auch der alltägliche Schiffsbetrieb gilt als Ursache für Ölverschmutzungen
auf den Ozeanen. Aus Kostengründen kaufen viele Reeder
minderwertige, konkurrenzlos billige Treibstoffe – auch
Bunker-C-Öl genannt – ein, die eigentlich für
Motoren ungeeignet sind und an Bord aufbereitet werden müssen.
Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass diese Praxis für
etwa 80 Prozent der Ölschäden auf der Nord- und Ostsee
verantwortlich ist. Das ergaben Spülsaumuntersuchungen
in der Deutschen Bucht, bei denen unter anderem angeschwemmte
Vogelkadaver untersucht wurden. Das alarmierende Ergebnis: Noch
immer sterben rund 30 Prozent der Seevögel an Öl.
Mit Schweröl fahrende Seeschiffe gleichen Sondermüllverbrennungsanlagen
für Raffinerierückstände, die ganz nebenher Schiffsschrauben
antreiben. Mit dem Einsatz von Schweröl an Bord wird alles
verbrannt, was an Land im Brennstoff nicht mehr zugelassen ist.
So führt nach Untersuchungen des Umweltbundesamtes der sehr
schwefelhaltige Treibstoff zu immensen Luftbelastungen. In Hafenstädten
wie Hamburg sind 80 Prozent der verkehrsbedingten SO2-Emissionen
auf die Seeschiffe zurückzuführen.
Die Begrenzung der Schadstoffemissionen ist auch
eines der Hauptanliegen des „Blauen Engels für
umweltschonenden Schiffsbetrieb“. Derart ausgezeichnet
stechen seit November 2002 die ersten deutschen Schiffe in See
(www.blauer-engel. de). Für dieses Umweltsiegel müssen
Schiffe eine Reihe von umwelt- und bautechnischen Voraussetzungen
erfüllen. Einen entsprechenden Kriterienkatalog hat die
Gesellschaft für angewandten Umweltschutz und
Sicherheit im Seeverkehr (GAUSS) mit Sitz in Bremen für
das Umweltbundesamt erarbeitet.
Um den „Blauen Engel“ mit an Bord nehmen zu dürfen,
müssen die Schiffe schwefelarmen Brennstoff verwenden und
ihre Stickoxid-Emissionen um mehr als 20 Prozent reduzieren.
Der Schwefelgehalt darf im Jahresdurchschnitt nur 1,5 Prozent
betragen – international erlaubt sind bisher 4,5 Prozent.
Außerdem verpflichten sich die Reeder, auf klimaschädliche
Kältemittel und giftige Schiffsanstriche zu verzichten.
Angesichts der Risiken durch die Dreckschleudern auf hoher
See sind umweltfreundliche Alternativen geboten: So wirbt Heinz
Otto vom Bundesverband Windenergie (BWE) seit Jahren für
windgestützte Antriebsformen auf Tankern und Frachtschiffen
(www.windschiffe.de). Solche Ideen stoßen bei Reedern bislang
auf wenig Interesse. Bleibt zu hoffen, dass der „Blaue
Engel“ mehr Schubkraft entwickelt – dem Ozeanen zuliebe.
Michaela Kuhn |
Acht
Punkte für
mehr Sicherheit auf See
- Zur schnellen Umsetzung der
EU-Beschlüsse hat der Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, Manfred Stolpe, ein „8-Punkte-Programm“ vorgelegt.
Dabei geht es einerseits um vorbeugende, andererseits
um Schadensbegrenzungsmaßnahmen im Falle eines
Tankerunglücks:
-
Bereitstellung von geeigneten Notliegeplätzen
entlang der Küste, die Schiffe in Problemsituationen
ansteuern können. Hier können Gefahrenpotenziale
des havarierten Schiffes begrenzt und Probleme effektiver
behoben werden. Sowohl bei der „Prestige“ als
auch beim Untergang des Tankers „Erika“ im
Dezember 1999 vor der Bretagne hatten die nächst
gelegenen Häfen den angeschlagenen Schiffen
ein Einlaufen verboten und sie wieder auf hohe See
geschickt.
-
Transitwege für Tankschiffe: In der Ostsee soll
durch eine verbesserte Wegeführung – vor
allem für Schiffe mit gefährlicher Ladung – die
Sicherheit erhöht werden. Deutschland wird außerdem
gezielte Gespräche mit Russland führen,
um eine Lotsenannahmepflicht in der Kadetrinne und
anderen kritischen Schiffswegen in der Ostsee zu
erreichen
-
Hafenzugangsverbot für Einhüllentanker: Schweröl
und andere gefährliche Stoffe in Tankern mit
nur einer Hülle sollen nicht mehr in deutsche Häfen
transportiert werden dürfen.
-
Gespräche mit der Mineralölindustrie:
Die Bundesregierung will mit Mineralölindustrie
und Reedern eine Vereinbarung über den Verzicht
von Einhüllentankern beim Transport von gefährlichen
Gütern erzielen.
-
Verstärkung der Hafenstaatkontrolle: Grundlage
ist das vor 20 Jahren in Paris unterzeichnete Memorandum
of Understanding on Port State Control (Paris MoU). Danach
sollen die zuständigen Behörden des Staates,
den ein Schiff angelaufen hat, – in Deutschland
die See-Berufsgenossenschaft – mindestens jedes
vierte ausländische Schiff darauf hin überprüfen,
ob die international festgelegten Mindestvorschriften
an Bord eingehalten werden. Im schlimmsten Fall können
die Kontrolleure ein Schiff an die Kette legen, zu Reparaturen
verpflichten oder sogar aus europäischen Häfen
verbannen. Problem: Die Hafenkontrolleure können
nur die augenfälligsten Macken entdecken, und beispielsweise
nicht Materialermüdungen, so wie im Fall der „Prestige“.
-
Flaggenstaatverantwortung: Deutschland wird in der Internationalen
Schifffahrtsorganisation darauf drängen, dass sich
so genannte Billigflaggenstaaten einem externen Bewertungsverfahren
(Audit) unterziehen. Langfristig sollen nur Flaggenstaaten
mit erfolgreichem Audit am internationalen Seeverkehr
teilnehmen dürfen.
-
Ergänzende Ölhaftungsfonds: Der bestehende
internationale Ölhaftungsfonds von 1992 soll weiter
verbessert werden. Schon zum 1. November 2003 werden
die Haftungssummen – unter anderem auf deutsche
Initiative hin – auf 270 Millionen Euro angehoben,
angestrebt wird eine Höhe von bis
zu einer Milliarde Euro.
-
Zügige und vollständige Einführung von
AIS (automatische Schiffsidentifizierungssysteme): Damit
lässt sich das Verkehrsgeschehen auf See nahezu
vollständig erfassen. In Deutschland
wird die Realisierung des Systems noch
in diesem Jahr abgeschlossen
sein.
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